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„Die Presse“ hat einen neuen Chefredakteur und eine komplett neue Geschäftsführung. Viele Partner haben mich aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen. Ich tue das wunschgemäß, obwohl ich es ursprünglich angesichts einer naturgemäß fehlenden inneren Distanz zu einer Zeitung, bei ich über 31 Jahre tätig war, nicht wollte.
Sehr überraschend war die Verabschiedung des bisherigen Führungsteams jedenfalls nicht. Das nicht nur deshalb, weil solche Vorgänge nach jeder Änderung an der Spitze des Eigentümerkonzerns, der „Styria Media Group AG“, fast schon Tradition haben. Das auch nicht nur deswegen, weil sich die neueingeführte Sonntagsausgabe betriebswirtschaftlich als verheerend ausgewirkt hat. Das auch nicht nur deswegen, weil jahrelang bei der „Presse“ Sparsamkeit eher kleingeschrieben war, was etwa demonstrative Auftritte beim Opernball symbolisierten. Das nicht nur deshalb, weil man sich noch immer nicht auf den selbstbeschädigenden Gratis-Auftritt im Internet zu verzichten traut. Das auch nicht nur deswegen, weil der „Presse“ das Schicksal des (von der früheren Styria-Führung noch dazu zu einem absurd überhöhten Preis gekauften) Wirtschaftsblatts umgehängt worden ist, das in Wahrheit keinerlei publizistische Überlebensperspektive im Printbereich hat, höchstens als kostenpflichtiges Online-Angebot.
Vor allem war die Verabschiedung nach einem Rückgang des Marktanteils um mehr als 30 Prozent binnen zehn Jahren fast zwingend. (Die Daten der Media-Analyse als einziges objektives Instrument zeigen: 2002 hatte die „Presse“ 5,3 Prozent aller Leser, 2011 nur noch 3,7 Prozent, und beides waren keineswegs Ausreißer-Ergebnisse). Personalmaßnahmen waren daher auch schon in der Pipeline vorbereitet gewesen, bevor es zum Vorstandswechsel beim Eigentümer kam.
Dieser dramatische Leserverlust des Blattes hatte die in ähnlicher Größenordnung liegenden Leser-Zugewinne des Blattes im davorliegenden Jahrzehnt wieder mehr als zunichte gemacht. Diese hatten damals die „Presse“ zum ersten Mal in ihrer Geschichte seit 1918 in die schwarzen Zahlen gebracht.
Bei der Ursachen-Analyse gibt es mehrere Faktoren: Eine total neue Blattstruktur fand zwar das Interesse von Mediengurus, ging aber an den Bedürfnissen der Leser völlig vorbei. Sie scheiterte vor allem auch daran, dass in einem kleinen Land wie Österreich nicht einmal das „Profil“ jede Woche ein interessantes Magazin-Cover-Thema findet. Da ist es mehr als vermessen, sieben Mal in der Woche eine solche Magazin-Titelstrecke produzieren zu wollen.
Irritierend für die Leser war auch das Fortschreiten eines – sich freilich im Medienmarkt schon länger ausbreitenden – Trends zu einer Kommerzialisierung der Inhalte, zu einer Verwischung der Grenzen zwischen Inseraten und rein redaktionell gestalteten Inhalten. Die Eskalation dieses Trends zeigte sich nicht nur in ganzseitigen Anzeigen auf den Titelseiten, sondern beispielsweise auch in Seiten mit bezahlter politischer Tendenz, etwa der Migrationspropaganda.
Der Hauptgrund der Leserverluste war aber die Tatsache, dass es keine erkennbare Blattlinie mehr gab. Das wurde von vielen Lesern aus vielen guten Gründen als klarer Linksruck interpretiert. Dieser Positionierung zeugt angesichts der dichten Besetzung der linken Ecke im Medienmarkt nicht gerade von großer verlegerischer Weisheit. Diese Positionierung ließ viele Österreicher publizistisch heimatlos zurück (wovon ich als Chefredakteur der „Wiener Zeitung dann einige Jahre profitieren konnte, und jetzt durch die großen Leserzahlen dieses Tagebuchs).
Der neue, sehr junge Chefredakteur hat nun wieder das Wort „konservativ“ in den Mund zu nehmen gewagt. Das klingt prinzipiell sehr erfreulich und auch mutig. Das ist zugleich auch in Wahrheit die einzige Marktchance der Zeitung. In Österreichs Medienlandschaft fehlt ja nichts mehr als eine konservative Qualitätstageszeitung.
Eine solche gingt es in jedem entwickelten Land. In den meisten Märkten von Großbritannien über Frankreich bis zu den USA sind die konservativen Qualitätszeitungen sogar viel erfolgreicher als die linken. Daran ändert auch der von den linksgestrickten Auslandskorrespondenten erweckte gegenteilige Eindruck nichts, die ständig nur Le Monde, Guardian oder die New York Times hochjubeln und Daily Telegraph, Figaro oder Wall Street Journal meist mit Verachtung strafen.
Das Fehlen einer konservativen Qualitätszeitung in Österreich ist umso schmerzlicher bewusst geworden, seit der ORF zum reinen Rot-Grün-Sender geworden ist und seit sich auf einer ganz anderen Medien-Ebene, nämlich auf dem Boulevard, die einst konservative Kronen-Zeitung zu einer Faymann-PR-Zeitung entwickelt hat. Diese Entwicklungen haben übrigens auch dem Kleinformat und dem Staatsfunk viele Leser und Seher gekostet. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Zurück zur „Presse“: Zumindest vorerst muss man freilich noch intensiv zweifeln, ob die Wiederentdeckung des Wortes „konservativ“ durch den neuen Chefredakteur auch etwas mit der Realität zu tun haben wird.
Die Zweifel an einer positiven Antwort auf all diese Fragen sind groß, auch wenn man für deren richtige Beantwortung eigentlich nur die Meinungsumfragen und Leserpost gut studieren müsste. Aber bei jedem Versuch einer Änderung wird das linke Geheul in den Postings, in den Konkurrenzmedien, aber auch in der neuen Redaktionsmannschaft überlaut werden.
Die positiven Auswirkungen auf der Leserseite werden hingegen viel länger brauchen. Einmal vertriebene Leser kehren nämlich keineswegs auf den ersten Pfiff zurück. Wenn man nach Monaten und Jahren des täglichen Ärgers entdeckt hat, dass es auch ein Leben ohne „Presse“, ohne ein Zeitungsabo geben kann, wird eine Renaissance gar nicht so einfach.
Aber schauen wir halt einmal. Und gehen wir einmal davon aus, dass das Vokabel „konservativ“ überhaupt ernst gemeint und nicht nur ein leere Ankündigungsgeste gewesen ist. Jedenfalls aber können wir uns freuen, dass es zumindest wieder ohne Verachtung in den Mund genommen wird. Wenn auch offenbar erst unter dem Druck jahrelanger Leserreaktionen.
PS.: Diese kritische Sicht der letzten Jahre wie auch der skeptische Blick auf die Gegenwart ändert natürlich nichts an meinem bei Veranstaltungen oft geäußerten Befund, dass die „Presse“ in einigen Bereichen nach wie vor führend ist (in manchen sogar deutlicher als in früheren Epochen!): Das gilt für Wirtschaft, Recht, Außenpolitik, Wissenschaft und die (allerdings nicht mehr alle Veranstaltungen abdeckenden) Musik- und Theater-Rezensionen. In der Summe ergibt das aber freilich vorerst nur eine halbe Zeitung.