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Wahlen gewinnen, aber nicht regieren

Es wird zum gemeinsamen europäischen Muster: Mit der Ausnahme Ungarns haben alle Wahlen der letzten Jahre zwei klare Trends gezeigt,die beide die Zukunft des Systems Demokratie in ein düsteres Licht rücken.

Der eine Trend ist die Zersplitterung der Parlamente auf immer mehr Parteien. Selbst Großbritannien braucht erstmals seit Menschengedenken wieder eine Koalition. In Österreich rechnen Analysen schon damit, dass nach der nächsten Wahl schon drei Parteien nötig sein könnten, um eine regierungsfähige Mehrheit zu haben. Mindestens drei Parteien in der Regierungsmehrheit finden sich in vielen Ländern von Tschechien bis zu den Niederlanden, was auch prompt für ständige Krisen sorgt (lediglich die Schweden fahren mit sogar vier Parteien derzeit recht sicher). In Griechenland ist es nun sehr wahrscheinlich, dass die Wahlen überhaupt bald wiederholt werden müssen, weil sich keine Mehrheit findet. Und auch Frankreich hat nur scheinbar eine klare absolute Mehrheit (wenn auch eine knappere als prophezeit) zustandegebracht. Denn im ersten Wahlgang haben sich die Stimmen mehr denn je zersplittert. Und auch dort darf man gespannt sein, wie das nächste Parlament aussieht.

Dieser Trend wird zur wachsenden Bedrohung für die Demokratie, solange diese nicht beispielsweise durch direktdemokratische Methoden weiterentwickelt wird. Mit diesen Methoden hat ja zumindest die Schweiz eine dort schon seit vielen Jahrzehnten zersplitterte Parteienlandschaft problemlos gemeistert.

Der zweite Trend ist noch viel gefährlicher: Es reüssieren immer mehr Parteien, die gar nicht regieren wollen. Sie wollen nur die Stimmen der immer zahlreicher werdenden Nein-Sager akkumulieren und viele Mandate erobern. Aber regieren wollen sie nicht wirklich. Weil dann müssten sie ja über hohle Parolen hinaus auch zu irgendetwas Ja sagen.

Musterbeispiel sind die Piraten, die jetzt schon ins dritte deutsche Landesparlament einziehen. Sie haben sich noch gar nicht so richtig entschieden, ob sie linke oder rechte Inhalte haben werden. Sie wollen nur keinesfalls regieren und lieber auf Dauer politische Couch Potatoes bleiben.

Aber auch die Links- und Rechtsradikalen Griechenlands wollten zwar in großer Zahl ins Parlament einziehen, aber regieren wollen sie nicht. Daran haben sie keine Sekunde gedacht, weil sie wissen: Dann würden sie beim nächsten Mal auf jeden Fall schwer verlieren. Auch die jüngere belgische Geschichte ist ein ähnliches Drama: Dort hat es über ein Jahr gedauert, bis eine Regierung zustandegekommen ist.

Doch selbst bei den österreichischen Freiheitlichen gibt es eine wachsende Anzahl von Stimmen, die sich in internen Diskussionen auf ein klares Wahlziel geeinigt haben: Sie wollen weiter dazugewinnen, möglichst ein Drittel der Mandate erringen, damit man jede Verfassungsänderung blockieren (oder eine Zustimmung sehr teuer verkaufen) kann. Aber regieren will man eigentlich nicht. Diesmal noch nicht, wie meist hinzugefügt wird.

Das erinnert stark an die freiheitlichen Diskussionen im Winter 99/00, als Jörg Haider eher im Alleingang seine Partei in die Regierung hineingezogen hat. Und auch er hatte sehr spezifische Motive: Er hatte damals schon in Kärnten regiert und gewusst, dass er im Bund mitbestimmen muss, wenn er für sein Bundesland etwas herausholen will, etwa den Koralm-Tunnel.

Dieser paneuropäische Trend macht sehr besorgt. Ja, es stimmt, regierende Parteien erleiden in der großen Mehrzahl der Fälle am nächsten Wahltag ein Minus – auch wenn die Drittelung der griechischen Sozialisten schon einen Rekord darstellt. Aber irgendwie brauchen Staaten halt doch eine Regierung. Und nicht nur eine Ansammlung von untereinander verfeindeten Parteien, die jeweils mit großer Radikalität für ein einziges, jedoch bei jeder Partei ganz anderes Anliegen stehen.

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