Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Ein Land der unendlichen Widersprüche: Wenn Journalisten und Rechtsanwälte den Schutz ihrer eigenen Geheimnisse verteidigen, lassen sie die ganze Republik erbeben, und die Regierung gibt bereits nach 48 Stunden nach; wenn die SPÖ gleich das ganze Bankgeheimnis abschaffen will, schweigt hingegen die ganze Republik. Wenn eine dubiose Illustrierte 200.000 Mails widerrechtlich veröffentlicht oder wenn das mit einzelnen geheimen Aktenteilen geschieht, die unangenehm für Karl-Heinz Grasser klingen, applaudiert die Szene sogar; und sie denkt sich nichts dabei, wenn sie anderntags wieder lautstark nach noch mehr Datenschutz ruft.
Der gemeinsame Nenner unter all diesen Widersprüchen ist ein trauriger: Kein Mensch in diesem Land diskutiert noch sauber und ordnungspolitisch objektiv über die Grenze zwischen dem Bereich, der als Persönlichkeitsrecht des Bürgers geheim zu bleiben hat, und jenem, wo der Staat bei der Strafverfolgung hineinschauen darf. Sondern jeder diskutiert diese Frage immer nur anlassbezogen, ob es ihm selber nutzt, ob es einem politischen Feind schadet.
Wo ich selbst die Grenzen sehe? Nun, man kann sie weiter und strenger ziehen; für beides gibt es Argumente. Aber am wichtigsten ist: Die Grenzen sollten jedenfalls objektiv und nicht willkürlich gelten, wie es aber derzeit angesichts einer völlig überforderten Staatsanwaltschaft praktiziert wird.
Zweitens wäre wichtig: Es gibt eine Reihe von Gründen, viel mehr Transparenz herzustellen. Wäre wie in nordischen Ländern jeder staatliche Akt für jeden Bürger zugänglich, würde nämlich viel an Korruption von vornherein erstickt werden. Dann würden sich auch kriminelle und halbkriminelle Machenschaften erübrigen, gezielt einzelne Geheimakten hinauszuspielen. Dann würden nicht nur die von anonymen Kräften willkürlich ausgewählten Schweinereien bekannt, dann könnten wir vielmehr allen üblen Vorgängen nachgehen, unabhängig von den sehr gezielten Interessen mancher – meist selbst bestochener! – Medien oder ideologisch motivierter Beamter.
Es ist aber völlig absurd und skandalös, die staatlichen Akten und Daten weiterhin total geheim zu halten (wenn sie nicht gerade wieder einmal ein bestochener oder intriganter Beamter hinausspielt), aber zugleich zu verlangen, dass das Bankgeheimnis abgeschafft werden soll. Wie dies soeben der SPÖ-Abgeordnete Johann Maier getan hat. Er erhebt voll klassenkämpferischem Hass auf alle „Reichen“ seine Forderung primär im Interesse ausländischer Steuerfahnder, die nach seinen Wünschen auf jedes österreichische Konto durchgreifen könnten. Und er versetzt nebstbei dem Finanzplatz Österreich einen weiteren verheerenden Schlag nach all den Belastungen, die sich schon zuletzt die österreichische und ungarische Regierung einfallen haben lassen.
Aber wenn die SPÖ schon die Bürgerrechte endgültig zertrümmern will, dann müsste sie doch erst recht zustimmen, dass logischerweise auch beim Staat die Geheimhaltung zertrümmert wird (maximal bis auf wenige, sehr genau zu begründende Ausnahmen). Schließlich sind die totalitären Zeiten ja hoffentlich vorbei. Schließlich ist der Staat ja keine Person mit eigenen natürlichen Grundrechten, sondern nur ein Apparat, der Diener des Bonum commune, also aller Bürger sein sollte. Was das so streng verteidigte Amtsgeheimnis derzeit wirklich schützt, sind praktisch immer korrupte Beamte oder Politiker. Oder parteipolitische Schiebung. Oder Faulheit. Oder schlechte, meist von Lobbies und Sozialpartnern durchgesetzte Gesetze.
Die Politik ist aber nicht nur unwillig, das in Zeiten von Computerfestplatten ohnedies anachronistische Amtsgeheimnis abzuschaffen. Sie baut es sogar durch die schikanöse Bürokratie-Schutzmaschine Datenschutz ständig noch weiter aus.
Sie präsentierte uns nun auch den Vorschlag eines neuen Korruptions-Strafrechts, der erwartungsgemäß lächerlich bleibt. Sie wirft dabei der Öffentlichkeit zur Ablenkung als Streitpunkt die unbedeutende Scheinfrage vor, ob kleine Geschenke im Wert von 99 Euro künftig legal sein sollen oder nicht. Aber die wirklich großen Dinge – die an diesem Ort schon genau aufgelistet worden sind – bleiben weiter tabu: etwa die Geschäfte von Parteifirmen; etwa die Pflicht zur Ausschreibung aller Aufträge, Einkäufe UND Verkäufe der öffentlichen Hand bis hinunter zu den Gemeinden ab einem Wert von (mindestens) 40.000 Euro pro Jahr. Interessanterweise lassen sich auch die diversen Antikorruptionsjäger von diesen wirklich wichtigen Fragen ablenken.
Noch unbefriedigender ist, dass auch den Verletzungen des gegenwärtigen Rechts nicht ernsthaft beziehungsweise sehr selektiv nachgegangen wird. So unternehmen weder Justiz noch Staatsanwaltschaft irgendwelche sinnvollen Schritte, um herauszufinden, wer immer wieder Schriftstücke an bestimmte Medien hinausspielt. Hat da vielleicht irgendjemand Angst, dass die Nachforschungen auf sehr hochrangige Justiz-Funktionäre treffen könnten? Man schaue sich nur nach dem Prinzip Cui bono an, wen genau jene Medien offenbar aus Dankbarkeit unterstützen, die immer wieder rechtswidrig Aktenteile erhalten (deren Inhalt sich ganz zufällig immer nur gegen Schwarz und Blau/Orange richtet, aber nie gegen die Korruption beispielsweise der Herrn Faymann oder Pöchhacker oder des ganzen Wiener Rathauses). Und man will schon gar nicht die Mittäterschaft (scheinbar) auflagenstarker Medien thematisieren.
Auch die eindeutig rechtswidrige Veröffentlichung von 200.000 Mails aus Computern der Telekom interessieren keinen Staatsanwalt. Obwohl dadurch für die Telekom ein katastrophaler Schaden entstanden ist, obwohl viele Kunden jetzt den staatseigenen Konzern zu meiden beginnen. Auch hier müsste schon lange eine Sonderkommission tätig werden.
Egal welche der am Gerüchtemarkt genannten Mail-Quellen der wahre Täter ist, sie müsste dringend stillgelegt werden. Es könnte zum einen sein, dass da eine Schrott-Mafia agiert, die alle ausgemusterten Computer von Schrotthändlern kauft und schaut, wie und wo man mit den vorgefundenen Mails Geld herauslocken oder erpressen kann (Experten können angeblich auch tausendmal gelöschte Texte noch auffinden und geleerte Papierkörbe wieder anfüllen, weshalb etwa professionelle Geheimdienste alte PC immer eigenhändig in Kleinstteile schreddern). Es könnte zum anderen sein, dass ein Kronzeuge da ein schmutziges Spiel versucht, der Zugang zu all diesen Mails hatte.
Apropos Kronzeuge: Die in Österreich neueingeführte Kronzeugenregelung erweist sich schon beim ersten Einsatz als höchst problematisch: Denn es entsteht stark der Eindruck, dass der Haupttäter hier billig einer Verurteilung entkommt, indem er einfach die Nebentäter ausliefert. Angesichts dieser Konstellation stellen sich alle Haare meines Rechtsempfindens auf. Würden die nicht eh schon angesichts der sonstigen Zustände seit längerem stehen.
PS.: Nein, das alles heißt nicht, dass ich von der Unschuld Grassers überzeugt wäre. Ich will nur im Gegensatz zu den übrigen Medien, dass auch ein Ex-Politiker Anspruch auf ein faires Verfahren nach den offiziell geltenden Regeln und nicht nach denen einer altrömischen Gladiatoren-Arena hat, wo nur die Willkür und das Gejohle von den Rängen über Leben und Tod entschieden.
PPS.: Nein, das alles heißt nicht, dass ich für einen erweiterten Zugriff des Staatsanwalts auf rechtsanwaltliche Aktennotizen oder Interviewmitschriften wäre. Ich will nur eines nicht: Während die Medien ihre eigenen Rechte lautstark durchsetzen und ausbauen können, fallen ihre eigenen Sauereien dem Mantel der Vergessenheit anheim.