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Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:
In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.
Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).
Auf den ersten Blick schaut die Sache wie das Versprechen einer neuen und guten Welt aus, in der Krankheiten durch ein finanzielles Anreizsystem verhindert werden können. Und es ist einfach umzusetzen, glaubt man den Managern der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA). Sie belohnen Menschen, die sich zu einem "gesunden" Lebensstil verpflichten mit geringeren Selbstbehalten. Die anderen hingegen werden "bestraft". Sie bekommen keinen Rabatt. Dieses Bonus-Malus-System in der Krankenversicherung hebelt das Solidaritätsprinzip aus. Das bewährte Prinzip besagt, dass sich der Leistungsanspruch nach Bedarf und Bedürftigkeit und nicht nach den persönlichen Risikoumständen richtet. Die Beiträge sind nicht vom Risiko des Einzelnen abhängig, sondern - bis zu einer Obergrenze - vom Einkommen der Versicherten. Die Solidarität der Besserverdienenden und Gesunden sichert die Finanzierung der medizinischen Leistungen für alle und gewährleistet die Gleichbehandlung finanziell schlechter gestellter Menschen. Dieser Grundgedanke wird durch das SVA-System untergraben. Kranksein wird als Zustand gebrandmarkt, der selbstverschuldet ist. Das ist absurd. Krankheiten sind oft vererbt, genetisch bedingt oder werden durch soziale Faktoren ausgelöst. Das Bonus-Malus-System bevorzugt außerdem jene, die aufgrund genetischer und sozialer Bedingungen in der "Lotterie des Lebens" das bessere Los gezogen haben. Die Lebensumstände und die Arbeitsbedingungen werden nicht berücksichtigt. Die Gesundheit wird zum Kaufgut herabgewürdigt und Kranksein als unwürdiger Zustand gesehen. Ein perverses System.
Andreas Unterberger
Jeder Arzt kann über Patienten berichten, denen die eigene Gesundheit egal ist. Sie nehmen verschriebene Medikamente nicht. Sie weigern sich, ihren Lebensstil zu ändern, sind übergewichtig, trinken ständig gezuckerte Markensäfte, essen zu fett, betreiben Sport nur durch Betätigung der Fernbedienung.
Das alles macht krank. Eine Ursache dieser seuchenartigen Fehlentwicklung ist die Alles-muss-gratis-sein-Mentalität im gesamten Gesundheitsbereich. Wenn es solche Phäaken irgendwo zwickt, hat ja ohnedies die Allgemeinheit ein Gratis-Generalservice des Körpers zu finanzieren.Es ist eigentlich eine Zumutung, dass wegen der krankmachenden Lebensweisen etlicher Mitmenschen das gesamte Gesundheitssystem unfinanzierbar wird. Ein intelligenter Selbstbehalt oder ein Bonus-Malus-System würde viele Menschen zu einem sorgfältigeren Umgang mit ihrem Körper veranlassen. So wie durch solche Systeme ja auch viele Autofahrer vorsichtiger geworden sind. Außerdem kann das Gesundheitssystem angesichts der Schuldenkrise nur noch durch eine Beteiligung der Konsumenten an einzelnen Kosten und insbesondere Bagatellausgaben auch künftig die großen Risken ordentlich abdecken. Diese werden angesichts der Überalterung immer zahlreicher. Gesundheit ist entgegen einer ideologischen Greuelpropaganda keine Frage des Geldes. Wenigverdiener sind statistisch besonders heftige Raucher, dafür beim billigen Wandern, Radfahren oder Schwimmen eher abstinent. Und wer davon schwätzt, dass Gesundheit keine Frage des Geldes sein dürfe, sollte dies einmal mit Ärzten, Krankenschwestern, Physiotherapeuten und Laborassistenten diskutieren. Die wollen nämlich alle keineswegs gratis arbeiten.