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Es ist eine der größten Unsinnigkeiten der gegenwärtigen Bildungsdebatte, genauso schlimm wie der Gesamtschul-Zwang und deutlich schlimmer als die Pfuscherei rund um die Zentralmatura: Es geht um die rundum propagierte Idee, dass von der Kindergärtnerin bis zum Hochschulassistenten alle einen Master-Abschluss haben müssen. Die Folgen einer Realisierung dieser Idee werden katastrophal sein. Aber dennoch traut sich bis auf Wissenschaftsminister Töchterle (und der nur in bloß persönlichen Anmerkungen) keine Partei und kein Politiker der modischen Forderung zu widersprechen.
Das Modischwerden dieser Idee hat mehrere Ursachen. Zum einen verlangen EU- und andere Bürokraten, dass Österreich seine Akademikerquote deutlich erhöhen müsse. Diese Forderung hängt wiederum mit der ideologischen Verwechslung von Quantität und Qualität eines Bildungssystems zusammen.
Es gibt jedoch keine einzige Studie, die beweisen würde, dass Österreichs Kindergärtnerinnen, medizinisch-technische Assistenten, Krankenschwestern, HTL-Ingenieure und viele anderen Menschen ohne Uni-Diplom weniger gut bei ihrer Arbeit wären als die Akademiker, die anderswo die selben Tätigkeiten ausüben. Eine höhere Akademikerquote ist nur für bürokratische Statistiken etwas Höherwertiges. Aber solche Statistiken werden im EU-Europa immer mehr zur dominierenden Plage.
Ein weiteres Motiv hinter jener Forderung sind die beruflichen Interessen all jener, die hoffen, dann zu Universitätsprofessoren zu werden. Samt allen imagemäßigen und finanziellen Konsequenzen. Sie sind mit ihrer angeblich pädagogischen Expertise derzeit nämlich sehr lautstark unterwegs.
Und nicht zu vergessen sind all die gewerkschaftlichen Interessen: Selbstverständlich erwarten kluge Gewerkschafter – insbesondere im öffentlichen Dienst – nach dem langen Studium auch eine Bezahlung all dieser Tätigkeiten auf sogenanntem A-Niveau. Selbst wenn das anfangs nur für wirkliche Uni-Absolventen durchgesetzt werden sollte, wird diese Forderung natürlich sehr rasch auch für alle anderen Kollegen mit der gleichen Tätigkeit erhoben werden. Ob diese nun die Matura (Kindergarten) oder eine Pädagogische Hochschule als Abschluss hinter sich haben. Die dann von den Gewerkschaften getrommelte Parole ist ja nicht allzu schwer auszudenken: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
Gewiss werden mir jetzt manche vorwerfen, dass ich diesen Menschen das nicht gönne. Was falsch ist. Ich gönne es ihnen genauso wie ich allen Menschen eine Verdoppelung ihres Gehalts gönne. Es ist nur das eine wie das andere unfinanzierbar.
Unfinanzierbar – oder zumindest eine völlig unsinnige Verschwendung von Mitteln, die man für andere Zwecke viel dringender bräuchte – ist aber auch der dadurch notwendige Ausbau der Universitäten.
Die noch viel größere Katastrophe wird aber darin bestehen, dass man bei der Einführung der Uni-Pflicht jahrelang keine neuen Volksschullehrer für die Schulen, keine neuen Kindergärtner für die diversen Kindergärten und Horte finden wird. Denn die Interessenten werden ja alle mindestens fünf Jahre lang an irgendwelchen Unis feststecken. Was angesichts der demographischen Entwicklung reinster Masochismus ist (in Deutschland hat man der Demographie, also des Ausbleibens von ausreichendem Nachwuchs wegen, soeben das Gymnasium von neun auf acht Jahre verkürzt).
Überdies wird diese langweilige und mühsame Zeit viele pädagogisch begabte junge Menschen überhaupt von einer solchen Berufswahl abhalten. Ich selbst kenne exzellente Kindergärtnerinnen, die sich ein Studium nie angetan hätten.
Dabei haben wir jetzt schon Personalmangel in den Kindergärten. Und in den Schulen wird ein großer Schwall von Lehrern demnächst in Pension gehen, ohne dass in irgendeiner Pipeline ausreichend Ersatz unterwegs wäre.
Heißt das etwa, dass ich keinen Verbesserungsbedarf sehe? Aber ganz sicher. So wäre es als erste Maßnahme dringend notwendig, dass sich Schulen und Kindergärten genauso leicht von überforderten, unbegabten, unwilligen Mitarbeitern trennen können, wie das in der normalen Wirtschaft der Fall ist.
Damit täte man der Bildung und unseren Kindern den weitaus größten Dienst. Daran, dass es überforderte, unbegabte, unwillige Mitarbeiter gibt, wird nämlich auch ein Uni-Studium wenig ändern. Sie können auch mit noch so vielen Aufnahmetests (die überdies von Hochschülerschaft und Sozialisten noch immer abgelehnt werden) nicht ausreichend herausgefiltert werden. Das Vorliegen solcher Eigenschaften zeigt sich immer erst im ernst- und dauerhaften Einsatz.
Statt des Prokrustesbetts „Alle müssen an die Uni“ sollte insbesondere im Bildungssystem nicht weniger, sondern mehr Vielfalt, Freiheit und weniger Formalismus einkehren.
Wird aber umgekehrt aus diesen Gründen das universitäre Ausbildungsniveau für die Einheitspädagogen vom 3. bis zum 18. Lebensjahr noch weiter gesenkt werden, dann wird der Unterricht in Gymnasien endgültig von mehrheitlich unqualifizierten Menschen erteilt werden. Trifft man doch schon jetzt auf AHS-Lehrer, deren Wissen und Können im eigenen Spezialgebiet erschreckend niedrig ist. Von der Geschichte bis zum Sprachen-Lehramt haben ja die Unis selbst schon seit Jahren das Niveau deutlich abgesenkt.
Wir müssen endlich vom zentralen Dogma und damit Grundproblem wegkommen: Wer einmal sein Diplom hat, muss nie mehr seine Eignung, sein Wissen und Können beweisen. Die Bezüge landen auch ohne ausreichende Weiterbildung am Konto. Und die Direktoren, Schulträger und Eltern sind hilflos, selbst wenn sie um die Defizite so mancher Lehrer wissen.
Das was da als Bildungsreform verkauft wird, ist in Wahrheit ein steiler Rückfall ins Zünftewesen. Auch dort war ja ein formaler Abschluss wichtig und nicht das Können und Wissen.
Und dieses Zünftewesen ist keineswegs Vergangenheit, sondern auch heute noch in vielen Bereichen ein Klotz am Bein: Ein Pressefotograf darf nicht gewerblich eine Hochzeit fotografieren, wenn er keinen Gewerbeschein hat (obwohl Pressefotografen die viel besseren Fotografen sind als jene, die meist nur Studio-Fotos gemacht haben). Ein Außenminister darf nach seiner Amtszeit nicht als Botschafter für die Republik tätig sein, wenn er nicht einst die Aufnahmsprüfung, das sogenannte Préalable abgelegt hat (obwohl ich im Laufe meiner zwei Jahrzehnte Erfahrung als außenpolitischer Journalist vielen Botschaftern begegnet bin, die in ihrer ahnungslosen Engstirnigkeit, ihrem eitlen Bürokratismus und ihre unverhüllten Geldgier eine Schande für das Land sind). Ein ehemaliger Politiker oder Spitzenbeamter darf nicht als Universitätsprofessor amtieren (obwohl er die Studenten von der Geschichte bis zur Politikwissenschaft viel besser, sachkundiger und auf höherem Niveau als die gegenwärtige Professorenschaft ausbilden könnte).
Und noch in vielen weiteren Bereichen gilt: Wir sind in Österreich nach wie vor noch mit dem real existierenden Zünfte-Mittelalter konfrontiert.