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Das Gesundheitssystem mit seinen explodierenden Kosten zählt neben Pensionen, Schulden und Demographie zu den gefährlichsten Zeitbomben, auf denen die Europäer sitzen. Und in keinem Bereich wird so emotional und gutmenschlich, aber in Wahrheit untergriffig argumentiert. Wie: „Gesundheit darf keine Frage des Geldes sein.“ Oder: „Es ist ein Skandal, dass Armut krank macht“.
Solche Sätze werden ständig wiederholt. Und dennoch sind beide Sätze falsch. Denn: Wenn Gesundheit keine Frage des Geldes sein darf, müssen dann etwa Ärzte, Krankenschwestern, Pharmaforscher, Rettungsfahrer und viele andere umsonst arbeiten? Nein, nein, das sei natürlich nicht gemeint. Also geht es doch um Geld.
Aber woher soll es kommen? Früher oder später wird natürlich der Staat als Lösung des Problems präsentiert. Aber wo nimmt dieser das Geld her? Durch noch mehr Schulden? Durch noch mehr Steuern und Sozialabgaben in einer der schon jetzt höchstbesteuerten Regionen des Globus? Obwohl dies mit großer Wahrscheinlichkeit zu noch mehr Steuerflucht und Steuervermeidung, also in der Summe zu Mindereinnahmen führen würde?
Wer ehrlich ist – was nicht allzu viele Teilnehmer an der Gesundheitsdebatte sind –, der muss letztlich zugeben, dass auch der Staat keine Antwort auf die ständig steigenden Gesundheitskosten bedeutet. Die Staaten sind jedoch in ganz anderer Rolle gefragt: Sie könnten und müssten jene Einsparungen organisieren, die nicht auf die medizinische Qualität gehen. Und da gibt es viele Möglichkeiten, nein Notwendigkeiten.
Der Staat, wenn wir jetzt einmal nur von Österreich reden, müsste endlich Konkurrenz zwischen den Krankenkassen schaffen. Er müsste die absurden geographischen wie medizinischen Überkapazitäten der vielen aus Steuergeldern finanzierten Spitäler beenden. Hat doch Österreich so viele Betten und so viele Spitalsaufenthalte wie kein anderes europäisches Land. Werden doch wegen der Eitelkeiten von Landeshauptleuten und Bürgermeistern viel zu viele Spitäler betrieben, werden doch viel zu viele Patienten in teuren Spitalsbetten behandelt, nur weil das gratis ist, nur weil es keinen Altersheimplatz gibt.
Der Staat müsste die Spitäler zur Spezialisierung zwingen, sind doch in vielen Land-Krankenhäusern bestimmte, nur selten anfallende Operationen ein lebensgefährliches Gesundheitsrisiko. Er müsste durch Vorantreiben der Privatisierung von Spitälern für einen Qualitäts- und Kostenwettbewerb sorgen. Er müsste die leistungsfeindliche Macht der Schwestern-Gewerkschaft in vielen öffentlichen Spitälern einschränken. Er müsste insbesondere dafür sorgen, dass für jeden einzelnen Patienten der Hausarzt als einzige Drehscheibe alle jene Behandlungen koordiniert, für die öffentliche Gelder fließen, was viele Doppelbehandlungen und -diagnosen beenden würde.
Die ToDo-Liste ließe sich noch lange erweitern und sieht für jedes EU-Land im Detail anders aus. Mit solchen Maßnahmen ließe sich zweifellos vieles ohne medizinischen Verlust sinnvoller machen. Diese Maßnahmen sind aber bisher immer an Eitelkeiten, verheimlichten finanziellen Interessen und – zum Teil auch parteipolitisch fundierten – Machtkämpfen zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialpartnern, privatwirtschaftlichen Anbietern, Schwesterngewerkschaften und Ärzten gescheitert.
Dennoch sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Langfristig werden die Gesundheitsausgaben dennoch europaweit weiter steigen, selbst wenn – unwahrscheinlicherweise – all diese Sparpotenziale genutzt werden sollten, die in jedem einzelnen Staat anders aussehen.
Das Steigen der Gesundheitskosten ist aus mehreren Gründen gewiss: Wir leben alle viel länger als frühere Generationen; daher fragen wir im Lauf der Jahrzehnte viel mehr medizinische Leistungen nach als frühere Generationen. Die Fortschritte der Medizin machen ständig mehr Leiden therapierbar, die bisher einfach tatenlos und damit in der Regel kostenlos hingenommen werden mussten. Unsere Ansprüche an einen problemlosen körperlichen Zustand werden immer höher.
Und all diese Entwicklungen werden durch die Demografie noch potenziert: Der Anteil der alten und daher krankheitsanfälligeren Menschen an der Gesamtbevölkerung wird immer größer. Und zugleich nimmt der ungesunde Lebensstil vom Übergewicht bis zum Missbrauch problematischer Substanzen ständig zu.
Was also tun? Irgendwann werden wir ein von allen involvierten Parteien bisher wie die Pest gemiedenes Tabuthema ansprechen müssen: Das ist der Patient selber. Immerhin ist letztlich jede Krankheit einzig und allein das existenzielle Risiko des Patienten. Das wird oft verdrängt. Er ist aber in vielen Fällen nicht nur für die Folgen, sondern auch für die Ursachen der Krankheit verantwortlich. Es gibt daher überhaupt keinen Grund, dass der Patient nicht auch in irgendeiner Form finanziell an seiner Krank- oder Gesundheit beteiligt wird.
An diesem Punkt einer Debatte wird einem meist sofort das populistische Argument entgegengeschleudert: „Soll der Kranke jetzt auch noch finanziell für seine Krankheit bestraft werden? Der ist eh schon bestraft genug. Das ist doch unmenschlich.“ Nein, das ist es nicht. Denn dadurch würde im Gegenteil das Interesse der Menschen an der eigenen Gesundheit deutlich erhöht werden.
Es kann doch nicht sein, dass die Bürger teuflisch auf ihr Auto aufpassen, weil sie jede Reparatur selber teuer zahlen müssen. Dass viele (natürlich keineswegs alle) Mitbürger ihren Körper aber skandalös vernachlässigen, schlecht behandeln oder gefährlichen Risken aussetzen: aus Ignoranz und weil die Reparatur ohnedies die Allgemeinheit zahlt.
Interessanterweise beginnen auch Ärzte unabhängig von ihren eigenen Interessen kostenbewusster zu denken, wenn sie wissen, dass der vor ihnen sitzende oder liegende Mensch einen Teil der Kosten selber tragen muss. Das ist eine unterschwellig sehr wirksame Bremse gegen überflüssige Therapievorschläge. Da gibt‘s dann kein „Zahlt eh die Krankenkassa“ mehr.
Heute wissen wir, in welch hohem Ausmaß der eigene Lebensstil und das eigene Risikobewusstsein die eigene Gesundheit beeinflussen. Von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Krebsformen bis zu Diabetes ist unglaublich viel durch Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel signifikant (mit)ausgelöst. Dazu kommen die schweren Verletzungen und bisweilen lebenslangen Behinderungen durch Extremsport oder auch durch die riskante Ausübung harmloserer Sportarten.
Gewiss wäre es jetzt falsch und übel, wenn jeder Kranke mit dem Vorwurf „Selber schuld“ leben müsste. Gewiss kann und soll nicht in jedem Einzelfall gemessen werden, ob und zu wie viel Prozent Selbstverschulden vorliegt. Bei genetischen, infektions- oder umweltbedingten Erkrankungen ist das natürlich Null. Aber in jedem Fall wäre eine spürbare, wenn auch niemanden finanziell ruinierende Beteiligung an den Behandlungskosten ein starker Antrieb zu einem sinnvolleren Lebensstil. Das wirkt zehnmal besser, als es alle staatlichen Propagandaaktionen allein könnten.
Wichtig ist aber auch ein viel besseres Wissen um die eigene Gesundheit und ihre Bedrohungen. Da gibt es zweifellos gewaltige Mängel im Schulsystem, in dem Gesundheit nicht gerade einen Schwerpunkt bildet. Das wäre auch eine sinnvolle Realisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des Gebührenfernsehens und -radios. Denn nirgendwo anders werden die Menschen mehr desinformiert als im Bereich Gesundheit: Denn hier sind viele Magazine und Beilagen rein inseratengesteuert. Es werden von den Medien also überwiegend jene Produkte und Therapien vorgestellt, die heftig und teuer beworben werden. Das sind aber in aller Regel weder die sinnvollsten noch die billigsten.
Denn nicht Armut macht krank, wie linke Ideologen behaupten, sondern Dummheit. Oder präziser formuliert: Wissensmängel, Desinteresse und Bildungsdefizite machen sowohl arm wie auch krank.
Das Gratis-Gesundheitssystem fördert aber Wissensmangel und Desinteresse. Denn wer glaubt, ohne Eigenleistung nur bisweilen den Körper bei Arzt oder Spital abgeben zu können und ihn gratis topfit zurückzubekommen, der hat natürlich auch kein Interesse an mehr Wissen oder gesünderem Leben.
Das lässt sich auch durch erschreckende Statistiken beweisen. Männer, die nur eine Pflicht- oder Realschule besucht, aber keine sonstige Berufsausbildung haben, haben ein mehr als dreifach so hohes Herzinfarktrisiko wie jene mit Matura oder höheren Abschlüssen. Sie werden aber sicher nicht einer Armut wegen krank, auch wenn das noch so oft behauptet wird, auch wenn Pflichtschulabsolventen im Schnitt weniger verdienen als Akademiker. Denn Rauchen beispielsweise, um ein Hauptrisiko zu nennen, ist sicher weit teurer als Nichtrauchen. Und auch Wandern oder Laufen ist meines Wissens nach billiger als Bier, Stelze und Junk-Food vor dem Fernseher.
Es geht also um Motivation, um Einstellungsänderungen, um Bewusstseins- und Wissensaufbau. All das wird ebenso wie die Bereitschaft, bei Extremsport eigene Versicherungen abzuschließen, für den einzelnen viel wichtiger, wenn er selber finanzielle Auswirkungen einer Krankheit zu spüren bekommt. Wenn einer aber dennoch an allem desinteressiert ist, dann ist es erst recht legitim, dass er sich nicht auf Kosten der Allgemeinheit durchsetzen kann.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.