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Schmied und Platter, Fellner und Graf: eine Gegenstimme

Unter Federführung des angeblich zu öffentlich-rechtlicher Qualität verpflichteten ORF häufen sich peinliche Beweise für die Banalisierung dieses Landes. Die politische Berichterstattung ist endgültig auf ein letztklassiges Seitenblicke-Format abgesunken. Ob es nun um Günther Platter, Claudia Schmied oder Graf Martin geht. Oder um die Fellnerschen Gossenmedien. Glückliches Österreich, wenn die von ORF&Co diskutierten Probleme die wahren Sorgen des Landes wären!

Beginnen wir mit dem Tiroler Landeshauptmann. Er hat ein Trainingslager der Fußballnationalmannschaft besucht und dabei den Fehler begangen, den dunkelhäutigen Spieler Alaba auf Englisch zu begrüßen. Dabei ist Alaba schon in Österreich geboren und als Beinahe-Teilnehmer des Champion-League-Finales zuletzt zu gewisser Berühmtheit unter Sportinteressierten aufgestiegen. Günther Platter hat ihn aber offenbar für einen noch nicht sprachkundigen Zuwanderer gehalten, der ob seiner Dribbelkünste vorschnell die Staatsbürgerschaft erhalten hat. Dieser Fauxpas ist journalistisch sicher einen lustigen Splitter auf Sport- oder Lokalseiten wert. Aber wenn der öffentlich-rechtliche Funk diese „Nachricht“ quer durch Zeit im Bild und alle Rundfunknachrichten schleppt, dann ist das einfach grotesk oder schon vorweggenommener Wahlkampf. Platter ist gewiss ein eher schwacher Landeshauptmann, den man aus vielen Gründen hinterfragen könnte. Aber sicher nicht wegen der – im Grunde fast sympathischen und jedenfalls mutigen Tatsache – dass er sich nicht für Fußball interessiert. Wenn der ORF ausgerechnet diese Lappalie breittritt, dann macht er sich selber läppisch.

Ebenso läppisch ist es, wenn sich der gleiche ORF und etliche andere Medien erregen, dass die zuständige Ministerin Claudia Schmied nicht beim Filmfestival in Cannes gewesen ist, obwohl an dessen Ende der Österreicher Haneke dort einen Erfolg feiern konnte. Dieses Tagebuch ist ja nun wirklich nicht als Mitglied des Anhängerklubs von Frau Schmied bekannt und hält sie aus mehreren gravierenden Gründen für rücktrittsreif: Aber das Tagebuch ist auch überzeugt: Die Minister der österreichischen Regierung sind nicht dazu da, um als Schlachtenbummler alle Filmfestivals abzugrasen. Solcher Spesentourismus ist schon im ORF schlimm genug, wo der Generaldirektor für einen Schlagerwettbewerb bis nach Mittelasien düst (obwohl die österreichischen Teilnehmer an jenem Bewerb schon lange vorher ausgeschieden sind).  Die Medien sollten sich mit den wirklichen Schmied-Skandalen befassen, nicht mit dem Verlangen des Herrn Haneke nach einem Aufputz seiner Ehrung.

Genauso lächerlich ist auch das bei der gleichen Gelegenheit medial verfochtene Verlangen der Filmproduzenten nach mehr Steuergeld. Die zweifellos erfreuliche Tatsache des Haneke-Erfolgs ist nämlich noch kein Beweis für eine unzureichende Filmförderung. Wenn überhaupt für etwas, dann eher für das Gegenteil. Und selbst wenn Hanekes Auszeichnung eine seltsame Folge unzureichender Finanzierung gewesen wäre, müsste sich langsam eines herumsprechen: Auch Kulturjournalisten sollten sich langsam damit abfinden, dass sich Österreich in nächster Zeit viel Wichtigeres als die derzeitigen Kulturbudgets nicht mehr leisten wird können.

Überhaupt das Mega-Thema der Medien ist eine Bassena-Geschichte um Martin Graf, den freiheitlichen Nationalratspräsidenten. Eine alte Frau glaubt sich durch ihn in seiner Rolle als Vorstand ihrer Privatstiftung geschädigt. Freilich: Die bisher bekannt gewordenen Indizien sind nicht gerade zwingend, diesen Vorwurf zu untermauern. Sie deuten eher auf mangelndes Wissen des Anwalts der Frau über das Stiftungsrecht. Dieses hat nun halt die Eigentümlichkeit, dass ein Stifter ab Stiftungsbeginn nie mehr über sein Vermögen verfügen kann. Solange ein Mensch auf diese Konsequenz ordentlich hingewiesen worden ist, und solange er nicht besachwaltert ist, muss er schon selber die Verantwortung für eine solche (Fehl-)Entscheidung tragen. Der Stiftungsvorstand wäre nur verantwortlich, wenn er fahrlässig oder gar vorsätzlich Schaden anrichtet, wenn er die Satzung der Stiftung nicht einhält. Aber das muss erst einmal bewiesen werden, was im Fall Graf alles andere als der Fall ist. Daher muss ich erneut – zumindest bis zur gerichtlichen Entscheidung über diese Vorwürfe – einen Politiker vor medialer Lynchjustiz in Schutz nehmen, den ich für jammervoll halte. Insbesondere wegen Grafs linkspopulistischer Haltung zu Universitätsthemen. Aber das erregt die angeblichen Qualitätsmedien dieses Landes lange nicht so wie die späte Reue einer alten Dame über eine eigene Fehlentscheidung.

Bleibt als letztes – etwas anders geartetes – Thema das Haus Fellner. Dieses hat in der dort üblichen Geschmacklosigkeit via einestwitterartigen News-Tickers vom Begräbnis jenes Buben berichtet, der vor ein paar Tagen von seinem Vater erschossen worden war. Ich verstehe alle, die sich darüber erregen. Ich halte es auch für durchaus legitim, jene Inserenten an den Pranger zu stellen, die noch immer die Fellner-Produkte finanzieren. Nur mit Verlaub: Deswegen eine Twitter- und Internet-Sperre für diese Medien zu verlangen, ist ein noch viel größerer Skandal. Meinungs- und Medienfreiheit beruhen halt nun einmal darauf, dass auch das veröffentlicht werden darf, was man zutiefst verachtet. Genau jene, die sich über relativ harmlose Dinge wie eine Vorratsdatenspeicherung erregen (wo ja nur angerufene Telefon- und Mail-Nummern, aber keinerlei Gesprächsinhalte gespeichert werden), werden plötzlich zu totalitären Oberzensoren, wenn ihnen dies aus ideologischen oder Konkurrenz-Gründen so passt.

Als problematischer Zensor hat sich in diesem Mordfall übrigens auch der ORF betätigt: Er hat den Zuschauern selbst die kleinste Andeutung vorenthalten, dass sich die tragische Tat unter Mitgliedern einer türkischen Familie abgespielt hat. Auch diesen Aspekt zu erwähnen wäre zweifellos Teil der Informationspflicht des ORF gewesen. Das ist etwas ganz anderes, als die Privatheit eines Begräbnisses unter besonders tragischen Umständen zu stören. Aber auch darüber ließe sich streiten: Denn selbstverständlich haben schon die Medien all jener Journalisten, die sich jetzt so politisch korrekt erregen, ausführlichst und Privatheit ignorierend über Begräbnisse in Mordfällen berichtet.

In der Twitter-Welt, wo die Begräbnis-Empörung ausgebrochen ist, die prompt von einigen Medien übernommen worden ist, scheint ein Virus kollektiver Hysterie zu grassieren.

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