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Schwänzen und Schwindeln: die linke Schwundgesellschaft

Werner Faymann offenbart in seiner Schlichtheit das Grunddilemma der heutigen Sozialdemokratie. Das passiert ihm gerade dann, wenn er unvorbereitet über scheinbar marginale Dinge reden muss wie das Schuleschwänzen. Weltfremde und ahnungslose Träumereien entpuppen sich als die zentrale Weltanschauung der Linken des 21. Jahrhunderts.

Da hat der schwarze Staatssekretär Sebastian Kurz einen Vorschlag gemacht (und blau-orange Zustimmung gefunden): Man solle den gesetzlichen Strafrahmen drastisch erhöhen, wenn sich Eltern absolut nicht um den Schulbesuch ihrer Kinder kümmern. Und was antwortet Faymann? Schon bisher sei die niedrige Höchststrafe fast nie ausgeschöpft worden.

Mit dieser Antwort zeigt der ehemalige Jusstudent (der freilich keine einzige Prüfung absolviert haben dürfte, jedenfalls jede Auskunft zu seinem Studienerfolg verweigert), wie wenig er von Gesetzen und deren Anwendung versteht: Denn Höchststrafen sollen natürlich immer nur dann verhängt werden, wenn das Delikt unter besonders üblen Begleitumständen begangen worden ist. Beispielsweise wenn es um einen Wiederholungstäter geht, wenn zahllose Bitten, Mahnungen und Aufforderungen ignoriert worden sind (etwa weil sie von einem weiblichen Lehrer kommen), doch den Sprössling regelmäßig zur Schule zu schicken. Dann und natürlich nur dann ist die Höchststrafe fällig, egal ob sie nun 220, 440 oder 1500 Euro beträgt.

Noch bezeichnender aber sind die roten Gegenvorschläge: Man müsse zuerst die Motive des Schulschwänzens erforschen. Ach wie rührend! Vielleicht redet Faymann halt wenigstens ein einziges Mal mit Lehrern über die Probleme in den Schulen und nicht nur mit seinem Parteigenossen Androsch und dessen Zechkumpanen. Dann könnte er dem Steuerzahler teure und langwierige Studien ersparen.

Freilich bergen solche Gespräche eine Gefahr: Die Lehrer könnten ja wissen, worum es geht, und das könnte sich von den Wachträumen linker Kuschelpädagogik ziemlich unterscheiden.

Die Motive des Schulschwänzens sind Hunderte Male analysiert worden. Sie finden sich in dem Umstand, dass speziell pubertierende Burschen phasenweise null Lust auf die Schule haben; dass in einer reizüberfluteten Welt die Frustrationstoleranz gegenüber schlechten Noten steil gesunken ist; dass manche islamische Zuwanderer den Schulbesuch junger Mädchen als verzichtbaren Luxus ansehen; dass manche Eltern heute nicht mehr begreifen, dass es ihre Pflicht ist, den Kindern deren Pflichten klarzumachen; dass der Zeitgeist überhaupt vergessen hat, dass Bürger oder gar auch Kinder im Wohlfahrtsstaat noch ein paar Pflichten haben; dass viele Eltern sich nicht mehr durchsetzen können; dass Erziehung a priori als des Teufels gilt. Gleichzeitig gibt es im wirklichen Leben keine erfolgreichen Erziehungsmodelle (höchstens schwammige Theoretisierereien), die ganz ohne Zwang auskommen. Selbst die einstige antiautoritäre Vorzeigeschule Summerhill ist heute längst wieder ganz auf Disziplin ausgerichtet.

Bei uns hingegen hat man den Lehrern in den letzten Jahrzehnten ein Erziehungsmittel nach dem anderen genommen. In dieser Situation können finanzielle Konsequenzen durchaus ein effizientes Erinnerungsmittel sein. Niemand wird es für sehr sinnvoll halten, wenn statt dessen etwa die Polizei Kinder in die Schule schleppen müsste. Für manche Eltern ist eine Geldstrafe sogar ein hilfreiches Argument, um ihren Sprösslingen Dinge klarmachen zu können.

Aber natürlich geht es nicht mehr nur ums Schulschwänzen, wenn man diese Jugendlichen wirklich retten will. Es geht darum, den Lehrern wieder über den Ruf nach dem Sozial und Psych-Arbeiter hinausgehende Erziehungsmittel unmittelbar in der Klasse in die Hand zu geben. Es geht darum, angesichts versagender Elternhäuser wieder einige Ersatzstrukturen aufzubauen: Dabei geht es um ein Bündel von Konsequenzen, wenn Hausübungen nicht gemacht werden, wenn Lehrer beleidigt werden, wenn Mitschüler gemobbt oder gar verprügelt werden, wenn sonstwie die Schulordnung grob gestört wird. Die linke Standardantwort, das sei ja Rohrstaberlpädagogik kann nur noch Verachtung auslösen – vor allem, weil niemand von Prügelstrafen gesprochen hat, nicht einmal für prügelnde Schüler.

Noch absurder und noch teurer als dieses SPÖ-Geschwurbel, statt angesichts eines klar erkannten Problems zu handeln, wieder einmal einer Gruppe Soziologen einen Motivforschungsauftrag zukommen zu lassen, ist die Idee von Sozialminister Hundstorfer: Er will keine Strafen, sondern jedem Problemjugendlichen gleich einen Coach des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellen. Vielleicht auch noch eine goldene Uhr?

Natürlich darf man objektiverweise auch nicht verschweigen, dass wir es hier wieder einmal mit einem Problem vor allem jugendlicher Migranten zu tun haben. Keineswegs ausschließlich, aber dominant.

Das zeigt eine neue Studie über jene 16- bis 24-jährigen Drop Outs, die weder irgendeiner Ausbildung noch irgendeinem Beruf nachgehen: Bei den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund sind das 5,9 Prozent; bei den im Ausland geborenen beträgt der Anteil hingegen 18,8 Prozent, also mehr als drei Mal so viel. Zum Glück ist das nur eine Minderheit. Zum Glück für Österreich sind diese Prozentsätze in fast allen anderen Ländern höher. Aber das kann kein Grund sein, die wachsende Problematik zu ignorieren. Vielen Ausländerfamilien muss einfach erst klargemacht werden, dass es bei uns Regeln gibt, die einzuhalten sind, die nicht nur unverbindliche Empfehlungen sind. Ein Staat, der sich dem einstigen linken Zeitgeist folgend nur noch repressionsfrei gibt, muss in der Auseinandersetzung mit ganz fremden Kulturen kollabieren.

Die SPÖ-Reaktion beim Thema Schulschwänzen reiht sich aber nahtlos an ihre Stellungnahmen zum Thema Schwindeln. Da hat doch ein Schuldirektor die logische Idee gehabt, während einer Schul- oder Maturaarbeit durch einen Störsender die Kommunikation via Handy nach außen zu unterbinden. Es soll ja nicht ganz selten passieren, dass ein Schüler nur zu solchen Kommunikationszwecken während der Arbeit aufs Klo geht. Und was war die Reaktion der Un-Unterrichtsministerin Schmied auf den Störsender?

Sie hat dem Direktor nicht gegen die Fußangeln der Telekommunikationsgesetze geholfen (also jener Gesetze, die sich die Telekom selber seit Jahrzehnten wünschen und formulieren durfte). Sie hat sich vielmehr über den Direktor empört. Sie hat erklärt, Schummeln würde im Zeitalter der Kompetenzorientierung eh überflüssig (Kompetenzorientierung ist ein bei linken Pädagogen beliebtes Tarnwort dafür, dass Schüler künftig überhaupt nichts mehr lernen müssen). Und selbstverständlich stimmte die SPÖ keiner Novelle zu, die einen lokal und zeitlich eng begrenzten Einsatz von Störsendern mit dem Telekommunikationsrecht kompatibel machen würde.

Die Denkwelt Schmieds, Faymanns und Hundstorfers ist überaus typisch für die geistige Degeneration der Sozialdemokratie. Pflichten und Zwänge sind pfui. Alle sind immer nur Opfer, die man nur ja nicht hart anfassen dürfe. Dabei war diese Partei noch in der Zwischenkriegszeit eine Vorkämpferin von Disziplin, Bildung und Erziehung. Dabei hatte die Partei damals noch das klare Ziel eines ökonomischen Aufstiegs der Arbeiter durch Leistung. Heute ist die Sozialdemokratie hingegen unter dem Einfluss der 68er Bewegung zu einer Interessenvertretung der leistungsabstinenten Wohlfahrtskonsumenten verkommen.

Da sehnt man sich geradezu nach einem Alfred Gusenbauer zurück, der zumindest verbal noch von einer Hochleistungsgesellschaft geträumt hat. Faymann, Schmied und Hundstorfer wissen hingegen wohl nicht einmal mehr, wie man Leistung buchstabiert.

 

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