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Der nächste große Schritt zum europäischen (und österreichischen) Debakel

Nun wird also der berüchtigte Europäische Stabilitätsmechanismus von Rot, Schwarz und Grün im Wiener Parlament durchgeschleust.

Was aus mehreren Gründen ein trauriger Tag ist.

  • Denn es ist keine Sekunde der Eindruck entstanden, dass sich in diesem Lande Parlament oder Regierung oder Öffentlichkeit  tiefgehend mit dem „Rettungsschirm“ für Schuldenstaaten und seinen Konsequenzen für Österreich befasst hätten. Was die intellektuelle Szene, die sich lieber mit Denkmaldiskussionen befasst, sehr von jener der anderen Zahlerstaaten unterscheidet.
  • Denn die beiden Nein sagenden Oppositionsparteien kämpfen mit Kraftausdrücken statt mit nüchternen Argumenten gegen den ESM und schaden damit dem eigenen Anliegen. Und sie konzentrieren sich oft auf Nebenfragen wie die strafrechtliche Immunität der ESM-Mitarbeiter (die aber das am wenigsten Außergewöhnliche ist, denn diese gibt es immer für internationale Organisationen und Diplomaten) statt auf die unpopuläre Diskussion über die Schuldenpolitik. An deren Wurzel stehen nämlich nicht die ständig attackierten „Banken und Spekulanten“, sondern populistische Wohlfahrtspolitiker von Links und Rechts, die den Wählern jeden Wunsch erfüllt haben.
  • Denn die Medien sind automatisch auf Seite der Regierung, nur weil Blau und Orange auf der anderen stehen. Sie können nicht begreifen, dass ein von der Rechten abgelehnter Standpunkt trotzdem falsch sein kann.
  • Denn dieser ESM ist die eskalierende, aber nahtlose Fortsetzung eines verderblichen Weges, der schon im Mai 2010 mit den ersten (EU-vertragswidrigen) Hilfen für Griechenland begonnen und inzwischen mit einem Dutzend weiterer Maßnahmen fortgesetzt worden ist. Wobei die Bürger in Deutschland und Österreich jedes Mal beruhigt wurden, dass es sich nun wirklich um die allerletzte Hilfe für Schuldensünder gehandelt habe. Und wobei nie zugegeben wurde, dass mit jeder weiteren Hilfe die Rückkehr zur ökonomischen Vernunft noch schwerer geworden ist – und jedenfalls mit totalen Gesichtsverlusten für alle Akteure des Euro-Raumes verbunden wäre.
  • Denn mutigere – oder klügere – Staaten wie Finnland oder die Niederlande wollen sich wenigstens dagegen querlegen, dass dieser ESM auch von Investoren wacklige Staatsanleihen kaufen kann. Sie wollen vielmehr die Empfängerstaaten direkt als Schuldner in die Pflicht nehmen, was diese deutlich stärker binden würde.
  • Denn schon in der Reaktion auf diesen Widerstand der beiden Länder zeigt sich, wie frech das ESM-Mandat überinterpretiert wird, bevor es überhaupt existiert: Man könne ja ohnedies mit 85 Prozent auch ohne diese beiden Staaten Beschlüsse durchziehen, wird Den Haag und Helsinki bedeutet. Damit will man einen Paragraphen missbrauchen, der eindeutig nur für absolute Notfälle ein Abgehen von der 100-Prozent-Pflicht erlaubt. Darunter würde ein normaler Mensch nur Entscheidungen als Folge einer Katastrophe unter einem Zeitdruck von wenigen Stunden verstehen.
  • Denn der EU-Gipfel vom vergangenen Donnerstag hat offenbar schon wieder eine weitere Ausdehnung der Hilfen beschlossen. Aber diese Beschlüsse waren so unkonkret, dass die dabei offenbar unterlegene Angela Merkel den Kritikern kühl entgegenhalten kann, dass es beim Gipfel ohnedies nur Diskussionen „allgemeiner Art“ gegeben hätte. Während der europäische Obersozialist Hannes Swoboda den finnischen und den niederländischen Regierungschef höhnen kann: „Haben Sie (beim Gipfel) geschlafen? Haben Sie nicht verstanden, worum’s geht?“ Für die Roten war es also offenbar schon sehr konkret.
  • Denn laut dem deutschen ifo-Institut haftet Österreich künftig schon mit 62 Milliarden Euro für die diversen Rettungsprogramme, also fast mit einem ganzen Jahresbudget der Republik. Was deren näherrückenden Bankrott deutlich wahrscheinlicher gemacht hat.
  • Denn diese Haftung kann sich im ESM noch automatisch ausweiten, wenn einer der Partnerländer ausfällt. Was so sicher ist wie die Tatsache, dass in Frankreich heute mit Euro und nicht mit Francs bezahlt wird.
  • Denn das von den Deutschen immer verlangte Gegengewicht zum ESM, der Fiskalpakt, ist ausgesprochen schwachbrüstig ausgefallen. Er verordnet den Staaten, die Gelder bekommen, zwar eine Schuldenbremse. Aber es gibt keine echten, keine automatischen Konsequenzen, wenn Staaten weiter sündigen. Vielmehr werden über Konsequenzen weiterhin nur pressionsanfällige Politiker entscheiden. Vor allem gibt es keine direkt wirksamen Eingriffe in die Geldausgaben von undisziplinierten Staaten. Die Grünen sind dabei besonders skurril: Sie stimmen dem ESM, aber nicht dem Fiskalpakt zu. Sie wollen also unser Geld hinauswerfen, ohne auch nur eine symbolische Gegenleistung zu bekommen.
  • Denn auch unter Europas Sozialisten beginnen manche zu erwachen, während in Wien, Paris und Brüssel die Linke am lautstärksten nach noch mehr „Solidaritäts“-Geld für Griechen&Co ruft. In der Slowakei hingegen wagt der neugewählte linke Premier Fico zu sagen: „Die Geduld der Öffentlichkeit ist am Ende.“ Wenn die Empfänger nicht ausreichende Reformen nachweisen, sei sein Land nicht bereit, weitere Hilfen zu leisten. Warum gibt es in der ganzen SPÖ keinen einzigen, der ähnlich zu reden imstande ist?
  • Denn alle jene, die den ESM als unabdingbar bezeichnen, reden im eigenen Interesse: Meist weil sie auf einem Haufen fauler Staatsanleihen sitzen, die sie „dem Steuerzahler unterjubeln wollen“, wie es die brillante Wiener Ökonomin Eva Pichler formuliert. Oder weil sie wie Rot und Grün an die positive Wirkung von Schulden glauben wie ein Tibetaner an den Dalai Lama. Oder weil sie wie viele Schwarze es zwar besser wissen, aber sich nicht trauen, dementsprechend zu handeln.
  • Denn sogar der oberste griechische Steuereintreiber hat zugegeben, dass die IWF-Chefin Lagarde recht hat, wenn sie die Steuerflucht der Griechen kritisiert. Die griechischen Banken weigern sich, mit den Steuerbehörden kooperieren, die vergeblich auf die Öffnung von 5000 Konten warten. Aber auch viele Steuerfahnder sind extrem bestechlich oder erpressen sogar die Steuerpflichtigen zugunsten der eigenen Tasche.
  • Denn manche der Europa-Fanatiker sind von unerträglichem Zynismus. So schrieb einer von ihnen in einem Leserbrief auf einen Artikel von mir in der Zeitschrift „Academia“ wörtlich: „ . . . für die Eurokrise müssen wir dankbar sein, weil sie uns Gelegenheit gegeben hat, endlich eine Harmonisierung der Fiskalpolitik in der EU herzustellen.“
  • Denn jede weitere Hilfe macht das Moral-Hazard-Problem noch schlimmer. Das besteht darin, dass schlechtes und riskantes Verhalten zu Lasten Dritter geht. Was natürlich dazu ermutigt, sich auch weiterhin verantwortungslos und riskant zu verhalten.

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