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Es gibt viele Beispiele, wie sich Regierung und Gesetzgeber von den Medien beeinflussen ließen. Es gibt mindestens ebenso viele Beispiele, wo solche Versuche scheiterten. In jüngster Zeit haben sich die Machtverhältnisse aber jedenfalls ins Gegenteil verkehrt: Die Politik hat wieder enorm Einfluss auf die Medien gewonnen. Werner Faymann hat moralisch und rechtlich bedenkliche Methoden der Beeinflussung von Zeitungen mittels Steuergeldern aus dem Wiener Rathaus in die Bundespolitik transferiert. Diese Entwicklung könnte nur durch ein neues Medienrecht reversiert werden. Ein solches ist aber nirgendwo in Vorbereitung. Richtung und Intensität der Machtausübung zwischen Politik und Medien hängen von mehreren Faktoren ab: vom Charakter der politischen und medialen Akteure, von der wirtschaftlichen Lage der Medien, vom Pflichtbewusstsein der Staatsanwälte und von der demokratischen Reife einer Gesellschaft.
Intensive Abhängigkeiten sind oft mit gegenseitigem Hass verbunden. Zugleich aber bilden Politik und Medien in den Augen der Bürger einen untrennbaren Filz einer abgehobenen politisch-medialen Klasse. Und diese Bürger verachten daher sowohl Politiker wie auch Journalisten – umso mehr, je mehr sich diese gegenseitig verächtlich machen.
In einer funktionierenden Demokratie müssten Politiker und Journalisten hingegen in machtmäßig vollständig getrennten Sphären leben. Sie müssten sich gegenseitig prinzipiell als Persönlichkeit respektieren (auch wenn das oft schwer fällt). Sie müssten die Aufgabe der jeweils anderen Seite im Bewusstsein respektieren, dass beide Sphären unverzichtbar für das Funktionieren von Rechtsstaat und Demokratie sind.
Die österreichische Realität sieht anders aus. Hier hat die Politik die Medien lange nur als Verkündungs- und Verlautbarungsorgan gesehen. Erst das Rundfunkvolksbegehren und Bruno Kreisky brachten eine Änderung. Kreisky hat zwar die vom Volksbegehren erkämpfte und von Josef Klaus zugestandene Unabhängigkeit des ORF wieder stark eingeschränkt, aber er hat gleichzeitig den Printjournalisten ein hohes Maß an Respekt entgegengebracht. Er hat in einigen von ihnen das Gefühl wachgerufen, seine Vertrauten zu sein. Und er hat sie vor allem durch ein vorher und nachher nie dagewesenes Ausmaß an professioneller Zugänglichkeit für sich eingenommen.
Natürlich ist solche Offenheit in einer Alleinregierung leichter, als wenn ein Regierungschef auf einen Koalitionspartner Rücksicht nehmen müsste. Und natürlich war das vor allem am Beginn der Kreisky-Jahre leicht, als Sparen ein Fremdwort war, als man den Bürgern via Medien ständig neue bunte Luftballone versprechen konnte.
Kreisky konnte zugleich mit geübter Dialektik und seinem unnachahmlichen Diskussionsstil das neue Medium Fernsehen brillant instrumentalisieren. Er erkannte und anerkannte früher als andere die Macht der Medien, fürchtete sie aber nicht, sondern nutzte sie im eigenen Sinne.
Eine ganz andere „Macht der Medien“ lernten wir in den Folgejahren kennen. Die Medien beeinflussten erstmals Regierung und Gesetzgebung. Diese Medienmacht nahm durch mehrere Phänomene zu: Erstens begannen rechts wie links populistische Politiker – also solche ohne eigene Gestaltungsvision, dafür mit starken Machtambitionen –, sich zunehmend nach den vermeintlichen Vorgaben der Medien zu richten. Sie glaubten, dadurch die eigene Macht zu sichern. Sie übersahen aber, dass die Vorgaben der Medien meistens nicht konsistent waren, dass dahinter selten klare Konzepte standen, dass die Summe der Leitartikel kein Programm darstellt.
Zweitens entdeckten die Medien, dass die Politiker von respektierten Autoritätspersonen zu Kaisern ohne Kleider geworden waren. Jeder journalistische Anfänger durfte plötzlich ungehindert einen verächtlichen Kommentar über einen oder „die“ Politiker schreiben. Bei jeder anderen Gruppe war man hingegen vorsichtiger: egal ob Radfahrer, Hundebesitzer, Rapid-Fans, Pensionisten oder Burgenländer. Jedes pauschalkritische Wort kann da ein Stück der Auflage kosten.
Und drittens trat eine Verlegerpersönlichkeit ins Zentrum, die stärker denn je mediale Macht verkörperte: Hans Dichand. Er erkannte die Krise der repräsentativen Politik. Er hatte mit dem Weltrekord darstellenden Marktanteil der Kronenzeitung eine Waffe, die von vielen Politikern in einer Art vorweggenommenem Gehorsam als wahlentscheidend eingestuft wurde. Er hatte aber auch zu konkreten Fragen sehr konkrete Vorstellungen. Diese vertrat er dann mit – teils erfolgreichen, teils erfolglosen – Kampagnen sehr konsequent. Während Blätter wie der „Kurier“ in fast jeder Frage eine krampfhafte Einerseits-Andererseits-Linie fuhren, war Dichand überzeugt: Der Duft der Macht und Stärke, den er mit seinen Kampagnen ausstrahlte, wirkt anziehend auf die Leser. Selbst wenn diese vorher noch nicht Dichands Meinung gewesen waren.
Neben Dichand begannen auch Bundesländerzeitungen, ihre Macht in regionalen Kampagnen auszutesten. Zur Illustration folgen einige Beispiele scheinbarer oder wirklicher medialer Machtausübung. An deren Beginn stehen zwei autobiographische Beispiele – nicht aus Eitelkeit, sondern um gleich auch selbstkritisch die Zuschreibung journalistischer „Macht“ zu relativieren und hinterfragen.
In Wahrheit sind die Misserfolge medialer Machtausübung sogar häufiger. Sie fallen freilich viel weniger auf, auch weil sie von den Medien nachher natürlich totgeschwiegen werden. Einige kurze Beispiele dazu (neben den schon angesprochenen Flops rund um Schwarz/Blau und das nicht stattfindende EU-Referendum). Auch in dieser Liste dominiert angesichts ihres Hangs zu Kampagnen wieder die Krone:
Aber selbst wenn alle Medien einschließlich ORF gemeinsam kampagnisieren, kann der Erfolg ausbleiben, wie etwa 2011 das Androsch-Volksbegehren zeigte.
Diese Flops bestätigen: Medien haben nur eine begrenzte Macht. Diese ist geringer, als sie selbst oder viele Politiker glauben. Medien können zwar vorhandene Trends aufgreifen und verstärken. Sie folgen dabei (mit Ausnahme der Kronenzeitung in ihren starken Jahren) gern einem Herdentrieb. Sie neigen stets zu den simplen Themen. Sie überbetonen Äußerlichkeiten wie etwa die Höhe von Politikergehältern. Den meisten Journalisten sind die wirklich wichtigen Themen wie etwa die Staatsfinanzen oder Grundfragen des Rechtsstaats oder der Wissenschaft zu kompliziert und sperrig.
Sie erweisen sich damit letztlich aber meist nur als die Hofnarren der Macht. Und wenn sie einmal – siehe Hymne – etwas gegen die mehrheitliche Bürgermeinung durchsetzen können, dann gelingt dies nur deshalb, weil unprofessionelle Politiker die medial veröffentlichte Meinung mit der öffentlichen verwechseln.
Viel leichter fällt es Medien, einzelne Politiker durch kollektive Angriffe kaputtzuschreiben. Dazu braucht es zwar immer eines echten Anlasses – aber den bietet ja fast jede Politikerkarriere, da nur relativ selten Engel zu Politikern werden.
So ist am Ende des Jahres 2011 der deutsche Bundespräsident Christian Wulff von den Medien waidwund gejagt worden, obwohl keine einzige größere Partei ein Interesse an dieser Jagd hatte. Sein Vorgänger hatte gar schon nach einigen kritischen Leitartikeln sein Amt entnervt hingeworfen – noch dazu, ohne so wie Wulff schwere Fehler begangen zu haben. Und ohne die konzentrierte Attacke der Medien wäre der einst bei seiner Doktorarbeit schummelnde deutsche Verteidigungsminister Guttenberg zweifellos noch immer im Amt.
Die Medien sind in aller Regel nicht mächtiger als die Politik. Aber die Politik fürchtet sich zunehmend vor den Medien. Was in Wahrheit erst die wirkliche Macht der Medien begründet. Statt konsequentes Selbstbewusstsein zu zeigen, sehnen sich viele Politiker insgeheim nach den schönen Fünfziger Jahren zurück, als die Medien praktisch nur Lautsprecher der Parteien waren. Damals unterschieden sich auch die unabhängigen Zeitungen von den Parteizeitungen meist nur dadurch, dass sie halt die Standpunkte aller (zwei) Parteien wiedergaben.
Aus ihrer Angst heraus versuchten Politiker seither unterschiedliche Strategien gegenüber den Medien:
- Ignorieren (hilft zwar der emotionalen Balance, strategisch hingegen weniger);
- Politik nach den Kommentaren ausrichten (führt zu schlechter Politik und bisweilen in einem dialektischen Prozess sogar zu negativen Emotionen bei Journalisten: „Wie schlecht muss dieser Politiker sein, wenn er auf meine Ratschläge hört“);
- Schmeicheln (wirkt erstaunlich oft);
- sachlich-kritisch Reagieren (absolut empfehlenswert, wenn es mit kühlem Temperament geschieht);
- legale Bestechung durch Erreichbarkeit und Informationen (die erfolgreiche Kreisky-Strategie);
- finanzielle Bestechung einzelner Journalisten (kann Kopf und Kragen kosten);
- Druckausübung (verbale und lautstarke „Kriegserklärungen“ gegen Medien, wie sie Wulff so schadeten, sind in Österreich gang und gäbe, ohne dass jedoch daraus jemals ein größerer Wirbel entstanden wäre; allerdings dürfte es hier keinen Fall geben, wo ein Politiker so dumm wie Wulff war, solche Äußerungen auf ein Tonband zu sprechen);
- legaler Missbrauch gesetzlicher Macht (der ORF ist in den letzten Jahren mit Hilfe des ORF-Gesetzes in allen redaktionell relevanten Positionen von Sympathisanten übernommen worden);
- Bestechung ganzer Medien.
Die letztgenannte Strategie ist in den letzten Jahren in Österreich so intensiv praktiziert worden wie in keinem anderen Land der EU. Die Bestechung erfolgt nicht etwa durch eigene Geldmittel, sondern aus Kassen des Staates oder staatseigener Unternehmungen. Sie ist damit eindeutig illegal und eine Form der Korruption. Sie wurde dennoch von den Staatsanwälten bisher ignoriert.
Solche Bestechungspraktiken werden schon seit Jahrzehnten im Imperium der Gemeinde Wien praktiziert (in etwas schwächerer Form auch in etlichen anderen Bundesländern wie etwa Niederösterreich). Mit vielen – offenen und versteckten – Geldflüssen wurden und werden sonst zum Sterben verurteilte Medien am Leben gehalten. Und andere, an sich lebensfähige Medien wurden durch Millionen Steuergelder für Inserate, Kooperationen und Projekte in eine verführerisch bequeme Abhängigkeit gebracht. Wer sich sträubt, erhält Liebesentzug. Bei zwei von mir geleiteten Zeitungen wurde Anzeigenleitern im Rathaus beschieden: „Solange der Unterberger Chefredakteur ist, kriegt ihr gar nichts.“
Dieses Modell der Einflussnahme mittels öffentlicher Gelder ist dann mit dem Wechsel von Werner Faymann in die Bundesregierung auch dort breiter Usus geworden. Zuerst vor allem bei den ÖBB und bei der Asfinag. Dort hat Faymann das zusätzliche Delikt eines Eingriffs in die Tätigkeit eines laut Aktiengesetz unabhängigen Vorstands dann doch ein Strafverfahren eingebracht. Mit vorerst unbekanntem Ausgang. Jedenfalls ist dieses Verfahren gegen einen amtierenden Bundeskanzler etwas bisher Einmaliges.
Nach seinem Wechsel an die Regierungsspitze floss auch von anderen (vor allem, aber nicht nur SPÖ-geleiteten) Ministerien ein breiter Geldstrom zu den Zeitungen. Seit Faymann Kanzler ist, haben sich die Inseratenausgaben der Regierung vervielfacht.
Ein offensichtlich logisches Ergebnis ist der regelmäßige Faymann-Jubel in „Österreich“, aber auch in „Heute“ und „Kronenzeitung“. Ebenso fällt etwa im „Falter“ die große Zahl von Inseraten aus dem „Gemeinde-Wien“-Bereich und die zahnlose Berichterstattung über dieses Imperium auf. Bei „Heute“ wurde sogar über Nacht der Chefredakteur gefeuert, nachdem er enthüllt hatte, dass Briefe, Mails und Postings angeblicher Leser allesamt aus der SPÖ-Zentrale gekommen sind. In der Kronenzeitung wiederum ist knapp vor Andruck eine Kolumne über die peinlichen Auftritte des Werner Faymann in Internet, Twitter & Co aus dem Blatt gekippt worden. Die einst so aufmüpfige „Krone“ ist heute ja völlig zahm geworden. Sie fordert nicht einmal mehr die Einhaltung des Faymann-Versprechens einer Volksabstimmung bei jeder EU-Vertragsänderung ein. Aber auch schon unter Vater Dichand ist ein Karikaturist gefeuert worden, als er es wagte, (in einer anderen Zeitung) Faymann als Brutus abzubilden, der Cäsar Gusenbauer mit dem Dolch in der Hand gegenübertritt.
Das Resümee ist klar: Der Missbrauch öffentlicher Budgets zur Beeinflussung von Medien hat dazu geführt, dass die einstige Macht der Medien in der Politik wieder durch die Macht der Politik in den Medien abgelöst worden ist. Das ist gleichsam eine Rückkehr in die 50er Jahre. Nur diesmal mit illegalen Methoden.
Der angebliche Versuch der Koalition, diese Entwicklung durch ein Medientransparenzgesetz zu beenden, ist ein (wohl insgeheim beabsichtigter) Fehlschlag. Denn die Geldflüsse können in gleicher Größe weitergehen – es muss nur später einmal veröffentlicht werden, wieviel jede willfährige Zeitung bekommen hat. Das aber konnte man ja schon bisher in etwa berechnen.
Ein sauberes Medienrecht müsste an Stelle dieser Pseudolösung vier andere Elemente haben:
1. Eine deutlich Erhöhung der Presseförderung für Tages- und Wochenzeitungen auf streng gesetzlich-objektiver Basis: Dies würde das Überleben einer möglichst großen Zahl von Medien als notwendige vierte demokratische Gewalt auch in Zeiten der Krise ohne knebelnde Abhängigkeiten sichern.
2. Jeder Geldfluss von Staatskassen und staatsnahen Betrieben darf nur noch nach einer öffentlichen Ausschreibung erfolgen: Damit würde nur eine Gleichstellung mit allen sonstigen Staats-Aufträgen erfolgen, darf doch selbst Büropapier nur über die ausgegliederte und streng an das Vergabegesetz gebundene Bundesbeschaffung gekauft werden.
3. Jedes Inserat und jede Kooperation muss inhaltlich von einem unabhängigen Medien- und Werberat genehmigt werden: Dadurch darf nur noch notwendige und sachliche Information und keine verkappte Parteienwerbung stattfinden.
4. Inseratenschaltungen müssen über Schaltagenturen erfolgen, wie das in der gesamten werbenden Wirtschaft längst zwingende Regel ist: Dabei gibt die werbende Institution nur noch das finanzielle Werbevolumen, das Sujet und die anzusprechende Zielgruppe (etwa: „Pensionisten“, „Studenten“ oder „Frauen bis 40“)vor; diese Schaltagenturen wissen am besten, wie man innerhalb solcher Rahmenbedingungen jedem Sujet ums gleiche Geld die meisten Leserkontakte verschafft.
Nur eine solche Lösung würde das Machtverhältnis zwischen Medien und Politik wieder an den in reifen Demokratien üblichen Standard heranführen. Die Gefahr ist aber groß, dass die Medien, dass das Vertrauen der Bürger in Medien sowie Politik und damit die Demokratie längst irreparablen Schaden erlitten haben. Dass Medien und Politik aus dem Morast nicht mehr herauskommen. Sie versinken langsam in diesen. Irgendwo zwischen Berlusconi, Balkan und Byzanz.
[1] Die Zeitung hatte bei der Media-Analyse 2001 einen Marktanteil von 44,1 Prozent; bei der Analyse 2010/11 waren es nur noch 37,9 Prozent. „Heute“ bekam bei dieser Umfrage 22,3 Prozent; es besetzt damit weit vor allen anderen Konkurrenten den zweiten Platz und in der Stadt Wien sogar schon den ersten.