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Und dann werden sie plötzlich krank

Man hat ja ein schlechtes Gewissen, wenn man kritisch über Invaliditäts-Pensionisten schreibt oder auch nur denkt. Denn zu diesen zählen ja viele Menschen, die körperlich oder geistig schwer leiden, die zu keiner Arbeit imstande sind. Sie verdienen unser ganzes Mitgefühl. Auch wenn sich dieses Mitgefühl dort schon ein wenig reduziert, wo die Arbeitsunfähigkeit auf eigenes Verschulden zurückgehen dürfte, also meist auf Drogen- und Alkoholmissbrauch.

Aber auch diese (mit)schuldigen Kranken wollen wir ja nicht verkommen lassen. Das würde unserer humanitären Kultur widersprechen. Unser Mitgefühl und damit die Pensionskassen werden jedoch von einer weiteren großen Gruppe noch viel stärker missbraucht: von jenen, die keineswegs so krank sind, dass sie arbeitsunfähig wären. Ein starker Beweis für die Größe dieser Gruppe ist etwa die Statistik, die in jüngster Zeit ein plötzliches starkes Ansteigen von Invalidenpensionen zeigt – genau zu dem Zeitpunkt, da der Zugang zu anderen Frühpensions-Arten schwieriger geworden ist. Inzwischen geht schon jeder dritte wegen „Invalidität“ in die Pension.

Ein anderer Beweis sind die Krankenstände, die für Österreich weitestgehend im grünen Bereich liegen. Die Krankheiten der Arbeitnehmer nehmen leicht ab (und die Selbständigen sind sowieso ein Wunder an Gesundheit). Kaum aber ist der 50. Geburtstag vorbei und bei vielen der Traum von der großen Karriere ausgeträumt, wird das Thema Frühpension interessant. Sofort verschlechtert sich der Gesundheitszustand dramatisch.

Diese zwei Indizien beweisen einen verbreiteten Missbrauch der Invaliditätspension. Ein weiteres Faktum tut das noch mehr. Das ist die rapide Zunahme von frühen Pensionierungen unter dem Titel psychischer Erkrankungen. Zuletzt waren das schon 32 Prozent aller neuen Invaliden, während es 2004 von insgesamt viel weniger I-Pensionisten bloße 24 Prozent waren.

Noch frappierender: Die Mehrzahl dieser psychisch „kranken“ Invaliditätspensionisten ist vorher kein einziges Mal wegen psychischer Erkrankungen im Krankenstand gewesen. Der Verdacht liegt mehr als nahe, dass solche Krankheitsbilder nur zum Zweck des Pensionsantritts erfunden und vorgeschützt werden, weil sie sich sehr schwer nachweisen lassen.

Dies gilt vor allem dann, wenn man auf gutwillige Ärzte trifft. So sind in der Steiermark zuletzt mehr als doppelt so viele Menschen mit psychischen Attesten in die Frühpension gegangen wie in Niederösterreich. Und es gibt eigentlich keine Beweise, dass Schilcher oder Sauvignon Blanc für die Psyche schädlicher wären als der Grüne Veltliner.

Was tun? Nun, vieles wäre möglich: Strengere Untersuchungen, nur befristete I-Pensionen, Rückzahlungspflichten für pfuschende „Invalide“, mehr Kontrollen, Umschulung von körperlichen Tätigkeiten hin zu sitzenden Berufen statt Pension. Das ist alles nicht unsozial, sondern macht es leichter, den wirklich Kranken gut zu helfen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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