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Während Europa unter den Folgen jahrzehntelanger Schuldenwirtschaft stöhnt, zieht am Horizont eine noch schlimmere Gefahr auf als der Zusammenbruch von Wirtschaft und Währung: Die Kriegsgefahr im Nahen Osten wächst von Woche zu Woche. Und nur Illusionisten können zweifeln, dass das nicht nur in Hinblick auf die Energieversorgung eine katastrophale Bedrohung für Europa darstellt. Daran ändert es natürlich auch nichts, dass in Europa diese Kriegsgefahr gerne verdrängt wird. Ursache dieser Verdrängung ist einerseits die Konzentration auf die Finanzkrise, andererseits das generelle Fehlen einer konsistenten europäischen Außenpolitik.
Zwar sind mehrere Vertragsänderungen der EU mit der Notwendigkeit einer starken europäischen Außenpolitik begründet worden. Ans Ziel geführt haben diese Änderungen aber offensichtlich nicht. Das merkt man schon daran, dass die Mitgliedsstaaten sämtliche europäische Führungsfunktionen mit schwachen Persönlichkeiten besetzt haben, ob es nun der Kommissions- oder der Rats-Präsident ist oder die Außenbeauftragte.
Wirkliche Großmächte dieser Welt wie insbesondere China machen sich trotz aller asiatischen Höflichkeit gerne lustig über die außenpolitische Profillosigkeit Europas. Und sie reden daher lieber mit der deutschen Bundeskanzlerin als mit einem dieser Exponenten Brüssels, wenn sie ernsthaft verhandeln wollen.
Aber auch die europäischen Großmächte selbst schrauben ihre außenpolitischen Ambitionen herunter. Frankreich und England haben bei ihrer letzten Aktion – den Luftangriffen auf Libyen – gelernt, dass das sehr teuer war, und dass man dennoch in Libyen keineswegs eine echte Verbesserung der Verhältnisse erreichen konnte. Sie sind daher außenpolitisch leise geworden – und wirtschaftlich zunehmend angeschlagen. Deutschland wiederum hat als Universalfeuerwehr Europas genug Sorgen, es ist außenpolitisch auch schon vor der Krise außerhalb Europas traditionell vorsichtig und zurückhaltend gewesen; und es hat jetzt überdies einen Außenminister, der nicht wirklich als Schwergewicht oder besonders weise gilt.
Die nächstgroßen Länder Italien und Spanien hängen überhaupt groggy in den Seilen. Daher ist ihnen die frühere Lust auf eine lautstarke Mittelmeer- oder Lateinamerikapolitik komplett vergangen. Und die kleineren Europäer waren weltpolitisch naturgemäß immer schon irrelevant. Österreich zum Beispiel hat seit dem EU-Beitritt und der Balkanpolitik des Alois Mock nicht einmal eine nennenswerte Europapolitik, sondern bloß eine sich selbst verwaltende Außenpolitik (mit einer einzigen Unterbrechung durch das mutige Nein von Schüssel und Plassnik in Sachen Türkei-Beitritt).
Freilich muss man realistisch sein: Europa kann den drohenden Ausbruch eines Krieges zwischen Israel und Iran wie auch die zunehmende Eskalation zwischen Israel und Ägypten wie auch die Zuspitzung des syrischen Bürgerkriegs wie auch die Turbulenzen in weiteren arabischen Ländern nicht verhindern. Das gelingt auch den militärisch wie außenpolitisch viel mächtigeren Vereinigten Staaten nicht. Druck der Außenwelt auf regionale Hitzköpfe hätte ohnedies nur dann eine Erfolgsgarantie, wenn sowohl Amerika wie China wie Russland wie Europa einmal mit einer Stimme sprechen. Was leider nur ein Wunschtraum ist.
Aber auch bei realistischer Sicht ist die außenpolitische Absenz Europas deprimierend. Man hat den Eindruck, alle anderen drei großen Welt-Akteure haben ein klareres Konzept für den nahöstlichen und arabischen Raum als Europa. Dabei zeigt schon der Blick auf die Landkarte, dass die Möchtegern-Weltmacht Europa den Krisenzentren näher liegt als alle anderen globalen Mächte. Zusätzlich wäre Europa auch dadurch ganz besonders gefordert, dass die USA einen schleichenden Rückzug von ihrer Rolle als universeller Weltpolizist eingeleitet haben.
Aber Europa ist nicht einmal auf dem eigenen Territorium imstande, den Zypernkonflikt, also die Besetzung von EU-Territorium durch eine fremde Macht zu lösen. Es kann auch in der unmittelbaren Nachbarschaft keine funktionierenden Staatsmodelle für den Kosovo und Bosnien durchsetzen. Die EU kann sich weder dazu aufraffen, die De-Facto-Segmentierung dieser beiden Staaten anzuerkennen – sie ist aber natürlich auch völlig außerstande, militärisch eine staatliche Einheit durchzusetzen. Denn der gemeinsame Nenner der europäischen Politik ist die Immobilität.
Was könnte, was müsste Europa in Nahost konkret besser machen? Es müsste sich vor allem einmal auf überschaubare Ziele konzentrieren. Das wäre insbesondere der Schutz der Christen im Irak und Syrien, die derzeit zu Hunderttausenden verfolgt und vertrieben werden. Aber statt dessen hat sich die europäische Politik ohne Rücksicht auf die Konsequenzen in eine fast infantile Begeisterung für die islamistischen Revolten hineintreiben lassen.
Noch schlimmer ist das Versagen Europas in der gefährlichsten Konfliktzone, nämlich jener zwischen Israel und Iran. Mittlerweile sind die Beweise überwältigend, dass Iran knapp vor der Fertigstellung von Atomwaffen steht. Auch die Internationale Atomenergiebehörde – die sich vor dem Irak-Krieg der amerikanischen Propaganda gegen Saddam Hussein entgegengestellt hatte, die daher zweifellos große Glaubwürdigkeit besitzt – hat reihenweise diesbezügliche Alarmmeldungen veröffentlicht.
Eine iranische Atombombe bedeutet aber für Israel eine lebensgefährliche Bedrohung. Denn Atombomben in den Händen eines Regimes, das den Holocaust verherrlicht, sind für das Land unerträglich. Zugleich sind die bevölkerungsreichen islamischen Länder mit ihren wirren Kompensationsversprechungen für das Jenseits leichter als jede andere Kultur imstande, einen Atomkrieg zu riskieren. An dessen Ende wären das kleine Israel und all seine Einwohner mit Sicherheit ausgelöscht, während ein Teil der moslemischen Menschheit überlebt.
Die Gefahr durch eine iranische Bombe wird noch durch die innerislamischen Rivalitäten verschärft: Wer sich von den drei um die Führung ritternden Ländern Iran, Saudi-Arabien und Ägypten am aggressivsten gegen Israel stellt, dem jubeln die durch den Islam verarmten und radikalisierten Massen am lautesten zu.
Daher hätte es für jeden verantwortungsbewussten Politiker der Außenwelt seit Jahren oberste Pflicht sein müssen, den Druck auf den Iran zu erhöhen und diesen vor allem glaubwürdig auszuüben. Das wäre die beste Chance gewesen, den Iran zum Verzicht auf die Atomwaffenentwicklung zu bewegen und solcherart die Kriegsgefahr zu beenden.
Doch sind aus Europa nie wirklich konsistent glaubwürdige und entschlossene Signale nach Teheran gesandt worden. Der Kontinent erweckt den Eindruck, nur auf amerikanischen Druck und nur halbherzig bei den Sanktionen gegen Iran mitzumachen.
Botschaften an Israel werden vor allem in Teheran gehört, das daraus seine Rückschlüsse zieht. Sie werden als Signal aufgenommen, dass man ohnedies mit dem Bombenbasteln fortfahren könne. Daher sind die ständigen öffentlichen Warnungen an Israel, auf einen Präventivschlag gegen Iran zu verzichten, gefährlich und kriegsfördernd. Denn selbst wenn man der Meinung wäre, Israel solle der Fertigstellung der iranischen Bombe tatenlos zusehen, wäre es klug und die einzige friedenstiftende Politik gewesen, das niemals öffentlich zu sagen. Was aber etwa ein Herr Westerwelle ständig tut.
Wer begreift, wie sehr die Erinnerung an den Holocaust verständlicherweise den harten Kern der Identität Israels bildet, dem muss außerdem klar sein, dass solche Warnungen an Israel völlig sinnlos sind. Der jüdische Staat ist durch und durch von einem „Nie wieder“ geprägt: Man will sich nie wieder wehrlos abschlachten lassen.
An der Dummheit und Gefährlichkeit der europäischen Nahostpolitik ändert auch der Umstand nichts, dass auch die amerikanische Politik zunehmend solche gefährlichen Signale der Unsicherheit aussendet. Diese sind aber derzeit wenigstens durch den Wahlkampf erklärlich, in dem man sich keinesfalls durch einen israelischen Präventivschlag mit all seinen ungewissen und gefährlichen Konsequenzen stören lassen will.
Aber es steht außer Zweifel, dass eine iranische Bombe noch viel gefährlicher ist als ein zweifellos ebenfalls hochriskanter israelischer Präventivschlag.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.