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Es gibt viele Gründe, die für eine endgültige Abwahl von Nicolas Sarkozy sprechen. Es gibt nur einen einzigen Grund, der dennoch die (wahrscheinliche) Wahl seines Gegenkandidaten Francois Hollande zum noch größeren Alptraum macht: Sein Programm. Das ist nämlich noch viel schlimmer als Sarkozys Realität – für Frankreich und damit nach dem Prinzip „Mitgefangen, mitgehangen“ auch für alle Europäer. Wenn Hollande sein Programm auch nur ansatzweise umsetzen sollte, dann ist das ganze Euro-Europa mit Frankreich kaputt.
Daher wird der zweite Durchgang zwischen den beiden extrem spannend und für die Miteuropäer auch viel wichtiger als die amerikanische Wahl. Der Vorsprung Hollandes (28,6 Prozent) auf Sarkozy (27,2) ist extrem knapp. Da scheint zwar noch alles offen. Entscheidend wird aber das Verhalten der Anhänger von Marine Le Pen sein.
Die rechte Kandidatin hat mit 17,9 Prozent nicht nur das beste Ergebnis der Front National erzielt. Sie hat auch die Vorhersagen der Meinungsforscher lächerlich gemacht, die sie durchwegs deutlich niedriger eingeschätzt haben. Es ist aber schon seit Jahren ein politisches Naturgesetz: Rechte Wähler wählen nur in der geheimen Wahlkabine rechts, einem Meinungsforschungsinstitut gegenüber halten sie sich aber bedeckt. Denn sie fürchten sich vor der gesellschaftlichen Stigmatisierung durch ein politisches Outing.
Le Pens Wähler werden keineswegs geschlossen zu Sarkozy wechseln, wie manche oberflächliche Auguren meinen. Sarkozy steht zwar in der Ausländerfrage der Front National deutlich näher (und diese Frage ist für die Menschen im Unterschied zu vielen Medien wichtiger denn je). In Sachen Sparnotwendigkeiten, Sozialpolitik und Europa steht die Rechtspartei jedoch der radikalen Linken viel näher. Und umgekehrt.
Überdies gibt es auch bei Le Pens Wählern etliche, die Sarkozy als Person strikt ablehnen. Die Sprunghaftigkeit und Angeberattitüden des kleingewachsenen Mannes, der sich allzu lange allzu eng mit den Reichen und Schönen umgeben hat, nerven viele Franzosen. Auch das Kapitel Sarkozy und die Frauen war mehr dazu angetan, um bunte Hefte zu füllen als die Schar seiner Anhänger.
Noch schlimmer ist, dass sich Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit unter Sarkozy deutlich verschlechtert hat. Gewiss haben dazu viele kapitale Sünden früherer Linksregierungen beigetragen, wie die Arbeitszeitverkürzung oder der viel zu weitgehende Kündigungsschutz. Aber Sarkozy hat wie ein lateinischer Macho viel geredet (noch dazu mit ständig wechselnden Zielrichtungen); er hat jedoch trotz seiner fast unbegrenzten Macht wenig getan, um die Wettbewerbsfähigkeit der Grande Nation wieder zu verbessern.
Jetzt fällt es vielen Franzosen verständlicherweise ziemlich schwer, ausgerechnet in ihm den geeigneten Mann zu sehen, um Frankreich ein griechisches Schicksal zu ersparen. Die Zukunft erscheint ihnen sowieso düster, da hat für viele eine Generalabrechnung mit der Vergangenheit die erste Priorität.
Auch die Miteuropäer werden die erste (und einzige?) Amtsperiode Sarkozys keineswegs in guter Erinnerung behalten. War es doch er, der immer wieder großen Druck auf Angela Merkel ausgeübt hat, damit die zögerliche und innerlich unsichere Deutsche der wahnsinnigen Verschuldungspolitik des gesamten Euro-Europas zugestimmt hat. Die entscheidende und falsche Weichenstellung geschah ja im Frühjahr 2010, als Merkel der ersten Etappe der Megahilfe für Griechenland zugestimmt hatte.
Damals verlangten die gesamte Linke und damit die meisten Medien lautstark, dass das sozialistisch regierte Griechenland „gerettet“ werde (was natürlich angesichts der griechischen Zustände immer nur auf ein paar Monate gelingen konnte). Und dazu kam dann der gleichgerichtete Druck Sarkozys, der um die Kredite der französischen Banken und seine Wiederwahl bangte. Andere Länder wie Österreich haben ja seit Jahren überhaupt keinen Politiker, der europapolitisch mitsprechen oder auch nur mitdenken könnte.
Diesem Druck gab die harmoniesüchtige deutsche Bundeskanzlerin schließlich nach. Was sich von Tag zu Tag mehr als große Katastrophe herausstellt. Dieser erste große Fehler war dann der Vater aller weiteren: vom Ankauf dubioser Staatspapiere durch die EZB bis zum Neudrucken einer Billion Euro, vom „Stabilitätsmechanismus“ EFSF bis zum „Stabilitätsmechanismus“ ESM. Beide bringen keine Stabilität, sondern nur die ständig ausgeweitete Haftung aller Euro-Länder für die Schulden der anderen.
Die Ironie der Geschichte scheint es zu sein, dass nicht einmal der politische Hauptzweck dieser Aktion, also die Wiederwahl Sarkozys, erreicht werden dürfte. Damit droht Merkel die doppelte Blamage: einerseits die direkte und indirekte Haftung Deutschlands für die gesamte europäische Schuldenkonstruktion und dazu noch ein sozialistischer Präsident mit nostalgischen Politikideen im zweitwichtigsten Land der EU.
Denn so absurd es klingt: Eine Wiederwahl Sarkozys ist bei all seinen Fehlern noch immer die bessere Alternative als ein Amtsantritt Hollandes. Denn dieser hat sich im Wahlkampf so tief in linke Versprechungen einzementiert, dass er es sich politisch nicht leisten kann, alle zu vergessen.
Jedoch können sich weder Frankreich noch Europa eine Realisierung seiner Versprechungen leisten. Ob das nun die Bewahrung der von Sarkozy zuletzt (spät, aber immerhin) in Frage gestellten 35-Stunden-Woche ist oder eine Senkung(!) des Rentenalters oder eine Steigerung der Einkommensteuer auf 75(!) Prozent oder eine noch(!) lockerere Geldpolitik der EZB. Jede einzelne dieser Maßnahme würde Frankreich mit Garantie in die Gruppe der PIGS- oder PIIGS-Staaten reihen. Und lediglich Journalisten werden sich freuen, wenn sie dann über neue Abkürzungen wie FIPIGS oder SPIFIG oder FISPIG nachdenken können.
Die schon in breiter Front begonnene Flucht von Anlegern aus dem Euro-Raum wird sich bei einer Wahl Hollandes mit Sicherheit noch mehr beschleunigen. Und es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis die Anleger auch erkennen, dass selbst Deutschland kein sicherer Anker mehr sein kann. Aus dem Bett, in das sich Merkel mit Sarkozy gelegt hat, kommen Deutschland und mit ihm Europa auch dann nicht mehr heraus, wenn dort plötzlich ein Monsieur Hollande vom alten, längst in Konkurs gegangenen sozialistischen Schlaraffenland träumt.
Diese vielen Fehler der letzten Jahre führen nicht nur in Frankreich, sondern schon reihum zum Zusammenbruch der beteiligten Regierungen. Ist doch fast zeitgleich zum französischen Wahltag auch die Regierung der Niederlande kollabiert. Immerhin sind die Niederlande nach Deutschland der zweitgrößte Stabilitätsanker im Euroraum.
Auch dort hat sich wie bei Le Pen gezeigt, dass die rechtspopulistischen Parteien – in den Niederlanden unter Führung des charismatischen Geert Wilders – nicht für die unpopulären, aber notwendigen Sanierungsmaßnahmen bereitstehen. Selbst wenn man ihnen in Sachen Migrationspolitik in fast allem recht gibt, erweisen sie sich stabilitätspolitisch als ebenso unverantwortlich wie die linken Parteien.
Denn sie alle lehnen jene Sanierungsmaßnahmen ab, die absolut unvermeidlich sind: egal ob man in der EU beziehungsweise im Euro bleibt oder nicht. Wilders wie Le Pen gaukeln den Wählern vor, dass diesen ein neuer Protektionismus, ein Abschließen der Grenzen etwas nutzen würde. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Protektionismus hat jedes Land langfristig verarmen lassen.
Bei einem währungspolitischen Alleingang eines Eurolandes wird ein Programm der Schmerzen für dieses Land sogar mit Sicherheit noch viel zwingender: Denn es verliert damit sofort an jeder Kreditfähigkeit. Es muss daher auf jedes weitere Schuldenmachen verzichten und sämtliche Sozialausgaben drastisch straffen; und seine Bürger werden viel länger arbeiten und auf Vieles von dem verzichten müssen, was Sozialdemokraten und Gewerkschaften ihren Anhängern als dauerhafte Errungenschaften verkauft hatten. Ein Land, das das nicht tut, landet in der Mega-Inflation, die in Europa schon einmal Massenelend und eine kriegerische Mega-Katastrophe ausgelöst hat.
Das gleiche Ergebnis brächte die Politik Hollandes und vieler europäischer Sozialdemokraten. Deren Kern: Statt Sparen Geld drucken.
Hinter der großen europa- und stabilitätspolitischen Bedeutung der französischen Wahl hat der erste Durchgang aber auch ein erfreuliches Waterloo für viele Medien gebracht. Haben sich diese in ihrem linken Fanatismus doch in großer Zahl für den linksradikalen Kandidaten Jean-Luc Melenchon begeistert. Nach dem ersten Wahldurchgang ist der Mann jedoch mit 11,1 Prozent weit abgeschlagen an vierter Stelle gelandet, nur knapp vor dem schillernden Zentristen Bayrou (9,1).
Mit Melenchons Sprüchen von 100-prozentigen Einkommensteuern ab einer bestimmten Grenze kann man zwar bei der wenig intelligenten französischen Intelligenz ein wenig punkten; diese ist ja noch mehr als die anderer europäischer Länder von spätpubertärer Revolutionsgeilheit geprägt. Aber die Mehrheit der Franzosen ist doch ein wenig vernünftiger. Dies hatten ja auch schon die Wahlgänge nach dem Jahr 1968 gezeigt: Damals errang die Rechte große Wahlsiege, nachdem die linken Studenten und Arbeiter monatelang das Land mit ihren wilden revolutionären Aktionen lahmzulegen versucht hatten.
Der Sieg der Vernunft hat aber seine Grenzen. Auch die Franzosen greifen noch immer nach jedem Strohhalm, der ihnen eine Alternative zu den furchtbaren Schmerzen einer Sanierung zu bieten scheint. Und wenn man damit zugleich einem verachteten Macho namens Sarkozy eine Ohrfeige geben kann, dann wird eben ein Papier gewordener Anachronismus namens Hollande zum Favoriten für das französische Präsidentenamt.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.