Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Französische Einbahn in die Arbeitslosigkeit

Immer wieder wird in akademischen Analysen wie in Fernseh-Talkshows diskutiert, warum niemand vor der großen Krise gewarnt hat. Nun, im Nachhinein sind immer alle klüger. Deswegen sei hier einmal im Vorhinein eine intensive und heftige Warnung Richtung Zukunft ausgesprochen: Frankreich wird in eine schwere Arbeitslosigkeit stürzen, was angesichts der Größe und Bedeutung des Landes auch ganz Europa in eine neuerliche Krise stürzen wird. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn es die schon heute von Griechenland bis Portugal reichende europäische Mehrfachkrise nicht gäbe.

Denn Frankreich macht seit Jahren unter Präsidenten beider Couleurs auf dem Arbeitsmarkt unglaublich viel falsch. Und es ist lernunfähig, die neue Regierung will nun noch viel mehr falsch machen. Was vernichtende Folgen für die ganze Wirtschaft haben wird.

Derzeit sind im Lande De Gaulles, Napoleons und Ludwig XIV. rund 2,9 Millionen Menschen arbeitslos, also fast zehn Prozent der Arbeitsbevölkerung. Das sind die weitaus höchsten Zahlen seit Beginn des Euro. Die Rigidität des französischen Arbeitsmarkts hat viele Arbeitsplätze verschwinden lassen, die dann in anderen Ländern anders, billiger und vor allem flexibler neu entstanden sind. In Osteuropa, Asien und Nordafrika. Vor allem private Unternehmer sind seit vielen Jahren nicht mehr motiviert, in Frankreich zu investieren und damit Arbeitsplätze zu schaffen.

Wirtschaftsfeindliches Arbeitsrecht

Sehr negativ wirkt sich das tief aus dem vorigen Jahrhundert stammende Arbeitsrecht aus. Es ist ein Produkt einer stark von der linken Kulturszene geprägten Gesellschaft. In kaum einem anderen Land setzt diese mit satten staatlichen Förderungen finanzierte Szene ideologische Klassenkampf-Akzente. Unternehmer sind prinzipiell die Bösewichte, welche die Arbeitnehmer schikanieren und ausbeuten.

Wer daran zweifelt, möge nur einen repräsentativen Ausschnitt französischer Filme analysieren. Diese sind wieder interessanterweise nicht nur von linken, sondern auch von rechten Regierungen heftig gefördert worden: Die Rechte ist in Frankreich nämlich nicht primär marktwirtschaftlich, sondern vor allem nationalistisch geprägt. Sie sieht daher Film&Co als wichtige Träger des nationalen Ruhms und der sprachlich-kulturellen Identität. Das da oft Klassenkampf pur transportiert wird, ist der Rechten meist nicht so wichtig gewesen. Haben doch auch die Gaullisten oft einen abgemilderten nationalen Sozialismus geschätzt.

Kündigen darf man erst, wenn man schon Verluste macht

Das größte Hindernis für die Anstellung neuer Arbeitskräfte ist der französische Code du Travail, also das Arbeitsgesetzbuch. Dieser Code ist nicht weniger als 3200 Seiten dick. Er regelt genau, wie man Arbeitskräfte zu klassifizieren hat, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, wenn man Arbeitskräfte kündigen will. Und so weiter. Dazu kommen ständige Änderungen der Sozialversicherungsregeln, die den Arbeitgebern jedes Mal große Umstellungskosten verursachen.

Die abschreckendste Hürde: Solange ein Unternehmen Gewinne macht, ist es fast unmöglich, Arbeitnehmer zu kündigen. Es gibt etliche Fälle, wo Kündigungen von den Gerichten nach mehr als zwei Jahren rückgängig gemacht worden sind. Was nicht nur zur Nachzahlung von Gehältern, sondern auch zur Wiederanstellung von Mitarbeitern geführt hat, die voll Hass auf den Arbeitgeber sind.

Das weitgehende Kündigungsverbot bedeutet in der Praxis: Die Krise einer Firma muss sich erst voll in den Bilanzen niedergeschlagen haben, bevor man reagieren kann. Dann aber kommt die Reaktion oft um viele Jahre zu spät. Aber auch sonst wären Kündigungen trotz Gewinnen oft sehr sinnvoll: Wenn beispielsweise nur ein Bereich nicht effizient ist, sollte er abgebaut werden, damit man das freiwerdende Geld sinnvoller einsetzen kann, etwa durch Entwicklung neuer Produkte.

Eine weitere Folge des französischen Arbeitsrechts: Nicht weniger als zehn Prozent der Beschäftigten sind Betriebsräte. Auch wenn die nicht alle komplett von der Arbeit freigestellt sind, gehen doch all ihre Sitzungen, Wahlkämpfe und Besprechungen komplett auf Kosten der Arbeitszeit.

Der 50. Arbeitnehmer ist der teuerste

Die restriktivsten Regeln des französischen Arbeitsrechts gelten zwar „nur“ für Unternehmen mit mehr als 49 Mitarbeitern. Aber diese Grenze hat eine katastrophale Folge: Viele Tausende französischer Firmen verzichten prinzipiell darauf, einen 50. Mitarbeiter (und natürlich dann auch 51., 52. Oder 53. usw) anzustellen. Was automatisch viele mögliche Arbeitsplätze verhindert. Dennoch wird in eigenen Konferenzen lange nachgedacht, warum es in Frankreich so wenige mittelgroße Unternehmen gibt (es gibt nur kleine Familienbetriebe und die großen Staatsgiganten).

Wenig produktiv ist es auch, dass manche Unternehmer als Folge dieser Gesetze lieber eine zweite und eine dritte Firma gründen, um die 49er Regel zu umgehen. Denn das kostet dann wiederum unnötig viel Geld für Anwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer und Buchhalter, um diese Firmenvielfalt korrekt zu administrieren.

Ab der 49er Grenze sind französische Unternehmer auch – über die Gehälter hinaus – zu Gewinnbeteiligungen verpflichtet. Wobei diese an sich zwar ein durchaus gutes Motivationsmittel sind. Aber sobald sie nach staatlichen Regeln erfolgen, sorgen die Betriebsräte dafür, dass auch keineswegs motivierte und produktive Arbeiter aus der Gewinnkasse bedient werden.

Die übelste Konsequenz des französischen Arbeitsrechts: Dieses kommt Arbeitgeber nicht nur oft sehr teuer und verhindert unternehmerische Flexibilität, bei Verletzung gewisser Regeln können Arbeitgeber sogar ins Gefängnis kommen. Auch das erhöht nicht gerade die Bereitschaft, in Frankreich unternehmerische Verantwortung zu übernehmen.

Wie lange wirken noch Frankreichs Erfolgsfaktoren?

Warum steht Frankreich eigentlich dennoch noch nicht ganz so schlecht da wie Europas Hauptkrisenländer? Dafür dürften primär drei Faktoren relevant sein.

  1. Einer ist zweifellos die hohe Qualität und Kreativität seiner Ingenieure und Manager.
  2. Ein zweiter Faktor ist das weitgehende Ausbleiben einer französischen Immobilienblase (während das Platzen der spanischen Blase zuletzt allen Spaniern ins Gesicht gespritzt ist).
  3. Ein dritter ist das weitgehende Desinteresse der Franzosen an Umweltthemen und einschlägigen Paniken: Daher hat sich das Land etwa durch seine vielen Atomkraftwerke im europäischen Strommarkt in eine sehr starke und gewinnbringende Position bringen können. Diese Energiepolitik gewinnt zu einem Zeitpunkt an zusätzlicher Bedeutung, da Deutschland in der Fukushima-Hysterie den Ausstieg aus der Atomstromproduktion beschlossen hat. Das stellt Frankreichs großen Nachbarn vor gewaltige Probleme (sogar in Österreich werden sich die Folgen der Energiewende mit um ein Viertel höheren Stromrechnungen niederschlagen, was auch hier viele Produktionen unrentabel machen wird).

Diese Vorteile Frankreichs haben aber schon in den letzten Jahren immer weniger die Nachteile einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik wettmachen können. Denn zugleich leidet die französische Wirtschaft auch unter den Folgen des Euro: Haben sich doch seit dem Anschluss an den D-Mark-Block die Kosten einer Arbeitsstunde um zweistellige Prozentsätze gegenüber den deutschen Kosten verschlechtert, ohne dass sich Frankreich wie früher durch Franc-Abwertungen helfen konnte.

Hollandes Anti-Job-Programm

Und jetzt wird die Situation für französische Unternehmer noch viel entmutigender. Denn jetzt haben die Sozialisten unter ihrem neuen Chef Hollande mit einem ebenso ideologischen wie populistischen Anti-Wirtschafts-Programm die Wahl gewonnen:

  • Unternehmer sollen für jede Fabriksschließung bestraft werden.
  • Höhere Einkommen sollen mit 75 Prozent besteuert werden.
  • Die letzten Möglichkeiten zur Kündigung von Arbeitnehmern sollen verschlossen werden.
  • Auf Dividendenzahlungen soll eine zusätzliche Steuer kommen.
  • Erhöhung der Erbschafts- und Vermögenssteuern (die ja sehr oft Unternehmen treffen).
  • Neue Abgaben auf Banken und Energiefirmen.
  • Erhöhung der Mindestlöhne weit über der Inflationsrate.
  • Staatsfirmen dürfen nur noch 450.000 Euro Lohn im Jahr zahlen (Das trifft zwar scheinbar nur die allerwenigsten Menschen; es wirft aber Frankreichs Staatsindustrie im Wettlauf um die wirklich genialen Entwickler und besten Manager aus dem Rennen, was dann indirekt doch viele trifft).

Roter Teppich nach Großbritannien

Dieses Programm gilt als Killerprojekt für die französische Wirtschaft, selbst wenn nach dem Wahlkampfende einige Punkte daraus in Vergessenheit geraten sollten.

Ist es da eine Überraschung, wenn – beispielsweise – der britische Premierminister Cameron französischen Unternehmern verspricht, für sie bei einer Übersiedlung nach Großbritannien den „roten Teppich auszurollen“? Und wenn Cameron damit viel Echo findet? Das mag zwar in einer Union als unfreundlicher Akt gewertet werden, aber das ist letztlich ganz normale Politik im nationalen Interesse. Man denke nur, wie sehr österreichische Bundesländer untereinander – oft mit Steuergeld – um die Ansiedlung von Betrieben oder Forschungsinstituten fighten!

Selten stand eine Prognose auf so sicheren Beinen wie die vom weiteren steilen Abstieg Frankreichs. Offen bleibt freilich die Frage, ob sich Deutschland (und damit auch sein steuermannloses österreichische Beiboot) noch einmal breitschlagen lässt, auch für Frankreich die Zeche zu zahlen. Das würde den Absturz Frankreichs zwar hinauszögern, aber umso sicherer gleich auch andere Länder mitreißen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung