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„Geld und Besitz ist den Österreichern nicht so wichtig.“ So lautete dieser Tage die Schlagzeile der renommierten Salzburger Nachrichten unter Zitierung einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. Diese Aussage steht freilich im Gegensatz zur realen Welt: zum Gedränge in den Einkaufszentren, zum Gewerkschaftsgefeilsche um Lohnerhöhungen oder zu jener Frage, die mir nach Vorträgen ständig gestellt wird (egal was das Thema war): „Was soll ich mit meinem Geld in Zeiten wie diesen nur tun?“ Alles zeigt die Bedeutung von Geld und Besitz.
Auch sonst spiegeln Umfragen oft ein realitätsfremdes Bild. So sprechen sich große Mehrheiten immer für Bio-Produkte und gegen Kinderarbeit in der Dritten Welt aus. Sobald die Befragten aber einkaufen gehen, handeln sie meist nicht mehr gutmenschlich-modisch, sondern rational-vorteilsorientiert.
Ganz ähnlich verhalten sich Grünpolitiker, die lautstark Tempo 30 für ganz Wien fordern, die aber dann mit Geschwindigkeiten jenseits von Gut und Böse unterwegs sind. In die gleiche Kategorie zählen Finanzminister, die von den Steuerzahlern Ehrlichkeit verlangen, die dann selbst wie ein billiger Balkan-Schmuggler im Plastiksackerl große Geldmengen über die Grenze schleusen. Dazu zählen Priester, die es mit der Enthaltsamkeit nicht so ernst meinen, Ehemänner, die fleißig „Überstunden“ machen, oder Verleger, die sich maßlos erregen, wenn ein Politiker mit einem Billigticket in der ersten Klasse fliegt, selber aber über ihre Auflagezahlen so lügen, dass die Druckerschwärze rot werden müsste.
Irgendwo sind wir wohl alle Heuchler. Besonders gefährlich wird das Heucheln aber, wenn Umfragen auch zu der Forderung führen: Wir wollen kein Wirtschaftswachstum. Da wird das Heucheln brandgefährlich. Denn Verzicht auf Wachstum bedeutet wachsende Arbeitslosigkeit, wachsende Not. Natürlich kann man subjektiv ein Leben des Verzichts führen – wovon Menschen abgesehen von Klöstern freilich meist nur auf einem sehr hohen Wohlstandsniveau reden. Eine Gesellschaft als Ganzes darf daran aber sicher niemals denken. Denn nur Wachstum ermöglicht gesellschaftlichen Frieden ohne brutale Verteilungskämpfe. Diese brechen unweigerlich aus, wenn neue Generationen keinen anderen Weg zum Wohlstand finden, weil die Alten schon alles besitzen. Noch weniger kann Wachstumsverzicht ein Rezept für Europas Schuldenstaaten sein. Denn nur Wachstum schafft zumindest eine kleine Chance, dass die gewaltigen, in den letzten Jahrzehnten aufgebauten Schulden nicht zu einer Katastrophe führen.
„Aber die Umwelt!“, werfen da manche ein. Und liegen total falsch. Denn gerade das Wirtschaftswachstum und die ebenfalls gerne verteufelte Technik haben ermöglicht, dass etwa in Österreich die Seen wieder sauber sind, dass es kaum noch stinkende oder vergiftete Industrieregionen gibt, dass auch in den Städten die Luft viel besser als in den 70er Jahren ist. Nichts davon wäre bei Stagnation erreichbar gewesen.
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.