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Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:
In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.
Schicksal selbst bestimmen
Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).
Der arabische Frühling ist das faszinierendste politische Ereignis der jüngeren Geschichte. Die Tat eines einfachen Manns, der sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung auflehnt hat, brachte Diktaturen zum Einsturz, Despoten wurden verjagt. Ausgelöst hat ihn der junge Gemüsehändler Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 in Tunesien. Er protestierte mit seiner Selbstverbrennung gegen Polizeiwillkür und Demütigungen durch die Regierung von Staatsoberhaupt Ben Ali. Binnen Tagen kam es zu Massenunruhen. Ben Ali flüchtete kurz danach und im Oktober 2011 fanden die ersten freien Wahlen zu verfassungsgebenden Versammlung statt. Heute wird Tunesien von einer Koalition aus der islamistischen Ennahda-Partei, dem linksnationalen Kongresses für die Republik (CPR) und der säkularen Ettakatol-Partei regiert. Das Land hat sich auf den schwierigen Weg zur Demokratie gemacht.
Ähnlich die Entwicklung in zahlreichen anderen Ländern des arabischen Frühlings. Egal ob es sich um Ägypten, Libyen oder den Jemen handelt. In anderen Ländern wiederum wurden die Regierenden zu Zugeständnissen gegenüber den Protestierenden sowie Machtbeschränkungen gezwungen. Dass die Transformation kein Spaziergang ist, liegt auf der Hand. So ist Ägypten noch lange nicht auf dem Weg zu geordneten Verhältnissen; die Konterrevolution aber ist misslungen. Der Kampf um die Machtverteilung geht weiter. Stets unter Beobachtung des Tahrir-Platzes. Ganz zu schweigen von der Lage in Syrien, dem weltpolitischen Pulverfass.
Egal wie lang und wie schwer der Weg ist, den die arabischen Länder noch vor sich haben - durch den Aufstand haben die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand genommen. Das ist allemal besser als Despotien und Diktaturen weiter stumm zu ertragen. Insofern hat der arabische Frühling sehr vielen Menschen Hoffnung gebracht und die Welt ein wenig besser gemacht.
Andreas Unterberger
Einige Monate lang haben sich 2011 revolutionsgeile Medien und Ideologen ob der Umstürze in einigen arabischen Ländern begeistert. Heute haben sie längst wieder ihr Interesse verloren und ignorieren diese Länder. Denn sonst müssten sie zugeben, dass die Folgen der Revolutionen sehr bedrückend sind.
Nirgendwo haben die einst von Journalisten begeistert gefeierten studentischen Facebooker und Twitterer die Macht übernommen. In Ägypten tobt im Verfassungsvakuum ein Machtkampf zwischen Armee und Muslimbrüdern. Libyen ist in Dutzende Stammesgebiete zerfallen, die sich gegenseitig bekriegen. In allen Umsturzländern beklagen heute Frauen und Minderheiten (insbesondere die in Ägypten relevanten Christen), dass für sie der Triumph strenggläubiger Islamisten die Lage eindeutig verschlechtert hat. Die Investitionen gehen überall zurück, was die Jobchancen für die Jungen noch weiter verschlechtert. Auch die Touristen sind noch keineswegs zurückgekehrt. Und der brutale Umgang der Ägypter mit Präsident Mubarak - der trotz allem ein relativ milder Herrscher war - ist viel ärgeren Diktatoren wie Herrn Assad eine Lehre, Demokratiebestrebungen keinen Millimeter mehr nachzugeben.
Umstürze haben in der Weltgeschichte - ganz unabhängig von der Qualität der Absichten - fast immer eine Verschlechterung der Verhältnisse gebracht: Das lässt sich von 1789 über 1848 bis 1917 nachweisen. Das ändert nichts an meinem tiefen Respekt für die polnischen Streikenden von 1980, die deutschen Attentäter des Juli 1944, die ungarischen Freiheitskämpfer von 1956 und die tschechischen von 1968. Sie waren alle mutig und edel. Aber die Geschichte ist anders weitergegangen. Demokratie, Rechtsstand und Wohlstand entwickeln sich in der Regel nur in einem mühsamen evolutionären Weg und Lernprozess wirklich dauerhaft in eine gute Richtung. Schritt für Schritt und nicht Auge um Auge.