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Die Demokratie erneuern - aber wie?

Die Junge ÖVP hat eine Reihe Vorschläge in Sachen Demokratie präsentiert. Das ist zwar nicht unbedingt jene Organisation, von der man sich solches primär erwartet hätte, aber es ist immerhin ein ernsthaftes Paket. Vor allem mit einem sehr sinnvollen und mit einem sehr problematischen Punkt.

Über beides sollte man ernsthaft diskutieren. Auch wenn der Versuch einiger Medien ziemlich absurd ist, den JVP-Chef Sebastian Kurz gleich als Parteiobmann ins Gespräch zu bringen, nur weil er auch ein Jahr als Staatssekretär ganz gut überstanden hat.

Sinnvoll, wichtig und entscheidend ist jedenfalls der angepeilte Durchbruch Richtung direkte Demokratie. Auch wenn die Jungschwarzen eine deutlich höhere Latte legen als die Schweiz, so sind sie doch die erste Gruppierung einer Regierungspartei, die den Wählern das Recht zugestehen will, verbindliche Volksabstimmungen zu erzwingen.

Das wäre ein entscheidender Schritt heraus aus der gegenwärtigen Entmündigung der Bürger. Es wäre auch ein Schritt, der die Politik in Wahrheit freuen sollte: Ist sie doch immer seltener entscheidungsfähig. Gehen doch in immer mehr Fragen die Fronten quer durch die Parteien, was diese lähmt. Wären bei einer solchen, vom Wähler erzwungenen Volksabstimmung doch endlich die Sachfragen im Vordergrund und nicht mehr die Taktiken von Parteisekretariaten wie bei früheren Referenden.

Gewiss sollte man bei solchen Volksabstimmungen auch noch einige Rahmenbedingungen klären. So sollte es zu jedem Referendum ein verpflichtendes Gutachten des Staatsschuldenausschusses geben. Dieser sollte dann etwa in zwei Sätzen klar dazu sagen, was es für die Höhe der künftigen Pensionen bedeutet, wenn ein Referendum beispielsweise das gegenwärtige Pensionsantrittsalter einzementieren will.

Viele andere Vorschläge der ÖVP-Jugend sind zwar auch positiv und interessant, aber keine systemverändernden Heilsbringer: dies gilt etwa für die Reduktion auf maximal zwei Wahltage im Jahr, für die Möglichkeit einer Zweckbindung eines Zehntels der eigenen Steuerzahlung oder für ein verpflichtendes Hearing für Regierungsmitglieder.

Wenig mutig zeigten sich die Konzeptschreiber jedoch beim Bundesrat und bei den Landtagen. Die Junge ÖVP will den aus einer längst verblichenen Verfassungswelt stammenden Artenschutz für beide Gremien verlängern.
Und nur einen halben Schritt geht sie in Sachen Offenlegung von staatlichen Akten. Die Parteijugend ist zwar prinzipiell dafür, bleibt aber dabei viel zu unkonkret und lässt zu viele Hintertüren offen, durch die weiterhin „wirklich vertrauliche“ Akten dem Bürger entzogen werden können. Was es für parteipolitisch agierende oder korrupte Staatsanwälte umso interessanter macht, diese Akten dann an eine Zeitschrift hinauszuspielen.

In einem Punkt sind die Jungschwarzen aber ganz auf dem Holzweg. Nämlich mit der vorgeschlagenen Personalisierung des Wahlrechts. Zugegeben: Sie erheben damit eine sehr populäre Forderung. Diese ist auch den meisten der gegenwärtig aus allen Löchern sprießenden Seniorenpolitiker-Initiativen eingefallen.

Dennoch bin ich absolut sicher: Direktmandate haben bestenfalls dann einen Sinn, wenn sie als Teil eines Mehrheitswahlrechtes zu regierungsfähigen Mehrheiten führen. Positiv wäre auch, dass sie zwangsläufig die schwachsinnige Debatte über Frauen- und sonstige Quoten beenden würden.

Ansonsten führen sie aber nur zu regionalem Populismus. Direktmandate füllen das Parlament noch mehr mit Provinzkaisern.

Aber gerade an solchen mangelt es dort schon heute ganz sicher nicht. Woran es mangelt, sind Abgeordnete in allen Parteien, die alle wichtigen Politikerfelder mit Kompetenz und Sachverstand abdecken können. Das große Qualitätsmanko ist das Fehlen von Justizexperten (in dieser Branche gibt es höchstens bei Rot und Blau eine Ausnahme), von Außenpolitikern, von Sicherheitsfachleuten, von Budget-Kundigen, von Europa-Spezialisten, von Währungs-Sachverständigen, von Demographie-Kundigen, von Kultur-Menschen, usw.

Regionale Direktmandate werden hingegen noch mehr als heute Bauern, Gewerkschafter und Beamte mit viel Tagesfreizeit, aber wenig Ahnung von zentralen bundespolitischen Themen ins Parlament spülen. Ein Parlament mit solchen direkt gewählten Regionalpolitikern könnte auch, wie es schon in anderen Ländern der Fall ist, dazu führen, dass beispielsweise jedes Budget nur noch dann durchgeht, wenn darin auch jede Region (teuer) bedient wird. Und Abgeordnete als Einzelkämpfer wären zur Finanzierung ihrer Wahlkämpfe noch viel mehr als heute anfällig, sich von bereitwilligen Spendern anfüttern zu lassen.

Diese Vorschläge von JVP und vielen anderen Initiativen sind dennoch populär und haben daher durchaus Verwirklichungs-Chancen. Ein besseres Parlament oder eine besser Politik werden sie dem Land aber sicher nicht bringen. Eher das Gegenteil. Das wird man jedoch erst Jahre später sehen.

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