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Irgendwo zwischen Berlusconi, Balkan und Byzanz

Es gibt viele Beispiele, wie sich Regierung und Gesetzgeber von den Medien beeinflussen ließen. Es gibt mindestens ebenso viele Beispiele, wo solche Versuche scheiterten. In jüngster Zeit haben sich die Machtverhältnisse aber jedenfalls ins Gegenteil verkehrt: Die Politik hat wieder enorm Einfluss auf die Medien gewonnen. Werner Faymann hat moralisch und rechtlich bedenkliche Methoden der Beeinflussung von Zeitungen mittels Steuergeldern aus dem Wiener Rathaus in die Bundespolitik transferiert. Diese Entwicklung könnte nur durch ein neues Medienrecht reversiert werden. Ein solches ist aber nirgendwo in Vorbereitung. Richtung und Intensität der Machtausübung zwischen Politik und Medien hängen von mehreren Faktoren ab: vom Charakter der politischen und medialen Akteure, von der wirtschaftlichen Lage der Medien, vom Pflichtbewusstsein der Staatsanwälte und von der demokratischen Reife einer Gesellschaft.

 

Intensive Abhängigkeiten sind oft mit gegenseitigem Hass verbunden. Zugleich aber bilden Politik und Medien in den Augen der Bürger einen untrennbaren Filz einer abgehobenen politisch-medialen Klasse. Und diese Bürger verachten daher sowohl Politiker wie auch Journalisten – umso mehr, je mehr sich diese gegenseitig verächtlich machen.

In einer funktionierenden Demokratie müssten Politiker und Journalisten hingegen in machtmäßig vollständig getrennten Sphären leben. Sie müssten sich gegenseitig prinzipiell als Persönlichkeit respektieren (auch wenn das oft schwer fällt). Sie müssten die Aufgabe der jeweils anderen Seite im Bewusstsein respektieren, dass beide Sphären unverzichtbar für das Funktionieren von Rechtsstaat und Demokratie sind.

Kreiskys spezifischer Medienstil

Die österreichische Realität sieht anders aus. Hier hat die Politik die Medien lange nur als Verkündungs- und Verlautbarungsorgan gesehen. Erst das Rundfunkvolksbegehren und Bruno Kreisky brachten eine Änderung. Kreisky hat zwar die vom Volksbegehren erkämpfte und von Josef Klaus zugestandene Unabhängigkeit des ORF wieder stark eingeschränkt, aber er hat gleichzeitig den Printjournalisten ein hohes Maß an Respekt entgegengebracht. Er hat in einigen von ihnen das Gefühl wachgerufen, seine Vertrauten zu sein. Und er hat sie vor allem durch ein vorher und nachher nie dagewesenes Ausmaß an professioneller Zugänglichkeit für sich eingenommen.

Natürlich ist solche Offenheit in einer Alleinregierung leichter, als wenn ein Regierungschef auf einen Koalitionspartner Rücksicht nehmen müsste. Und natürlich war das vor allem am Beginn der Kreisky-Jahre leicht, als Sparen ein Fremdwort war, als man den Bürgern via Medien ständig neue bunte Luftballone versprechen konnte.

Kreisky konnte zugleich mit geübter Dialektik und seinem unnachahmlichen Diskussionsstil das neue Medium Fernsehen brillant instrumentalisieren. Er erkannte und anerkannte früher als andere die Macht der Medien, fürchtete sie aber nicht, sondern nutzte sie im eigenen Sinne.

Als die Medien begannen, Vorgaben zu machen

Eine ganz andere „Macht der Medien“ lernten wir in den Folgejahren kennen. Die Medien beeinflussten erstmals Regierung und Gesetzgebung. Diese Medienmacht nahm durch mehrere Phänomene zu: Erstens begannen rechts wie links populistische Politiker – also solche ohne eigene Gestaltungsvision, dafür mit starken Machtambitionen –, sich zunehmend nach den vermeintlichen Vorgaben der Medien zu richten. Sie glaubten, dadurch die eigene Macht zu sichern. Sie übersahen aber, dass die Vorgaben der Medien meistens nicht konsistent waren, dass dahinter selten klare Konzepte standen, dass die Summe der Leitartikel kein Programm darstellt.

Zweitens entdeckten die Medien, dass die Politiker von respektierten Autoritätspersonen zu  Kaisern ohne Kleider geworden waren. Jeder journalistische Anfänger durfte plötzlich ungehindert einen verächtlichen Kommentar über einen oder „die“ Politiker schreiben. Bei jeder anderen Gruppe war man hingegen vorsichtiger: egal ob Radfahrer, Hundebesitzer, Rapid-Fans, Pensionisten oder Burgenländer. Jedes pauschalkritische Wort kann da ein Stück der Auflage kosten.

Und drittens trat eine Verlegerpersönlichkeit ins Zentrum, die stärker denn je mediale Macht verkörperte: Hans Dichand. Er erkannte die Krise der repräsentativen Politik. Er hatte mit dem Weltrekord darstellenden Marktanteil der Kronenzeitung eine Waffe, die von vielen Politikern in einer Art vorweggenommenem Gehorsam als wahlentscheidend eingestuft wurde. Er hatte aber auch zu konkreten Fragen sehr konkrete Vorstellungen. Diese vertrat er dann mit – teils erfolgreichen, teils erfolglosen – Kampagnen sehr konsequent. Während Blätter wie der „Kurier“ in fast jeder Frage eine krampfhafte Einerseits-Andererseits-Linie fuhren, war Dichand überzeugt: Der Duft der Macht und Stärke, den er mit seinen Kampagnen ausstrahlte, wirkt anziehend auf die Leser. Selbst wenn diese vorher noch nicht Dichands Meinung gewesen waren.

Neben Dichand begannen auch Bundesländerzeitungen, ihre Macht in regionalen Kampagnen auszutesten. Zur Illustration folgen einige Beispiele scheinbarer oder wirklicher medialer Machtausübung. An deren Beginn stehen zwei autobiographische Beispiele – nicht aus Eitelkeit, sondern um gleich auch selbstkritisch die Zuschreibung journalistischer „Macht“ zu relativieren und hinterfragen.

  1. Ich war Mitte der 80er Jahre als erster Journalist eines halbwegs relevanten Mediums vehement für einen Vollbeitritt zur Europäischen Gemeinschaft, dem Vorläufer der EU, eingetreten. Das löste zwar Widerstand beim damaligen Eigentümer der „Presse“, der Bundeswirtschaftskammer, aus. Der damalige Chefredakteur, Thomas Chorherr, hat mir dennoch weiterhin trotz mancher Zweifel meine Linie ermöglicht. Zwei hochrangige Diplomaten aus dem (ebenfalls erstaunlich lange beitrittsskeptischen) Wiener Außenministerium kommentierten das später mit der Behauptung, dass ich Österreich in die EG hineingetrieben habe.
    Das stimmt sicher nicht. Wohl mögen meine Artikel ein wenig mitgeholfen haben, das (Neutralitäts-)Tabu zu überwinden, und einige bürgerliche Politiker vom Nutzen eines Beitritts zu überzeugen. Aber ganz sicher wäre Österreich auch ohne mein Zutun heute Mitglied der EU. Oft ist die Rolle eines sachkundigen Journalisten nämlich nur die eines Eisbrechers für Notwendigkeiten und Gedanken, die vielerorts schon in der Luft liegen. Er spricht nur als erster manches aus, was Bürokratie und Parteien noch nicht wirklich zu sagen wagen.
  2. Noch ein zweites Mal geriet ich in die Rolle eines Eisbrechers: Ich habe im Winter 1999/2000 einige Wochen lang im Alleingang die Legitimität einer schwarz-blauen Regierung verteidigt. Die viel größere und damals sehr konzentriert agierende Macht von Kronenzeitung, ORF, Raiffeisen-Medien und vielen anderen schrieb hingegen vehement gegen diese Perspektive an.
    Dass die Krone nach vollzogener Regierungsbildung von einem Tag auf den anderen vom schäumenden Gegner einer solchen Koalition zum vehementesten Verteidiger geworden ist, zählt im übrigen zu den seltsamsten Pointen der Mediengeschichte. Die trotz des medialen Widerstands vollzogene Wende zeigt vor allem die Machtlosigkeit der Medien, wenn diese die Zeichen der Zeit nicht erkennen und wenn zugleich Politiker zu handeln wagen. Noch nie haben sich die Medien als so machtlos erwiesen wie im Februar 2000.
    Natürlich habe auch ich keine Schlüsselrolle bei der Entscheidung Wolfgang Schüssels für Schwarz-Blau gespielt. Dass zumindest ein Chefredakteur die Möglichkeit dieser Koalition verteidigt hat, mag höchstens ein kleiner Detailfaktor am Rande gewesen sein. Vielleicht trug diese Haltung auch bei, den damaligen Bundespräsidenten Klestil von der Umsetzung seiner Pläne einer Präsidialregierung ohne parlamentarische Mehrheit abzuhalten. Aber meine Rolle war im Grund nur die, unabhängig von irgendwelchen Machtgeflechten als erster ein paar logische Überlegungen formuliert zu haben. Deren Wirkung überschätze ich aber auch deshalb nicht, weil in hunderten anderen Fällen meine hoffentlich ebenso logischen Überlegungen auf keinerlei Resonanz geschweige dann Umsetzung gestoßen sind.
    Soweit die autobiographischen Einschübe.
  3. In etlichen anderen Fällen zeigte sich sehr wohl ein signifikanter Einfluss von Medien – sofern diese einen größeren Marktanteil als die von mir geleiteten Zeitungen hatten. So hat sich schon 2002 auch Schüssel selbst das Wohlwollen der Kronenzeitung durch den Beschluss eines – von Hans Dichand gewünschten – Bundestierschutzgesetzes erkauft.
  4. Den für mich frappierendsten Einfluss auf die Gesetzgebung hatte eine andere Aktion Dichands. Er setzte mit einem Brief an jeden einzelnen Abgeordneten ein eigentlich ungeheuerliches Privileg der Zeitungen durch: Zeitungskolporteure und -zusteller brauchen trotz verschärfter Ausländergesetze als einziger Beruf keine Arbeits- oder sonstige Genehmigung. Das ermöglicht auch die Beschäftigung abgewiesener Asylwerber. Das macht die Hauszustellung für die Zeitungen deutlich billiger. Heute gibt es freilich die damals in großer Zahl verbreiteten Straßen-Kolporteure nicht mehr. Dafür wird das von Dichand erkämpfte Privileg seit längerem von den organisierten osteuropäischen Bettlern in Anspruch genommen, die pro forma ein Zeitschriftenexemplar zu verkaufen vorgeben.
  5. Nicht nur ein Kettenbrief, sondern eine direkte Kampagne Dichands in seiner Zeitung ist der nächste Beweis medialer Macht: Dichand verhinderte damit den Bau des geplanten Leseturms inmitten der einstigen Hofstallungen, des heutigen Museumsquartiers. Dieser Leseturm hätte das eindrucksvolle historische Gesamtbild des Großareals rund um den Heldenplatz negativ beeinflusst.
  6. Weniger lobenswert ist ein weiterer Erfolg des Kronenzeitungs-Chefs: das Wiener Baumschutzgesetz. Nach seiner Kampagne gegen das Fällen von Bäumen für ein Bauprojekt wurde von der unterwürfigen Rathausmehrheit ein Baumfäll-Verbotsgesetz erlassen. Dieses umfasst das ganze Gemeindegebiet, also auch die sehr dicht begrünten Kleingärten. Es ist dadurch heute praktisch nur noch als Schikane für Zehntausende Wiener Gartenbesitzer relevant. Diese bekommen sofort gewaltige Probleme, wenn sie auch nur einen Baum entfernen, selbst wenn sie den Platz wieder begrünen.
  7. Ein weiterer großer Erfolg der Krone – und vieler anderer – war die Verhinderung des Donaukraftwerks Hainburg.
  8. Einer der dramatischsten und frühesten Triumphe eines Regionalmediums war in den 60er Jahren die Kampagne der „Vorarlberger Nachrichten“ gegen die Benennung eines Bodenseeschiffes nach dem Sozialdemokraten Renner. Das Blatt schrieb die Vorarlberger so sehr in Zorn, dass diese die „Taufe“ handgreiflich verhinderten.
  9. Der „Kleinen Zeitung“ der Steiermark werden allgemein die Wahlniederlagen der ÖVP-Landeshauptleute Krainer und Klasnic zugeschrieben. Diese Niederlagen hatten freilich primär andere Ursachen – die von der Zeitung halt intensiv aufgegriffen wurden. Diese Erfolge stehen auch im Gegensatz zum Misserfolg der Kärntner Schwesternausgabe. Denn diese hat dort immer wieder vehement Blau/Orange attackiert. Ohne viel Echo bei den Wählern. Dabei hat das Blatt in Kärnten einen höheren Marktanteil als in der Steiermark.
  10. Auch bei der Intrige zum Sturz des SPÖ-Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer spielten Medien eine Schlüsselrolle. Ob sie das aus eigenem taten, oder ob dahinter Schachzüge seines späteren Nachfolgers standen, lässt sich nicht ganz beweisen. Tatsache ist, dass plötzlich SPÖ-nahe Medien auf eine Art gegen Gusenbauer agiert haben, die vorher und nachher undenkbar war. Die Gratiszeitung „Österreich“ des Faymann-Freundes Fellner etwa stellte Gusenbauer durch üble Stories über die Probleme seiner pubertierenden Tochter bloß. Und im ORF wurde eine nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Äußerung Gusenbauers gesendet (was bei Faymann nie passieren würde). Diese Äußerung brach Gusenbauer politisch das Genick. Er hatte nämlich in einem mitgeschnittenen Privatgespräch in Hinblick auf ein Treffen mit Parteifreunden gefragt, ob sich dort das „übliche Gesudere“ abspiele. Was Parteifreunde nicht sonderlich gerne hören.
  11. Ein klarer Medienerfolg war 2011 die feministisch inspirierte Umtextung der Bundeshymne. Angesichts der profeministischen Zeitungskommentare wagte die ÖVP nicht, bei ihrem ursprünglichen Reflex gegen eine Umtextung zu bleiben. Dabei war die große Mehrheit der Wähler gegen ein Umtexten. Offenbar galt das Motto: „Wie mache ich einigen Zeitungskommentatoren zuliebe gegen meine Wähler Politik, ohne dafür nachher von diesen Kommentatoren wenigstens ein wenig Lob zu bekommen.“
  12. Der ORF als noch immer wichtigstes Medium betreibt zwar keine direkten Kampagnen, aber massives Agenda Setting. So verhinderte er über Jahre jede neutralitätskritische Diskussion; so thematisiert er ununterbrochen sämtliche feministischen Behauptungen, etwa jene, dass „gleiche Arbeit“ ungleich bezahlt würde.
  13. Nochmals Dichand: Zwei Mal konnte er seinen Freund Hans-Peter Martin zu einem sensationellen Erfolg bei EU-Wahlen verhelfen. Dass der Mann später umso tiefer fiel, ist ein dramatischer Beweis, wie irrtumsanfällig eine allzu große Macht der Medien werden kann.
  14. Dass sich die Parteien nicht ganz zu Unrecht vor der Kronenzeitung fürchteten, zeigen auch einige andere Wahlen (aber keineswegs alle!). So erzielte der Dichand-Freund Werner Faymann 2008 bei Lesern der für ihn trommelnden Kronen-Zeitung einen weit höheren Stimmenanteil als in der allgemeinen Bevölkerung. Hätten Kronenzeitungs-Leser nicht mitgestimmt, wäre Faymann nur Zweiter. In diesem Sinne scheint der starke Rückgang des Marktanteils der Krone ein erfreuliches Zeichen[1] zu sein. Es wird jedoch durch den Erfolg des weitgehend gleichgeschalteten Gratisblattes „Heute“ voll kompensiert.
  15. Die Wahl-Unterstützung 2008 hängt mit einer weiteren Dichand-Kampagne zusammen: jener gegen die EU. Faymann versprach Dichand in einem öffentlichen Brief für Änderungen des EU-Vertrags eine Volksabstimmung. Darüber war damals die ÖVP so empört, dass sie darob Neuwahlen ausrief (und gegen die Kronenzeitung verlor). Die ÖVP-Empörung war überflüssig: Faymann hielt sich nämlich in der Folge nie an dieses Versprechen. Er stimmte sogar der – extrem heiklen – Umwandlung der EU in eine Fiskalunion ohne Volksabstimmung zu.
    Womit wir wieder auf das spannende Phänomen stoßen: Nicht überall, wo wir auf den Anschein medialer Macht stoßen, ist wirklich eine solche zu finden.

Misserfolge werden von den Medien totgeschwiegen

In Wahrheit sind die Misserfolge medialer Machtausübung sogar häufiger. Sie fallen freilich viel weniger auf, auch weil sie von den Medien nachher natürlich totgeschwiegen werden. Einige kurze Beispiele dazu (neben den schon angesprochenen Flops rund um Schwarz/Blau und das nicht stattfindende EU-Referendum). Auch in dieser Liste dominiert angesichts ihres Hangs zu Kampagnen wieder die Krone:

  • die Unterstützung für die freiheitliche Präsidentschafts-Kandidatin Barbara Rosenkranz;
  • die Unterstützung für Karl-Heinz Grasser (diese motivierte die anderen Medien zu nur umso heftigeren Attacken);
  • die Unterstützung für Kurt Waldheim (diese nützte zwar am Wahltag, konnte den Bundespräsidenten aber nie aus seiner Isolation herausführen);
  • die Unterstützung für Viktor Klima;
  • die Kampagne gegen die Wehrpflicht;
  • die Kampagne gegen das Hrdlicka-Denkmal vor der Albertina.

Aber selbst wenn alle Medien einschließlich ORF gemeinsam kampagnisieren, kann der Erfolg ausbleiben, wie etwa 2011 das Androsch-Volksbegehren zeigte.

Diese Flops bestätigen: Medien haben nur eine begrenzte Macht. Diese ist geringer, als sie selbst oder viele Politiker glauben. Medien können zwar vorhandene Trends aufgreifen und verstärken. Sie folgen dabei (mit Ausnahme der Kronenzeitung in ihren starken Jahren) gern einem Herdentrieb. Sie neigen stets zu den simplen Themen. Sie überbetonen Äußerlichkeiten wie etwa die Höhe von Politikergehältern. Den meisten Journalisten sind die wirklich wichtigen Themen wie etwa die Staatsfinanzen oder Grundfragen des Rechtsstaats oder der Wissenschaft zu kompliziert und sperrig.

Die Hofnarren der Macht

Sie erweisen sich damit letztlich aber meist nur als die Hofnarren der Macht. Und wenn sie einmal – siehe Hymne – etwas gegen die mehrheitliche Bürgermeinung durchsetzen können, dann gelingt dies nur deshalb, weil unprofessionelle Politiker die medial veröffentlichte Meinung mit der öffentlichen verwechseln.

Viel leichter fällt es Medien, einzelne Politiker durch kollektive Angriffe kaputtzuschreiben. Dazu braucht es zwar immer eines echten Anlasses – aber den bietet ja fast jede Politikerkarriere, da nur relativ selten Engel zu Politikern werden.

So ist am Ende des Jahres 2011 der deutsche Bundespräsident Christian Wulff von den Medien waidwund gejagt worden, obwohl keine einzige größere Partei ein Interesse an dieser Jagd hatte. Sein Vorgänger hatte gar schon nach einigen kritischen Leitartikeln sein Amt entnervt hingeworfen – noch dazu, ohne so wie Wulff schwere Fehler begangen zu haben. Und ohne die konzentrierte Attacke der Medien wäre der einst bei seiner Doktorarbeit schummelnde deutsche Verteidigungsminister Guttenberg zweifellos noch immer im Amt.

Die Medien sind in aller Regel nicht mächtiger als die Politik. Aber die Politik fürchtet sich zunehmend vor den Medien. Was in Wahrheit erst die wirkliche Macht der Medien begründet. Statt konsequentes Selbstbewusstsein zu zeigen, sehnen sich viele Politiker insgeheim nach den schönen Fünfziger Jahren zurück, als die Medien praktisch nur Lautsprecher der Parteien waren. Damals unterschieden sich auch die unabhängigen Zeitungen von den Parteizeitungen meist nur dadurch, dass sie halt die Standpunkte aller (zwei) Parteien wiedergaben.

Die Strategien der Angst und des Geldes

Aus ihrer Angst heraus versuchten Politiker seither unterschiedliche Strategien gegenüber den Medien:
- Ignorieren (hilft zwar der emotionalen Balance, strategisch hingegen weniger);
- Politik nach den Kommentaren ausrichten (führt zu schlechter Politik und bisweilen in einem dialektischen Prozess sogar zu negativen Emotionen bei Journalisten: „Wie schlecht muss dieser Politiker sein, wenn er auf meine Ratschläge hört“);
- Schmeicheln (wirkt erstaunlich oft);
- sachlich-kritisch Reagieren (absolut empfehlenswert, wenn es mit kühlem Temperament geschieht);
- legale Bestechung durch Erreichbarkeit und Informationen (die erfolgreiche Kreisky-Strategie);
- finanzielle Bestechung einzelner Journalisten (kann Kopf und Kragen kosten);
- Druckausübung (verbale und lautstarke „Kriegserklärungen“ gegen Medien, wie sie Wulff so schadeten, sind in Österreich gang und gäbe, ohne dass jedoch daraus jemals ein größerer Wirbel entstanden wäre; allerdings dürfte es hier keinen Fall geben, wo ein Politiker so dumm wie Wulff war, solche Äußerungen auf ein Tonband zu sprechen);
- legaler Missbrauch gesetzlicher Macht (der ORF ist in den letzten Jahren mit Hilfe des ORF-Gesetzes in allen redaktionell relevanten Positionen von Sympathisanten übernommen worden);
- Bestechung ganzer Medien.

Die letztgenannte Strategie ist in den letzten Jahren in Österreich so intensiv praktiziert worden wie in keinem anderen Land der EU. Die Bestechung erfolgt nicht etwa durch eigene Geldmittel, sondern aus Kassen des Staates oder staatseigener Unternehmungen. Sie ist damit eindeutig illegal und eine Form der Korruption. Sie wurde dennoch von den Staatsanwälten bisher ignoriert.

Solche Bestechungspraktiken werden schon seit Jahrzehnten im Imperium der Gemeinde Wien praktiziert (in etwas schwächerer Form auch in etlichen anderen Bundesländern wie etwa Niederösterreich). Mit vielen – offenen und versteckten – Geldflüssen wurden und werden sonst zum Sterben verurteilte Medien am Leben gehalten. Und andere, an sich lebensfähige Medien wurden durch Millionen Steuergelder für Inserate, Kooperationen und Projekte in eine verführerisch bequeme Abhängigkeit gebracht. Wer sich sträubt, erhält Liebesentzug. Bei zwei von mir geleiteten Zeitungen wurde Anzeigenleitern im Rathaus beschieden: „Solange der Unterberger Chefredakteur ist, kriegt ihr gar nichts.“

Dieses Modell der Einflussnahme mittels öffentlicher Gelder ist dann mit dem Wechsel von Werner Faymann in die Bundesregierung auch dort breiter Usus geworden. Zuerst vor allem bei den ÖBB und bei der Asfinag. Dort hat Faymann das zusätzliche Delikt eines Eingriffs in die Tätigkeit eines laut Aktiengesetz unabhängigen Vorstands dann doch ein Strafverfahren eingebracht. Mit vorerst unbekanntem Ausgang. Jedenfalls ist dieses Verfahren gegen einen amtierenden Bundeskanzler etwas bisher Einmaliges.

Nach seinem Wechsel an die Regierungsspitze floss auch von anderen (vor allem, aber nicht nur SPÖ-geleiteten) Ministerien ein breiter Geldstrom zu den Zeitungen. Seit Faymann Kanzler ist, haben sich die Inseratenausgaben der Regierung vervielfacht.

Ein offensichtlich logisches Ergebnis ist der regelmäßige Faymann-Jubel in „Österreich“, aber auch in „Heute“ und „Kronenzeitung“. Ebenso fällt etwa im „Falter“ die große Zahl von Inseraten aus dem „Gemeinde-Wien“-Bereich und die zahnlose Berichterstattung über dieses Imperium auf. Bei „Heute“ wurde sogar über Nacht der Chefredakteur gefeuert, nachdem er enthüllt hatte, dass Briefe, Mails und Postings angeblicher Leser allesamt aus der SPÖ-Zentrale gekommen sind. In der Kronenzeitung wiederum ist knapp vor Andruck eine Kolumne über die peinlichen Auftritte des Werner Faymann in Internet, Twitter & Co aus dem Blatt gekippt worden. Die einst so aufmüpfige „Krone“ ist heute ja völlig zahm geworden. Sie fordert nicht einmal mehr die Einhaltung des Faymann-Versprechens einer Volksabstimmung bei jeder EU-Vertragsänderung ein. Aber auch schon unter Vater Dichand ist ein Karikaturist gefeuert worden, als er es wagte, (in einer anderen Zeitung) Faymann als Brutus abzubilden, der Cäsar Gusenbauer mit dem Dolch in der Hand gegenübertritt.

Das Resümee ist klar: Der Missbrauch öffentlicher Budgets zur Beeinflussung von Medien hat dazu geführt, dass die einstige Macht der Medien in der Politik wieder durch die Macht der Politik in den Medien abgelöst worden ist. Das ist gleichsam eine Rückkehr in die 50er Jahre. Nur diesmal mit illegalen Methoden.

Der angebliche Versuch der Koalition, diese Entwicklung durch ein Medientransparenzgesetz zu beenden, ist ein (wohl insgeheim beabsichtigter) Fehlschlag. Denn die Geldflüsse können in gleicher Größe weitergehen – es muss nur später einmal veröffentlicht werden, wieviel jede willfährige Zeitung bekommen hat. Das aber konnte man ja schon bisher in etwa berechnen.

Die Vision eines sauberen Medienrechts

Ein sauberes Medienrecht müsste an Stelle dieser Pseudolösung vier andere Elemente haben:

1.      Eine deutlich Erhöhung der Presseförderung für Tages- und Wochenzeitungen auf streng gesetzlich-objektiver Basis: Dies würde das Überleben einer möglichst großen Zahl von Medien als notwendige vierte demokratische Gewalt auch in Zeiten der Krise ohne knebelnde Abhängigkeiten sichern.

2.      Jeder Geldfluss von Staatskassen und staatsnahen Betrieben darf nur noch nach einer öffentlichen Ausschreibung erfolgen: Damit würde nur eine Gleichstellung mit allen sonstigen Staats-Aufträgen erfolgen, darf doch selbst Büropapier nur über die ausgegliederte und streng an das Vergabegesetz gebundene Bundesbeschaffung gekauft werden.

3.      Jedes Inserat und jede Kooperation muss inhaltlich von einem unabhängigen Medien- und Werberat genehmigt werden: Dadurch darf nur noch notwendige und sachliche Information und keine verkappte Parteienwerbung stattfinden.

4.      Inseratenschaltungen müssen über Schaltagenturen erfolgen, wie das in der gesamten werbenden Wirtschaft längst zwingende Regel ist: Dabei gibt die werbende Institution nur noch das finanzielle Werbevolumen, das Sujet und die anzusprechende Zielgruppe (etwa: „Pensionisten“, „Studenten“ oder „Frauen bis 40“)vor; diese Schaltagenturen wissen am besten, wie man innerhalb solcher Rahmenbedingungen jedem Sujet ums gleiche Geld die meisten Leserkontakte verschafft.

Nur eine solche Lösung würde das Machtverhältnis zwischen Medien und Politik wieder an den in reifen Demokratien üblichen Standard heranführen. Die Gefahr ist aber groß, dass die Medien, dass das Vertrauen der Bürger in Medien sowie Politik und damit die Demokratie längst irreparablen Schaden erlitten haben. Dass Medien und Politik aus dem Morast nicht mehr herauskommen. Sie versinken langsam in diesen. Irgendwo zwischen Berlusconi, Balkan und Byzanz.

Dieser Beitrag erscheint in ähnlicher Form im soeben neuerschienen "Österreichischen Jahrbuch für Politik 2011".

[1] Die Zeitung hatte bei der Media-Analyse 2001 einen Marktanteil von 44,1 Prozent; bei der Analyse 2010/11 waren es nur noch 37,9 Prozent. „Heute“ bekam bei dieser Umfrage 22,3 Prozent; es besetzt damit weit vor allen anderen Konkurrenten den zweiten Platz und in der Stadt Wien sogar schon den ersten.

 

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