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Haut die Ungarn! Oder: Mein Gott, Gio!

Erstmals fällt Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn jenseits von Phototerminen auf – und das gleich abgrundtief negativ. Er heult in der ihm eigenen Feigheit mit der Linken mit, indem er als einer von zwei Hauptverantwortlichen Ungarn strafweise die heurigen Kohäsionsgelder kürzt. Das ist ein absoluter Skandal.

Dieser Schritt sei „beispiellos“, lobt sich hingegen die EU-Kommission selber. Womit sie – freilich  in ganz anderer Hinsicht als gemeint – doch wieder recht hat. Denn ihr Vorgehen ist in seiner Einseitigkeit tatsächlich absolut beispiellos.

Niemand in Brüssel kann nämlich die Frage ausreichend beantworten, weshalb Ungarn bestraft wird, Griechenland jedoch nicht. Dabei haben die Griechen länger und intensiver als jedes andere Land gegen die europäischen Defizitregeln gesündigt. Und tun es bis heute. Die ungarischen Sünden werden hingegen von der Kommission selbst nur für die Zukunft geortet; sie vermutet, dass sich die ungarische Defizitreduktion als nicht nachhaltig erweisen dürfte. Was zwar stimmen könnte. Was aber auch mit großer Wahrscheinlichkeit in vielen anderen Ländern stimmen dürfte (etwa auch in Österreich).  Wo jedoch kein EU-Kommissar an solche Maßnahmen denkt.

Die Unrechtsunion

Vor allem aber führen Hahn&Co damit ein ganz neues Rechtsprinzip ein, das die EU wirklich zur Unrechtunion stempelt: Vergangene Verbrechen werden ignoriert, für die Zukunft vermutete hingegen streng bestraft.

Das straffrei davonkommende Griechenland ist sogar das einzige Land, das des schweren Betrugs überführt ist. Es hat ja in breiter Front seit vielen Jahren alle volkswirtschaftlichen Statistiken massiv gefälscht. Ohne dass bisher auch nur ein einziges Strafverfahren gegen einen Verantwortlichen in Gang gekommen wäre!

Während Griechenland Hunderte Milliarden Euro Schaden in ganz Europa anrichtet, musste bisher noch niemand Geld nach Ungarn überweisen. Dieses ist ja kein Euro-Land. Die Ungarn sind selbst die primären Opfer ihrer Schuldenwirtschaft. Und selbst wenn sie demnächst Hilfe brauchen sollten, geht es um viel geringere Summen als in Griechenland. Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass der Raubzug der ungarischen Regierung auf ausländische Banken und andere Investoren, die viel Geld ins Land getragen haben, eine Riesensauerei war und ist. Aber ein Kampf gegen diese Sauerei war ja erklärtermaßen nicht das Motiv der EU-Kommission, sondern nur das erwartete Defizit der Ungarn.

Der Unterschied zwischen der europäischen Reaktion auf Griechenland und jener auf Ungarn ist aber in Wahrheit noch viel skandalöser, als es schon die bisher aufgezeigten Fakten zeigen. Denn während den Ungarn die EU-Gelder gestrichen werden, werden den Griechen Gelder aus den EU-Strukturfonds nachgeworfen, obwohl sie die bisher ehern geltenden Voraussetzungen für den Erhalt solcher Gelder gar nicht mehr erfüllen (können): nämlich die sogenannte Kofinanzierung. Diese heißt, dass im gleichen Maß wie europäische Geld auch nationales in jedes Kofinanzierungs-Projekt fließen muss. Das ist bisher bei jeder EU-Hilfe unabdingbar gewesen. Nicht mehr so bei den Griechen.

Wer kann da noch ernsthaft glauben, dass es in Europa mit gerechten Dingen zugeht? Hinter der scheinheiligen Argumentation der EU-Kommission, dass man durch die Streichung von 495 Millionen ja nur einen „Anreiz“ zu mehr Budgetdisziplin setzen wollte, steckt natürlich reinste Parteipolitik. In Griechenland hat im Zeitpunkt des Kollaps eine sozialistische Regierung amtiert, in Ungarn hingegen eine rechte. Und das ist halt gar nicht erwünscht. Gleichzeitig haben die Ungarn das Pech, das sie – auf Grund eines Beschlusses der linken Vorgängerregierung – noch durch einen Sozialisten in Brüssel vertreten werden, der nunmehr ständig offen gegen das eigene Land intrigiert.

Feinster Zynismus Brüsseler Art

Die Kommission setzt ihrer durch nichts zu rechtfertigenden Aktion noch einen Zynismus sondergleichen drauf: Man tue den Schritt „zum Wohle der ungarischen Bevölkerung“. Eh klar: Eine rechte Regierung kann ja a priori niemals zum Wohle der Bevölkerung sein . . .

Die bürgerlichen EU-Kommissare wie Hahn sind offensichtlich zu wenig intelligent, um das Spiel zu durchschauen. Kommissionspräsident Barroso ist froh, wenn von Portugal abgelenkt wird. Die Luxemburger Kommissarin ist zwar christlichsozial, aber linker als Dschingis Khan. Der von der CDU entsandte Mann ist höchstens grenzintelligent. Und alle zusammen fürchten sich vor dem von Roten, Grünen und Linksliberalen beherrschten EU-Parlament. Denn von dort aus versucht die Linke, generalstabsmäßig Revanche für die schwerste Wahlniederlage zu nehmen, die sie seit Jahrzehnten in einem europäischen Land erlitten hat.

Damit kein Missverständnis entsteht: Das Tagebuch findet die Wirtschaftspolitik dieser ungarischen Regierung genauso wie die ihrer Vorgänger katastrophal und zutiefst unseriös. In einer Wirtschaftsunion darf und soll man darauf auch sehr ernsthaft reagieren. Aber bitte gerecht, also nicht nur bei rechten Regierungen. Und zuerst bei jenen Ländern, deren Misswirtschaft für die Miteuropäer den größten Schaden anrichtet.

Gerechtigkeit heißt nämlich: Gleiches gleich behandeln und Ungleiches ungleich. Das aber haben die in Brüssel regierenden Dummköpfe und Intriganten längst vergessen.

Im Schatten Ungarns: das nächste Griechenland-Debakel

Fast unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit erleidet die EU übrigens gerade rund um die nächste Griechenland-Hilfslieferung auch schon das nächste Debakel. Bei den angeblich abgeschlossenen Verhandlungen wurde zur Besänftigung der erregten Bürger Deutschlands groß verkündet, dass Griechenland künftige Steuereinnahmen auf ein Sperrkonto einzahlen werde. Dadurch könne ein Teil der Steuergelder immer zur Befriedigung der Gläubiger verwendet werden. Das werde so in der griechischen Verfassung verankert.

Die schlichten Europäer haben nur übersehen, dass eine Verfassungsänderung in Griechenland rechtlich so schwierig ist, dass ein Beschluss eines solchen Sperrkontos viele Jahre dauern wird. Gleichzeitig spricht aber alles dafür, dass bei den bevorstehenden griechischen Wahlen radikale Parteien triumphieren werden, die sich in keiner Weise den Abmachungen mit Europa verpflichtet fühlen. Tut nichts, die Hunderten Milliarden fließen dennoch.

Viel spricht dafür, dass auch ein weiterer Teil der Abmachungen nicht halten wird: Die privaten Gläubiger werden wahrscheinlich keineswegs in ausreichender Mehrheit der „Freiwilligkeit“ eines Verzichts auf 70 Prozent ihrer Ansprüche gegen Athen zustimmen.

Denn viele von ihnen sind (durch „Credit Default Swaps“) gegen einen Staatsbankrott gut versichert, bei einem freiwilligen Verzicht würden die Versicherer, meist Banken hingegen nichts zahlen. Daher wird das ganze von manchen seltsamerweise noch immer bejubelte Griechenland-Paket nicht so funktionieren können wie beschlossen. Tut nichts, die Hunderten Milliarden fließen dennoch. Und wenn dann noch immer Geld fehlt (was sicher der Fall ist), wird man dieses halt mit einem weiteren Trick von der Zentralbank holen.

Aber während Kommission, Regierungschefs, Zentralbank, Finanzminister solcherart weiter miese tricksen, bestrafen sie jedenfalls einmal ordentlich die Ungarn.

Maria Fekter könnte übrigens nach diversen Enttäuschungen der letzten Wochen berühmt werden. Dazu müsste sie es nur wagen, in der noch fälligen Abstimmung der EU-Finanzminister über den Ungarn-Beschluss der Kommission Nein zu sagen. Bei dieser Abstimmung kann sie im Gegensatz zum Sparpaket die SPÖ-Linie de facto relativ leicht ignorieren. Ich wette dennoch: Fekter wird nicht berühmt.

 

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