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Die Macht der Gläubiger

In Krisenzeiten wird oft die Erkenntnis bemüht, dass Gläubiger Geiseln ihrer Schuldner seien. Das stimmt auch in etlichen Fällen, wie etwa jenem Griechenlands.

Dennoch sollte man sich im Klaren sein: Im Normalfall liegt die Macht bei den Gläubigern. Diese haben eine bei Staatsanleihen für Regierungen besonders unangenehme Eigenschaft: Man kennt sie nicht. So weiß die Republik Österreich nur, dass rund 80 Prozent ihrer Anleihen in ausländischen Händen sind. Aber zu welchen Körpern diese Hände gehören, ist weitgehend unklar. Ausländische Zentralbanken? Amerikanische Pensionsfonds? Ölscheichs? Chinesische Staatsfonds? Russische Oligarchen? Kommerzbanken? Private Anleger?

In der gleichen Situation befindet sich der scheinbar mächtigste Staat Europas, die Bundesrepublik. Sie wird zwar von aller Welt derzeit als der bequemste Geldautomat behandelt. Aber zugleich steht Deutschland selbst mit gewaltigen 1,1 Billionen Euro in der Kreide. Das ist mehr Geld, als für den so umstrittenen Rettungsfonds ESM vorgesehen ist. Aber wer hält diese Forderungen?

Das ist keineswegs irrelevant. Denn auch bei festverzinslichen Papieren mit fixen Rückzahlungsdaten können Gläubiger die Zinsen gewaltig in die Höhe treiben, wenn sie die Papiere vorzeitig massenweise auch zu einem schlechten Preis verkaufen. Höhere Zinsen für alte Obligationen erhöhen automatisch auch jene für neue. Zum Glück sind Gläubiger meist nicht daran interessiert, ihre Forderungen mit Verlust zu verkaufen. Sie schaden sich ja selber, wenn sie gezielt einem anderen Staat schaden. Dennoch sollte man auch diese Möglichkeit nicht ganz ausschließen: Sollte etwa China einmal ob allzu scharfer Kritik eines anderen Staates an seiner Menschenrechtspolitik zürnen, dann könnte man das sehr bald an den Anleihen-Kursen ablesen. Viel häufiger kommt mit ähnlicher Wirkung vor, dass ein großer Gläubiger oder viele kleine gleichzeitig Bargeld brauchen. Oder dass sie das Vertrauen in einen Schuldner verlieren und lieber schnell mit Verlust verkaufen, als das eigene Risiko noch weiter zu erhöhen.

Jede Angabe, wer die deutschen oder österreichischen Anleihen hält, ist aber auch deshalb unzuverlässig, weil sie im Schnitt jährlich mehr als fünf Mal den Besitzer wechseln. Einem Schweizer Politiker ist nun dieser Tage die Information entschlüpft, dass die Schweizer Nationalbank rund 100 Milliarden an deutschen Anleihen halte, womit sie vermutlich Deutschlands größter Einzelgläubiger sein dürfte. Das klingt auf erste beruhigend. Sind doch die Schweizer seriöse Partner. Aber selbst da ist die Machtfrage relevant: Kämpfen doch Bern und Berlin ganz heftig wegen des Ankaufs gestohlener Schweizer Bank-Daten durch deutsche Steuerfahnder. Wenn deren Methode Schule machen sollte, bedeutet sie zweifellos Großalarm für die Schweizer Banken. Was natürlich auch der Notenbank nicht egal wäre.

Man sieht: Nicht einmal die Schweiz ist ein perfekter Gläubiger. Perfekt ist es nur, gar keine Gläubiger zu haben . . .

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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