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Ein Sparpaket mit drei Alias-Namen und noch mehr Rätseln

Wer geglaubt hat, SPÖ und ÖVP hätten über ein Sparpaket Übereinstimmung erzielt und das mit Schrift und Siegel fixiert, der sollte genauer hinschauen: Denn auf den Homepages von Bundeskanzleramt, Finanzministerium, ÖVP und SPÖ finden sich merkwürdig unterschiedliche Darstellungen, obwohl es angeblich um ein- und dieselbe Vereinbarungen geht. Und nirgendwo wird klar, was davon das Original sein könnte.

Bei ÖVP und Finanzministerium ist der scheinbare Text des Pakets am kürzesten wiedergegeben. Dort fehlen oft hilfreiche Erläuterungen, aber auch die bei der SPÖ und im Kanzleramt sehr beliebte politische Lyrik, also der propagandistischen Schwulst. Die SPÖ selbst stellt das Paket am längsten und am begeistertsten dar.

Noch auffallender sind die inhaltlichen Unterschiede.

Sogar das Wichtigste, der Name des Pakets lautet überall total anders. Ist dieses bei der SPÖ „Stabilitätspaket 2012-2016“ getauft, so heißt es beim Bundeskanzleramt hingegen „Konsolidierungspaket 2012-2016“, und bei ÖVP sowie Finanzministerium „Reformpaket“.

Seltsam. Wie sollen wir dieser Koalition glauben, dass da inhaltlich jetzt alles klar geregelt wäre, wenn sie nicht einmal über die Überschrift einen Konsens erzielen konnte? Nur eine Bezeichnung taucht nirgendwo auf, obwohl es die in der Bevölkerung verbreitetste ist: Sparpaket. Was allerdings eine Fehlbezeichnung ist. Denn sachlich wäre die einzige richtige, wenn auch etwas langatmige Bezeichnung: „Belastungs- statt Reform-Paket, das leider nur eine sehr kaum wahrnehmbare Reduktion der Staatsschuld bringt“.

Was wollen uns insbesondere die beiden von dem selben Chef geleiteten roten Firmen mit diesen Unterschieden in der Betitelung sagen? Dass bei der Sozialdemokratie derzeit Schizophrenie angesagt ist? Dass Laura und Josef ihren Gebieter nun zu einem Werner Vielseitig machen wollen? Oder tobt da ein heimlicher Kampf, wo denn die besseren Spin Doctoren sitzen?

Auch die politische Lyrik der roten Paketsversionen hat ihre auffallend Unterschiede: Die SPÖ nennt gleich am Beginn als erstes durch das Paket verwirklichte Prinzip „Gerechte Einnahmen“ und betont: „ohne Verkauf von Staatseigentum“. Das Kanzleramt ist hingegen deutlich ehrlicher und schreibt im ansonsten wortgleichen Text statt von „gerechten“ von „zusätzlichen Einnahmen“ und erwähnt interessanterweise den von der SPÖ zum Kernstück gemachten Nichtverkauf von Staatseigentum mit keiner Silbe.

Die SPÖ ergänzte hingegen an anderer Stelle den ohnedies schon sehr propagandistisch gehaltenen Text des Kanzleramtes durch den Satz: „Jene, die mehr leisten können, leisten auch mehr.“ Das hat das Kanzleramt – wieder: ehrlicherweise – weggelassen. Während man viele andere ohne Rücksicht auf das Leistungskönnen abcasht, bleiben ja potentielle Frauen- und Hacklerpensionisten völlig unberührt, obwohl viele von ihnen ohne Probleme länger arbeiten könnten.

Eine andere Spur der roten Spin Doctoren zeigen die Zahlenangaben. Die roten Quellen nennen praktisch immer nur die bis 2016 akkumulierten Zahlen der Einsparung. Was das Sparvolumen als viel eindrucksvoller erscheinen lässt, als es in Wahrheit ist. In diesem Punkt ist es das Finanzministerium, das trotz des dort viel knapperen Umfangs ehrlicher ist. Es nennt die Zahlen nämlich jährlich aufgeschlüsselt.

Das Finanzministerium setzt aber auch eine erstaunliche Zwischenüberschrift: „Anhebung der Anspruchsvoraussetzungen in der Korridorpension und Hacklerregelung“. Das ist merkwürdig, denn von der Hacklerregelung steht nichts in dem Papier. An dieser wird ja durch die wochenlange Faymann-Spindelegger-Brüterei gar nichts verändert.

Einzige mögliche Erklärung, wie es zu dieser Überschrift gekommen sein könnte: Hier stand offenbar bis knapp vor Verhandlungsschluss noch deutlich mehr Inhalt, nämlich auch eine echte Redimensionierung der Hacklerregelung. Diese dürfte einer der Hämmer gewesen sein, von denen Spindelegger noch vor 14 Tagen als Teil des Sparpakets geglaubt hat. Anscheinend wurde auf eine Korrektur der Überschrift vergessen, nachdem Faymann seinem Vize im letzten Augenblick die Reform-Hämmer wieder geräuschlos entwunden hatte.

Interessant ist etwa auch die Darstellung der mehr oder weniger einzigen echten strukturellen Reform durch das Paket, nämlich der Abschaffung der Parallelrechnung im Pensionssystem: Das Finanzministerium meldet die jährlichen Zahlen, das Kanzleramt berichtet zumindest den bis 1916 akkumulierten Wert der Einsparungen von 123 Millionen. Die sonst durchaus zahlenfreudige SPÖ hingegen nennt hier plötzlich keine Zahlen, sondern schreibt nur: „geringfügige Einsparung bis 2016“. Glaubt sie den Zahlen nicht oder geniert sie sich selbst, wie wenig diese hochgerühmte Strukturreform eigentlich bringt – vor allem im Verhältnis zu den als „Einsparung“ verkündeten Beitragserhöhungen?

Dafür bringt die SPÖ dankenswerterweise einen Vergleich, den die drei anderen Paket-Darstellungen feige vermieden haben: Sie vergleicht die Auswirkungen der gesamten „Konsolidierung“ auf die Staatsschuld mit den bisherigen Planungen für das Jahtr 2015 (für 2016 gibt es keinen alten Vergleichswert). Da liest man: Ohne Paket hätte Österreich im Jahr 2015 laut dem bisherigen Finanzrahmengesetz eine Schuldenquote von 74,4 Prozent gehabt. Als Folge einer kompletten Budgetumsetzung wird diese Quote hingegen „nur“ 73,1 Prozent betragen.

Das sind also ganze 1,3 Prozent BIP Unterschied. Das ist ungefähr die Dimension des Schätzfehlers zwischen der ersten Voraussage des Wifo und der späteren wirklichen Konjunkturentwicklung. Das sind 1,3 Prozent als Ergebnis des angeblich größten Sparpakets der österreichischen Geschichte, seit der zweite Turm der Wiener Stephanskirche eingespart worden ist.

Ob einer so gewaltigen Sparleistung wird Moody’s zweifellos seine Österreich-Bewertung sofort von „negativ“ auf „allerpositivst“ ändern. Und Standard & Poor's wird der Alpenrepublik wegen in sein Bewertungsschema erstmals ein viertes A einfügen.

PS.: Je mehr Details man liest, umso rätselhafter wird dieses Verhandlungsergebnis auch in anderen Zusammenhängen: Warum etwa ist ausgerechnet der Sport, nicht jedoch die Justiz von der Kürzung der Ermessensausgaben befreit worden? Warum gibt es die einzige Steuersenkung ausgerechnet für Immobilienspekulanten, die nur kaufen, um bald wieder zu verkaufen? Warum glaubt die Bundesregierung, ohne irgendeine Sicherheitsgarantie zu haben, den Bundesländern, dass diese fünf Milliarden  einsparen werden und gibt den Ländern im Gegenzug noch dazu jede Menge zusätzliche Rechte? Hat sie vergessen, dass diese Länder 2010 die damals geltende Defizitgrenze (ebenfalls) um fünf Milliarden überschritten haben, ohne damals auch nur zumindest schlechtes Gewissen zu zeigen? Will sich die Regierung endgültig als Trüppchen armer Hascherl an den Fäden des Wiener Rathauses und St. Pöltens erweisen?

 

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