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Beppe Stronach tritt nun also zu Wahlen an. Er wird dabei wohl etlichen Erfolg haben. Ob aber auch Österreich mit ihm Erfolg haben wird, ist hingegen eher zweifelhaft. Beide Prophezeiungen, genauer: Wahrscheinlichkeitseinschätzungen hängen eng zusammen.
Denn beide basieren auf der gleichen Verhaltensweise des Politikers Stronach: Er sonderte bisher über ein paar mehrheitsfähige und sympathisch klingende Schlagworte hinaus nur aalglatte Phrasen ab. Er wird das wohl noch bis zum Wahltag so halten. Stronach wird aber auch danach seine konkrete Politik so machen. Weil er gar nicht anders kann.
Denn er hat in Wahrheit keine Ahnung, welch komplexe Zusammenhänge mit einer Verwirklichung seiner Parolen verbunden sind, geschweige denn, wie man diese überhaupt realisieren könnte. Ob das nun der Ruf nach einer Flat tax ist (eine an sich absolut richtige, aber mit ungeheuren Konsequenzen verbundene Forderung), nach einem Austritt aus dem „Rettungsfonds“ ESM (so falsch der Eintritt auch war, so klar ist auch, dass eine ehrliche Reformpolitik endlich die unvermeidlich schmerzhaften Folgen der gesamten Schuldenkrise zugeben müsste, was Stronach in keiner Weise tut oder auch nur begreift) oder gar nach einer Rückkehr zum Schilling (die ein Megafehler wäre. Denn so unvermeidlich auch ein Ausscheiden von Ländern wie Griechenland aus dem Euro scheint, so katastrophal wäre es für Österreichs Arbeitsplätze und Exporte, die Währungsgemeinsamkeit mit Deutschland und etlichen anderen Ländern aufzugeben).
Schon die Tatsache, dass sich kein einziger Wirtschafts- und Finanzexperte bisher dem Altersabenteuer des 80-Jährigen angeschlossen hat, also auch keiner der konsequenten Kritiker der Schuldenpolitik, ist mehr als aufschlussreich.
Noch demaskierender ist, dass Stronach in billiger Manier allen heiklen, aber politisch wichtigen Themen mit seinen Phrasen aus dem Weg geht, wie etwa: Migration, Islamismus, Gesamtschule, Feminismus, Diktat der Political Correctness, Rechtsstaat, Zukunft des Wohlfahrtsstaats. Überall eiert er substanzlos und phrasenreich herum. Er hat weder eine inhaltliche Ahnung von diesen Fragen noch die Bereitschaft, in seinem diktatorischen Führungsstil die Expertise anderer zu respektieren. Und die konkreten Vorschläge, wo er sparen will, erreichen bei weitem nicht einmal das Niveau der (wenigen) konkreten Vorschläge von FPÖ und BZÖ.
Dennoch hat er am Wahltag prinzipiell gute Chancen. Nein: nicht „dennoch“, sondern gerade deswegen. Denn je weniger konkret er ist, umso weniger Positionen gibt es, an denen sich Wähler stoßen können, umso weniger wird irgendeine Gruppe gegen Stronach kämpfen, umso mehr tritt der reine Show-Charakter seines Auftretens in den Vordergrund.
Genau dieses Erfolgsrezept haben auch schon andere angewandt. Etwa jener Mann, dessen Vorname mir schon ganz am Beginn dieses Textes nicht ganz zufällig in die Tasten gerutscht ist, nämlich der italienische Komiker und Kabarettist Beppe Grillo. Dieser hat ohne jedes Programm bei Regionalwahlen triumphiert, er punktet bei Meinungsumfragen für die nächsten Parlamentswahlen in Italien mehr als Stronach in Österreich und er ist so wie dieser imstande, alle Vortragssäle zu füllen. Grillo hat aber über ein paar Sager hinaus nicht einmal ein Promille der konkreten und substanziellen Lösungskapazität eines Mario Monti (was natürlich nicht heißt, dass man diesem die Versuche durchgehen lassen sollte, auch die anderen Europäer zur Tilgung der italienischen Sünden der letzten zwei Generationen bluten zu lassen. Aber das ist ein anderes Thema – und eine Strategie, der ohnedies alle italienischen Politiker folgen).
Stronach erinnert auch ein wenig an Hans-Peter Martin. Dieser konnte zwar nach seiner Trennung von der SPÖ eine Zeitlang durch wilde Attacken auf die Mächtigen und durch die Unterstützung der Kronenzeitung reüssieren, bevor er dann aber angesichts einiger Korruptionsvorwürfe sowie des Fehlens jeder inhaltlichen Substanz und irgendeines kohärenten Teams wieder im Abfluss der Geschichte verschwunden ist.
Stronach hat aber auch etliche Ähnlichkeiten mit Silvio Berlusconi. Dieser ist ebenfalls als Showtalent und erfolgreicher Geschäftsmann mit kreativen erotischen Vorlieben in die Politik eingestiegen. Berlusconi konnte sogar viel länger von der Krise der alten Parteien (ausgelöst durch deren innere Aushöhlung, Korruption, Streitigkeiten und die in Italien ja lange vor Berlusconi passierte Megaverschuldung) profitieren als Grillo oder Martin. Denn Berlusconi hatte hinter seiner leicht mafiösen Kasperlfassade durchaus auch intellektuelle und strategische Fähigkeiten. Berlusconi war als konkreter Macher wenigstens eine Zeitlang durchaus erfolgreich.
Bei allen genannten Namen, aber ebenso bei den FPÖ-Stars Haider und Strache war und ist im Grund immer dasselbe Prinzip wirksam: ein schillernder Führer, möglichst wenige zugkräftige Parolen und keine Details. Und wer hinter den Schlagzeilen um den Parteiführer in der zweiten und dritten Reihe stand, war bei fast allen weitgehend wurscht.
Damit ist der Stronach-Boom eine logische österreichische Ergänzung der überall wachsenden Demokratieverdrossenheit. Viele Menschen träumen – wieder einmal – von einem starken Mann, der mit der medial tagtäglich präsentierten und über die wahren Fakten hinaus noch maßlos aufgeblasenen Korruption und anderen Missständen aufräumt. So hatte etwa auch ein anderer aus einfachsten Verhältnissen nach Amerika emigrierter Steirer, nämlich der Schauspieler und Ex-Bodybuilder Schwarzenegger, den Kaliforniern in einem gewaltigen Medienhype mit einem Besen in der Hand eine Zeitlang einreden können, dass er ihre Probleme lösen könne. Was er aber ganz offensichtlich in keiner Weise konnte, wie später die Fakten zeigen.
Seltsamerweise übersehen viele: Auch Stronach hat in seinem Leben keineswegs nur große Erfolge erzielt. Ganz gewiss ist der Aufbau des weltweiten Autozulieferer-Konzerns Magna durch einen mittellosen Werkzeugmacher aus dem armen Nachkriegsösterreich eine eindrucksvolle Leistung. Das bleibt ein großartiges Verdienst, auch wenn der Gründer bei Magna heute unter dem Druck der Anleger nichts mehr zu sagen hat. Aber dennoch gibt es auch viele peinliche Flops auf seinem Weg: Man denke an Stronachs gescheiterte Versuche, in Österreich mit großem Wortschwall ein Pferdesport- und Wett-Imperium aufzuziehen, oder an seine wenig erfolgreiche, aber medienträchtige Tätigkeit beim Fußballklub Austria. Um nur an einige geplatzte Luftballons zu erinnern.
Es ist also keineswegs alles automatisch Gold, was Stronach angreift. Das könnte sich bei seinem politischen Engagement umso mehr zeigen, als sich der Mann immer wieder recht lange gar nicht in Österreich aufhält. Dazu kommt die doch nicht ganz unwichtige personelle Problematik: Während sich Stronach bei einem Industriekonzern mit Geld gute Manager und Techniker kaufen konnte, ist es eher fraglich, ob er bei der Rekrutierung einer politischen Mannschaft besonders Erfolge haben kann. Über unbedarfte Jasager und halbseidene Wichtigmacher hinaus sind die begabten und ehrlichen Männer und Frauen nämlich rar, die bereit sind, sich nur um eines Mandats willen einem absolutistischen Regime zu unterwerfen.
Trotz all dieser kritischen Anmerkungen darf aber auch das Positive an Stronach nicht untergehen. Sein Antreten wird mit Sicherheit die kritische Debatte über die europäische und österreichische Schuldenpolitik intensivieren. Er wird das Lager jener Gruppierungen verstärken, die dem Druck von SPÖ, Grünen und ORF nach immer noch mehr Steuern Widerstand leisten. Er imponiert vielen als Exempel auch deshalb, weil er in einem Alter antritt, in dem die anderen Parteien in ihrem Jugendwahn Politiker schon zwei Jahrzehnte davor entsorgt haben.
Stronach wird weiters jenen in der ÖVP Auftrieb geben, welche die Bindung an die SPÖ als tödliche Umarmung erkennen, bei der alle bürgerlichen Werte unter die Räder kommen müssen. Das allein ist schon viel wert. Er sollte auch der FPÖ endlich klarmachen, dass man ganz ohne Wirtschaftskompetenz nicht wirklich reüssieren kann, auch wenn diese am Viktor-Adler-Markt nicht sonderlich gefragt ist. Er ist auch ein wichtiges wirtschaftspolitisches Gegengewicht gegen die linke, „sozialliberale“ 68er Generation, die derzeit nicht nur in den Medien, sondern erstaunlicherweise auch in Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung das Sagen hat (wo daher eine ganz andere Politik gemacht wird als in den deutschen oder Schweizer Wirtschaftsverbänden).
Der Austrokanadier wird jedenfalls so wie die amerikanische Tea Party das Gewicht der politischen Diskussion zumindest ein wenig in die richtige Richtung verschieben. Dabei ist aber die Tea Party sicher erfolgreicher und eindrucksvoller. Denn sie ist eine primär von jungen Menschen getragene Massenbewegung mit sehr konkreten Inhalten. Die Tea Party wirkt mit großem Erfolg in eine der beiden Großparteien hinein, kann daher möglicherweise sehr stark die nächste Regierung beeinflussen. Sie ist damit das Gegenteil von einer autoritär strukturierten Ein-Mann-Partei, die nur mit Aussichten auf einen hinteren Platz zur Wahl antritt.
Stronach wird aber dennoch mit Sicherheit mehr Erfolg haben als viele der Gruppierungen, die zuletzt mit mäßigem Erfolg Bürgerinitiativen, Volksbegehren oder Parteigründungen gestartet haben. Denn diese waren meist schon deshalb nicht glaubwürdig, weil sie von gescheiterten Expolitikern getragen wurden, die halt noch einmal glauben, von der jetzigen Unzufriedenheit profitieren zu können.
Letztlich aber wird das Ausmaß seines Erfolgs nur von zwei ganz anderen Faktoren abhängen.
Erstens davon, ob der sparsame Exunternehmer wirklich in sattem Umfang, also mit einem ordentlichen zweistelligen Millionenbetrag Geld in die Hand zu nehmen bereit ist. Denn Parteipolitik braucht wie Kriegsführen Geld, Geld und nochmals Geld.
Zweitens davon, wie die ja ganz überwiegend links stehende Medienlandschaft Österreichs auf ihn reagiert. Diese hat zuletzt voll naiver Revolutionsbegeisterung lauter linke außerparlamentarische Oppositionsgruppen gefördert, die der großen Mehrheit der Journalisten innerlich nahestehen: Attac, Occupy, „Wir sind die 99 Prozent“, Piraten, Stephane Hessel und wie sie alle heißen, die mit linksextremistischen Planwirtschaftsideen das Scheitern der Schuldenpolitik bekämpfen wollen. Langsam erkennen die Mainstream-Journalisten aber, dass sie damit primär nicht den eigentlich ins Visier genommenen blau-schwarzen Hauptfeinden schaden, sondern fast nur den (eigenen) Linksparteien. Was auch ziemlich logisch ist: Denn welcher Wähler von ÖVP oder FPÖ ist bereit, ausgerechnet zu einem linken Chaoten-Haufen zu wechseln?
Auf der Rechten ist folglich die Erfolgschance eines Frank Stronach viel größer. Wenn die Medien vor allem Schwarz und Blau schaden wollen, werden sie daher den Gründer des Magna-Konzerns nun genauso fördern wie jene linken Gruppen oder noch mehr. Wenn sie aber seinen glasklaren Kapitalismus mehr fürchten als Schwarz und Blau, werden sie ihn nach anfänglicher Aufregung eher totschweigen.
Denn auch wenn Stronach zweifellos den Rechtsparteien mehr schaden wird, so wird seine schlichte und Tatkraft simulierende Ausdrucksweise auch die SPÖ einige weitere Wähler aus der Arbeiterschaft kosten, die einer der bisherigen Rechtsparteien (noch) nicht zu folgen bereit waren. Das wird in der Summe der Rechten noch mehr parlamentarisches Gewicht geben, als sie heute – theoretisch – schon hat. Ein Stronach-Erfolg wird auch die derzeit wieder (siehe Kärnten) in der ÖVP dominierende großkoalitionäre Stimmung zertrümmern. Was beides die fast durchwegs stramm linken ORF-Journalisten nicht sonderlich freuen wird.
Gerade der ORF wird trotz aller Seherverluste auch im nächsten Wahlkampf noch eine Schlüsselrolle als wichtigste Plattform spielen. Aber wie wird er das tun? Er hat ja in der Vergangenheit während der entscheidenden Wochen vor einer Wahl immer einen sehr strikten Formalismus eingeschaltet: Alle Parlamentsparteien bekamen breite und völlig gleiche Auftritte. Neue Parteien hingegen wurden durchwegs mit ein oder zwei Beiträgen in einer Mitternachts-ZiB abgespielt. Dabei filmte der ORF den Spitzenkandidaten meist möglichst unvorteilhaft auf einem fast völlig leeren Platz, wo ihm niemand seine Flugzettel abnehmen wollte.
Es wird noch recht spannend zu beobachten sein, wie sich da der ORF zwischen Pest und Cholera entscheiden wird, beziehungsweise welche Weisungen er aus der Löwelstraße erhalten wird. Denn sowohl ein Totschweigen wie auch ein Hochjubeln Stronachs birgt für die SPÖ große Risken. Zugleich gewinnt jenseits der noch unklaren SPÖ-Strategie die Frage an Gewicht: Kann der ORF den Showwert Stronachs ganz den Privatsendern überlassen?
Fad wird uns jedenfalls im kommenden Jahr nicht werden.