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SN-Kontroverse: Kirche und Homosexuelle

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll die Kirche für Homosexuelle geöffnet werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Den Menschen näher

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die römisch-katholische Kirche in Österreich ist ein Stück menschlicher, natürlicher und vernunftgesteuerter geworden. Noch vor drei Jahren hat ihre Geisteswelt anders ausgesehen. Da meinte der erzkonservative Pfarrer von Windischgarsten, Gerhard Maria Wagner, der nach einem Proteststurm als Weihbischof von Linz verhindert wurde, der Hurrikan Katrina in New Orleans sei auf "geistige Umweltverschmutzung" zurückzuführen. Als Beleg verwies er darauf, dass zwei Tage nach dem Hurrikan im French Quarter ein Gay Pride stattfinden hätte sollen. Als Anmerkung für Geschichtsvergessene: Das French Quarter war - weil höher gelegen - vom Hurrikan wenig betroffen und als Aufmunterung für die wenigen Leute vor Ort gab es einen Ersatz-Pride mit Musik.

Dieser Tage hat die Erzdiözese Wien ein Zeichen für Homosexuelle gesetzt. Die Pfarrgemeinderatswahl in der Weinviertler Pfarre Stützenhofen wurde bestätigt. Pfarrgemeinderat Florian Stangl, der in einer eingetragenen Partnerschaft mit einem Mann lebt, darf seine Funktion ausüben. Wiens Erzbischof Christoph Schönborn meinte nach der Entscheidung: "In der Vielfalt der Pfarrgemeinderäte spiegelt sich die Vielfalt heutiger Lebens- und Glaubenswege. So gibt es auch unter den Pfarrgemeinderäten viele, deren Lebensentwürfe nicht in allem den Idealen der Kirche entsprechen." Die Entscheidung ist gut und menschennahe. Denn zunächst hatte es den Anschein, dass sich die Kirchenspitze um ein klare Haltung drücken wollte; es hieß, die Wahl werde aus formalen Gründen "gekippt". Die Entscheidung ist indirekt auch ein Erfolg der Reformgruppe rund um Helmut Schüller und den Unterzeichnern des "Aufrufs zum Ungehorsam". Sie lässt überdies hoffen, dass andere Steinzeitdogmen der Kirche wie z. B. die Haltungen gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen oder zum Zölibat entkrampft werden.

 


Bitte, schön liebenswürdig sein

Andreas Unterberger

Beneidenswert, wer die Kirche noch versteht. Auf der einen Seite verteidigt sie unbeirrbar die unauflösbare Ehe zwischen Mann und Frau als einzig erlaubte Plattform von Sexualität. Sie suspendiert wiederverheiratete Geschiedene von den Sakramenten (und erlaubt nur in Einzelfällen Ausnahmen, wenn das diskret, also de facto in einer anderen Pfarre stattfindet). Der Papst empfängt katholische Präsidenten nur mit der kirchlich angetrauten Erstfrau, nicht mit einer Zweitfrau an der Seite. Die Kirche hindert Priester mit Kindern an der Ausübung ihrer Aufgabe als Väter. Genauso signalisiert sie unverheirateten Paaren und ausübenden oder gar in staatlicher Partnerschaft lebenden Homosexuellen ihre kritische Ablehnung.

Auch die Kirche weiß um die Härten dieses Prinzips und darum, dass es nur wenige Menschen zu leben imstande sind. Sie verteidigt es aber mit der Bedeutung der Ehe als Fundament menschlicher Beziehungen und idealer Umgebung für das Aufwachsen von Kindern. Man mag diese Haltung für richtig oder falsch halten. Aber jedenfalls unverständlich ist der nun von Kardinal Schönborn praktizierte doppelbödige Umgang damit. Denn während andere von den Sakramenten ausgeschlossen bleiben, erlaubt er einem jungen Mann sogar die führende Rolle im örtlichen Pfarrgemeinderat, obwohl dieser in einer staatlich angemeldeten Schwulen-Partnerschaft lebt. Schönborns Begründung nach einem persönlichen Treffen: Der neue Pfarrgemeinderat sei sehr christlich und ein "wirklich liebenswürdiger Mann". Aber die Regel bleibe, wie sie ist. Die Ausnahme ist grotesk: Eine kirchliche Regel gilt also dann nicht mehr, wenn jemand "wirklich liebenswürdig" ist. Allen Zweitverheirateten ist daher zu raten, sich möglichst liebenswürdig bei ihrem Bischof vorzustellen. Dann wird alles gut. Und wer nicht liebenswürdig ist, der hat halt Pech gehabt.

 

 

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