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Explosion über Europa

Jetzt fliegt uns Europa wie ein explodierender Druckkochtopf um die Ohren. Die Franzosen wählten einen Präsidenten, der statt zu sparen neue Schulden machen will; die Griechen marschierten im Eilschritt zu Parteien, die mit noch viel radikaleren Tönen dasselbe wollen; und ähnliches ist vor ein paar Tagen in Rumänien passiert: Dort hat auch ohne Neuwahlen ein Regierungswechsel stattgefunden, nach dem nun rundum Gehaltserhöhungen und Steuersenkungen versprochen werden.

Für Sozialisten und ähnlich Denkende ist jetzt wohl das Schlaraffenland ausgebrochen. Alle anderen tun gut daran, ihre Ersparnisse in Sicherheit zu bringen, noch mehr als bisher ins Gold zu flüchten oder in brasilianische Anleihen. Aber auch wer keine Ersparnisse hat und nur die Grundrechnungsarten beherrscht, sollte sich vor dem Triumph des Verkauft-mein-letztes-Hemd-Sozialismus fürchten.

Theoretisch könnten sich die Bürger Deutschlands, der Niederlande, Finnlands, Luxemburgs oder Österreichs die kommenden Dinge gelassen und erste Reihe fußfrei anschauen. Denn unter normalen und logischen Umständen könnte man  jetzt geruhsam abwarten, wo denn die Franzosen, Griechen oder Rumänen noch Blöde finden wollen, die ihnen Geld borgen. Da das wenig wahrscheinlich ist, werden ihnen die sozialistischen Tagträume bald vergehen.

Jedoch leben wir in einem Europa, in dem nicht mehr die Grundrechnungsarten gelten. Deren Geltung ist – skurrilerweise vor allem auf Verlangen des nun geschlagenen Franzosen Nicolas Sarkozy – im Jahr 2010 aufgehoben worden. Damals ist Griechenland als erstes Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Und damals hat Europa grundfalsch reagiert, hat Griechen, Spaniern, Franzosen und vielen anderen eine völlig falsche Botschaft übermittelt.

Die Kausalitätskette der falschen Reaktion: Durch einen Bankrott Griechenlands hatte vielen Gläubigern – nicht zuletzt in Frankreich – ein gewaltiger Zahlungsausfall und damit die eigene Insolvenz gedroht. Was Sarkozy unbedingt verhindern wollte. Er setzt darauf die deutsche Bundeskanzlerin so lange unter Druck, bis diese nachgab und die deutschen Steuerzahler zwang, die griechischen Schulden zu übernehmen.

Dieses Modell hat sich inzwischen immer häufiger wiederholt. Immer mehr Länder sind an den Rand der Insolvenz gerutscht. Immer neue bilaterale und multilaterale Modelle wurden entwickelt und umgesetzt, die alle dasselbe bedeuteten: Die gerade noch kreditwürdigen Staaten Europas zahlten für die überschuldeten und übernahmen Haftungen für diese. Längst finden sich auch für die Anleihen der Bundesrepublik nur noch Käufer, weil die Europäischen Zentralbank wie verrückt neues Geld druckt, das dann zum Kauf der Anleihen benutzt wird.

Aber alles nutzte nichts: Merkels Parteifreund Sarkozy wurde abgewählt, die Griechen wählten in erschreckendem Ausmaß Links- und Rechtsradikale. In beiden Ländern ist das Motto der Sieger gleich: Sie denken nicht daran, zu sparen oder Schulden zurückzuzahlen. Sondern überall wird Deutschland beschimpft, wenn es nicht bis zum eigenen Konkurs ständig weitere Schulden für Frankreich, Griechenland & Co zu machen bereit ist.

Alles, was für Deutschland gilt, gilt auch für Österreich – nur ist hier zum Unterschied von Deutschland nicht einmal eine seriöse Debatte über den Sinn der unfinanzierbaren Rettungsschirme geführt worden. Sondern Österreich hat einfach das nachgeplappert, auf was sich die deutsche Politik geeinigt hat.

Mit dem Sieg des schuldenbegeisterten Hollande in Frankreich und mit der totalen Unregierbarkeit, die jetzt in Griechenland ausgebrochen ist, dürfte es jetzt eigentlich nur eine Alternative geben: Entweder die noch nicht insolventen Länder steigen individuell oder kollektiv aus dem Euro aus. Oder sie stoppen zumindest jede weitere Geldhilfe für die Krisenländer, was sich insbesondere auch auf die unmittelbar drohende Ratifizierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM beziehen müsste. Was wiederum zu einem Austritt mehrerer Krisenländer aus dem Euro führen müsste.

Das ergäbe zwar zweifellos kurzfristig gewaltige Turbulenzen, wäre aber langfristig der einzige Weg zur Heilung. Denn solange es in Europa Politiker und Parteien wie die griechischen Chaosparteien oder Monsieur Hollande gibt, die den Wählern das Blaue vom Himmel versprechen, solange werden sie gewählt. Und daher ist jeder rationale Weg zu einer Beendigung der Schuldenkrise verbaut.

Freilich: Wer mag jetzt noch glauben, dass sich die Deutschen, die so oft knieweich nachgegeben haben, noch Fünf vor Zwölf aus diesem untergehenden Schiff auszusteigen zu trauen? Dazu bräuchte es mutige Staatsmänner. Und die gibt es weit und breit nicht.

PS.: In Frankreich gibt es noch einen Restfunken Hoffnung, dass Hollande nach Amtsantritt das Gegenteil dessen tut, was er angekündigt hat. So hat ja auch der deutsche Sozialdemokrat Schröder am Ende seiner Amtszeit plötzlich das Richtige getan, nämlich Kurs auf eine liberale Austeritätspolitik zu nehmen. Was ihn zwar den Wahlsieg kostete, aber die Grundlage für die nunmehrige Blüte Deutschlands legte. In Griechenland darf man diese Hoffnung nicht mehr hegen. Obwohl dort die Dinge noch viel skandalöser stehen: Erst in der Vorwoche wurde bekannt, dass 200.000 Pensionen und ähnliches gestrichen wurden, weil sie betrügerisch erschwindelt worden waren – etwa zugunsten von längst Verstorbenen. Offenbar wird man jetzt sogar schon dafür bestraft, wenn man Betrügern das Handwerk legt . . .

 

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