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Europas und Österreichs Politiker versuchen den Eindruck zu erwecken, dass die große Krise überwunden wäre. Da die Menschen der schlechten Nachrichten längst überdrüssig sind, sind sie nur allzu gern geneigt, die Botschaft auch zu glauben. Alleine: Die wirtschaftlichen Fakten sprechen eine ganz andere Sprache. Sie bleiben in der Welt, auch wenn man sie verdrängt.
Die Gefahr ist sogar groß, dass gerade die Rettungsmaßnahmen einen Startschuss für die nächste Krise bedeuten, die daher eine direkte Fortsetzungskrise zu werden droht. Vor allem die Politik des billigen Geldes und die ständige Steigerung der Staatsausgaben bergen großes Gefahrenpotential.
Damit wiederholen sich die Hauptursachen des letzten Krisenausbruchs: Nach der Dot.com-Krise 2001/02 haben die westlichen Notenbanken – auf Druck der Politik – eine viel zu expansive Geldpolitik betrieben. Und zugleich war auch die Fiskalpolitik viel zu expansiv. „Die Wirtschaft wurde damals von beiden Seiten befeuert“, formuliert der Makroökonom Peter Brezinschek. Das musste zur Entstehung von Blasen führen, die irgendwann einmal platzen, was dann 2008 mit katastrophalen globalen Folgen passiert ist.
Auch wenn Wissenschaftler in Hinblick auf die Zukunft immer viel vorsichtiger formulieren als bei der Vergangenheit, müsste ein Satz von Christian Helmenstein, einem weiteren prominenten Ökonomen, in ganz Österreich die Alarmglocken schrillen lassen. „Österreich befindet sich möglicherweise an der Schwelle zu einer Immobilienblase. Es gibt aber keinen Politiker, der bereit wäre, eine sich aufbauende Blase zu stoppen.“
Genau solche Immobilienblasen – also steil ansteigende Preise für Häuser und Wohnungen – sind ja am Beginn der jüngsten Krise von Amerika bis Spanien geplatzt. Das hat die bekannten explosiven Kettenreaktionen ausgelöst. Denn ein tiefes Absinken der zuvor in die Höhe gejagten Werte von Immobilien (in Spanien etwa auf ein Fünftel der Spitzenwerte) bringt natürlich nicht nur die Hausbesitzer, sondern auch die kreditgebenden Banken ins Schleudern. Es setzt sie existenzbedrohend „unter Wasser“, wie es die Amerikaner formulieren.
Das, was vor zehn Jahren zu der verheerenden Blasenbildung geführt hat, ist im Grund genau das, was auch jetzt wieder passiert. Die EZB hat mehr als eine Billion Euro an Billigstgeld gegen zum Teil sehr dubiose Sicherheiten unter die Europäer gebracht; ähnliches tun die Amerikaner; zugleich sind die Sparanstrengungen vieler Länder unzureichend. Wir haben also wieder eine leichtfertig expansive Politik, in Sachen Budgets wie auch in Sachen Notenbanken. Die aber keineswegs für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand sorgt.
Österreichische Spitzenökonomen, die in der Gruppe „proMarktwirtschaft“ zusammengefasst sind, haben nachgewiesen, dass die Schweiz in den fünf Jahren 2006-2010 ihren Vorsprung auf die Euro-Länder drastisch ausbauen hat können: War das (entsprechend der Kaufkraft berechnete) Pro-Kopf-Einkommen der Schweizer anfangs „nur“ um 34 Prozent höher als im Euro-Raum, so stieg der eidgenössische Vorsprung am Ende der Periode auf 47 Prozent.
Damit ist der gesamte Wachstumsvorteil, den die Euro-Einführung ursprünglich im Vergleich zur Schweiz ausgelöst hat, wieder verloren gegangen. Ursprünglich war ja der Euro für viele Länder vorteilhaft, weil er niedrige Zinsen gebracht hat. Jedoch wurden diese in vielen Ländern nicht für Investitionen genutzt (mit denen man die Rückzahlung finanzieren hätte können), sondern für Konsumausgaben.
Die Schweiz hat ihren Wachstums- und Wohlstandsgewinn während der letzten Jahre nicht durch höhere Staatsausgaben oder Verschuldung oder billiges Geld erzielt. Was ja nach der Ansicht von gewerkschaftsnahen Ökonomen die einzigen Wege zu Wachstum wären. Sie hat vielmehr in diesem Zeitraum Staatsausgabenquote wie auch Schulden deutlich zurückschrauben können. Letztere sank (im Zeitraum 2002 bis 2010) etwa von 68 auf 54 Prozent.
Die Ökonomen sehen auch über die Schweiz hinaus eine enge Korrelation zwischen dem Abbau von Schulden und einem steigenden Wachstum. Diese Erkenntnis stellt die einstige Keynesianische Theorie weitgehend auf den Kopf, die zu immer mehr Schulden geführt hatte.
In Österreich hingegen steigt trotz dieser Erkenntnisse die Ausgabenquote weiter an. Das Land hat in den guten Konjunkturjahren 2009/10 fast als einziges Euro-Land die Ausgabenquote sogar gesteigert. Auch für die Zukunft schaut es trotz eines angeblichen Sparpakets nicht gut aus. Während die EU eine alljährliche Reduktion des strukturellen Budgetdefizits um 0,75 Prozent verlangt, reduziert Österreich dieses strukturelle Defizit nur um 0,4 Prozent des BIP (Bei der Berechnung eines strukturellen Defizits werden Konjunktur-Effekte herausgerechnet).
Die proMarktwirtschaft-Ökonomen sehen eine jährliche Defizitreduktion von sogar 1 Prozent als leicht möglich an. Alleine in den drei Bereichen Gesundheit (zB.: zu viele Akutbetten, zu viele und medizinisch noch dazu schlechte Kleinspitäler), Pensionen (ein viel zu niedriges Antrittsalter) und Förderungen wäre das Defizit problemlos um sechs Prozentpunkte reduzierbar. In all diesen drei Bereichen ist Österreich weit ausgabenfreudiger als die anderen europäischen Länder. Dabei geht es hier durchwegs um Ausgaben, die nicht wachstumsfördernd sind.
Die Daten der Ökonomen widerlegen noch weitere häufig wiederholte Glaubenssätze der österreichischen Debatte. So wird oft behauptet, die Bankenrettungen seien die Hauptursache der angewachsenen Schulden. Dabei macht das ganze Bankenrettungspaket nur maximal 5 Prozent des BIP aus – dies aber nur im Fall, dass das Paket ganz ausgeschöpft wird und keine Gelder für die Partizipationsscheine zurückfließen. Was jedoch als absolutes Worst-Case-Szenario gilt.
Bereits Tatsache ist jedoch, dass die Krise das Defizit um rund 15 Prozentpunkte ansteigen hat lassen. Und der allergrößte Teil der rund 73 Prozent Staatsschulden, die Österreich heute so drücken, ist ja überhaupt in den Jahren vor der Krise, also ganz ohne Bankenrettungen entstanden.
Aber auch diese 73 Prozent sind nur ein kleiner Teil der Wahrheit: Schon im übernächsten Jahr kommen weitere 4,5 Prozent durch derzeit noch in ausgelagerten Gesellschaften versteckte Schulden hinzu. Die wirkliche – nur selten öffentlich angesprochene – Katastrophe ist aber die implizite Staatsverschuldung. Zu deren Berechnung werden auch all jene Verpflichtungen dazugerechnet, die der Staat jetzt schon eingegangen ist: etwa die künftig auszuzahlenden, aber heute schon bestehenden Zahlungsverpflichtungen für Pensionen, für den öffentlichen Dienst und die Folgen der demographischen Entwicklung.
Helmenstein berichtet von einer neuen deutschen Studie, dass diese implizite Verschuldung in Österreich bereits über 297 Prozent liegt. Zwar sind auch in anderen Staaten solche implizite Schulden aufzufinden. Aber sie liegen etwa in Deutschland um rund hundert Prozentpunkte niedriger als in der Alpenrepublik. Daher ist ein weiterer Verlust der österreichischen Kreditwürdigkeit, ein neuerliches „Downgrading“ wahrscheinlicher als eine Rückkehr zum Triple-A.
Auch die Klagen mancher Politiker über die Preissteigerungen der „Wirtschaft“ sind überaus heuchlerisch: Während die gesamte Inflation in Österreich im Schnitt des letzten Jahrzehnt 1,9 Prozent ausgemacht hat, sind die (politisch) administrierten Preise um 2,65 Prozent gestiegen. Das heißt: Die Politik selber ist der größte Preistreiber.
Selbst die einstige sozialdemokratische Vorbild-Region Skandinavien ist kein Exempel mehr für die Politik der österreichischen Regierungen (vor allem der besonders ausgabenfreudigen Landesregierungen), um ihre Schulden- und Ausgabenfreudigkeit zu rechtfertigen. Schweden etwa hat als einziger EU-Staat derzeit ein ausgeglichenes Budget, kann sich daher zum Unterschied von Österreich sein noch immer recht hohes Ausgabenniveau leisten. Es hat aber auch seine Ausgabenquote um nicht weniger als 4,7 Prozentpunkte reduziert. Während eben Österreich diese Quote steigert.
Mit anderen Worten: Die Politik tut alles, damit sich die Krise recht bald in noch gesteigertem Umfang wiederholt.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.