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Nach dem Europarat hat sich auch der österreichische Bundespräsident laut gegen Korruption und für „saubere Hände“ ausgesprochen. Dem kann man nur ebenso laut zustimmen – freilich unter einer Bedingung: Sofern bei der Sorge um die Sauberkeit nicht nur ein- und blauäugig gehandelt wird. Denn wer nur bestimmte Teile der Korruption ins Visier nimmt, will offensichtlich andere, genau so üble Formen der politischen Gaunerei decken. Korruption ist aber für Staat und Bürger immer gleich problematisch und schädlich. Nur steht seltsamerweise oft die eine Form im Licht, alle anderen aber nicht.
Bei der lautstark diskutierten Variante der Korruption geht es darum, dass jemand bei der Ausübung seiner politischen Macht die Hand aufhält – zu seinen persönlichen Gunsten oder denen seiner Partei. Das geschieht beispielsweise, wenn ein Abgeordneter Gegenleistungen verlangt, damit bestimmte Gesetze im Nationalrat oder EU-Parlament erlassen werden. Oder wenn der Mitarbeiter eines Ministers beim Beschluss einer Förderung aus Steuermitteln zu einer Parteispende „ermuntert“.
Aber selbst diese Untergruppe der Korruption ist merkwürdigerweise nicht immer strafbar. Was der erste himmelschreiende Skandal ist. Die kriminelle Energie ist nämlich in allen Fällen die selbe. Und sie sollte daher auch immer mit derselben Energie der Justiz bekämpft werden.
Es darf doch keinen Unterschied geben, ob die unsittliche Geldannahme an Menschen in einer Regierungsfunktion, im EU-Parlament oder im österreichischen erfolgt. Es darf auch keinen Unterschied machen, ob das Geld dem Abgeordneten/Minister persönlich oder „nur“ seiner Partei zufließt. Dazwischen darf man schon deshalb keinen Unterschied machen, weil es ja immer einem Politiker auch persönlich zugutekommt, wenn er für einen Geldfluss in die Parteikasse sorgt: Das fördert seine Karriere, sein Standing in der Partei und seine Chancen in einem Wahlkampf. Und damit wird zumindest mittelfristig auch wieder sein ganz persönliches Einkommen gefördert.
Es darf aber auch keinen Unterschied machen, ob der Geldfluss an einen Politiker (oder Beamten) von einer Einzelperson, einem Unternehmen oder einer organisierten Interessenvertretung kommt. Ebensowenig darf es einen Unterschied machen, ob direkt ein Geldbetrag fließt oder „nur“ eine geldeswerte Leistung, etwa die billige Durchführung einer Dienstleistung für eine Partei oder die Anstellung eines Parteimannes durch einen parteifremden „Arbeitgeber“. Genauso muss es bei der rechtlichen und moralischen Beurteilung egal sein, ob das Geld direkt fließt oder über einen Lobbyisten, über eine gesetzliche Organisation mit Pflichtmitgliedern oder über einen freiwilligen Verein.
In jedem Fall sollte es verboten sein, dass Gesetzgebung oder Verwaltung zugunsten bestimmter Interessen beeinflusst werden, die im Hintergrund Geld fließen lassen. Wenn solche Einflussnahme stattfindet, zählt ja nicht mehr primär die Logik eines Argumentes, zählt nicht mehr das Staatsinteresse, sondern die Abhängigkeit von äußeren Ein- und Geldflüssen. Das führt zwangsläufig zu schlechteren Entscheidungen. Egal ob in der Exekutive oder Legislative – und von der Justiz wollen wir gar nicht erst reden.
Dennoch ist klar: Diese Abhängigkeit von einflussnehmenden Geldflüssen ist in jeder Partei groß. Das hat man etwa gesehen, als die Gewerkschaft Alfred Gusenbauer hängengelassen hat oder als (ausgerechnet) die niederösterreichische ÖVP Erwin Prölls der Bundes-ÖVP des Josef Pröll die Gelder gestrichen hat.
Freilich lässt es sich nur in der Theorie leicht postulieren, dass die Politik auf jeden Abhängigkeit schaffenden Geldfluss verzichten muss. Denn sie steht in einem dramatischen Dilemma: Politische Arbeit kostet sehr viel Geld, wenn sie erfolgreich sein will. Für Plakate, für Veranstaltungen, für Parteiangestellte, für Büros, für Bürgerservice-Strukturen, für Experten, die Programme erarbeiten und Politiker beraten. Und so weiter.
Die unbeantwortete und dennoch zentrale Frage ist: Wie kann sich das alles auf sauberem Weg finanzieren? Die traurige Erkenntnis: Es gibt in fast keinem Land eine saubere Lösung.
Fast überall gibt es regelmäßig Skandale und verbotene Geldflüsse. Egal, ob die Gesetze streng wie in Deutschland oder Amerika oder lax wie in Österreich sind. Politiker und Parteien brauchen Geld wie Pflanzen Wasser und Licht; und unternehmerische oder gewerkschaftliche oder regionale Interessen brauchen vorteilhafte politische Entscheidungen, die ihnen viel Geld wert sind. Daher spenden in Amerika große Firmen in Wahlkämpfen oft beiden Parteien, um dann jedenfalls Ansprüche stellen zu können. In legaler wie illegaler Form.
Dennoch sind diese Formen der Korruption noch die relativ(!!) harmloseren. Noch viel schlimmer ist die umgekehrte Form der Korruption. Die besteht darin, dass sich die Parteien ihre Arbeit nicht von Bürgern und Lobbies, von Gewerkschaften und Unternehmen finanzieren lassen, sondern gleich selbst in die Staatskasse greifen, um aus dieser die eigene Parteiarbeit zu bezahlen.
Warum etwa mühsam Geld für Inserate in den Zeitungen sammeln, wenn man diese Inserate auch aus öffentlichen Kassen zahlen kann? Warum mühsam unabhängige Journalisten von den eigenen Positionen überzeugen, wenn man in einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Machthaber gleich direkt die eigenen Gefolgsleute positionieren kann? Warum mühsam eigene Parteizeitungen finanzieren, wenn man die Verleger „unabhängiger“ Medien durch eine Flut von Inseraten, die man mit Steuer- und Gebührengelder bezahlt, wirtschaftlich total abhängig machen kann? Warum mühsam Geld zur Bezahlung von Parteimitarbeitern sammeln, wenn man die alle gleich direkt anstellen kann – etwa bei der Stadt Paris oder den ÖBB?
Mit diesen zwei Beispielen ist auch daran erinnert, dass es Korruption in vielen Ländern gibt. Freilich zeigen sich genau bei diesem internationalen Vergleich dramatische Unterschiede: In Frankreich ist immerhin sogar der Ex-Staatspräsident Jacques Chirac strafrechtlich verurteilt worden, weil er einst als Pariser Bürgermeister Parteimitarbeiter durch die Gemeinde zahlen hat lassen. In Österreich hingegen ist solches offensichtlich auch heute noch problemlos möglich.
Ja, es gibt nicht einmal eine Diskussion in den Medien zu diesem Aspekt. Und es gibt nicht einmal den Versuch der Staatsanwaltschaft, beispielsweise die ÖBB-Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dass sie einen Herrn Pelinka ausschließlich im Interesse seiner Tätigkeit für die Partei pro forma angestellt haben. In der österreichischen Staatsanwaltschaft sind ja die wichtigsten Verantwortlichen selbst Mitglieder im Bund Sozialistischer Akademiker, statt dass sie als Mitarbeiter einer eigentlich zur Unabhängigkeit verpflichteten Justiz jeden Anschein einer Parteinähe zu meiden versuchen.
Sehr unterschiedlich ist auch die Reaktion einzelner Betroffener. In Kärnten ist nun der schwarze Landesrat Martinz – nach viel zu langem Zögern – zurückgetreten, weil gegen ihn ein strafrechtliches Vorverfahren läuft: Er steht im konkreten Verdacht, einem Gutachter aus öffentlichen Kassen ein deutlich überhöhtes Honorar bezahlt zu haben, mit dem mutmaßlich anderwärtige Leistungen dieses Gutachters gedeckt worden sind. Andere politische Funktionen gibt Martinz jedoch merkwürdigerweise nicht ab.
Die Herren Faymann und Ostermayer denken nicht einmal daran zurückzutreten, obwohl gegen sie ebenfalls strafrechtliche Erhebungen aus einem ganz ähnlichen Grund in Gange sind. Und ein anderer Kärntner, der abwechselnd orange-blaue Uwe Scheuch, denkt ebenfalls nicht an Rücktritt, obwohl er sogar schon in erster Instanz verurteilt worden ist.
Die Korruption ist eine grausliche Krake. Im Sinne von Demokratie und Rechtsstaat muss, müsste ein ständiger Kampf gegen sie geführt werden. In Österreich aber wird nicht gekämpft. Ja selbst die verbalen Kämpfer interessieren sich immer nur für einen sehr kleinen, sehr selektiven Ausschnitt daraus. Deshalb rutscht das Land bei internationalen Rankings ständig immer weiter zurück.
Der Antikorruptionskampf gegen die Strassers, Scheuchs und Meischbergers (gegen die ausreichende Beweise vorliegen dürften) oder gegen die Grassers (gegen den freilich noch immer keine harten Beweise gefunden sein dürften) sind absolut notwendig. Diese Kämpfe dürften die Justiz aber keine Sekunde davon abhalten, auch gegen die anderen Formen der Korruption energisch vorzugehen: Gegen die Kerns etwa (der ÖBB-General hat den SPÖ-Drahtzieher Pelinka einzig und allein dafür angestellt, damit er weiter für die Partei arbeiten kann); oder gegen die Faymanns (dieser hat einst als Stadtrat auf Kosten der Steuerzahler im „News“-Tower der Gebrüder Fellner Gemeinde-Büros zu weit überhöhten Preisen angemietet; er hat auch die ÖBB gezwungen, serienweise überflüssige Inserate in der Kronenzeitung zu schalten).
Zum Unterschied vom Fall Grasser müsste man in diesen Fällen gar nicht quälend lange warten, bis man an Liechtensteiner und Schweizer Akten herankommt. Die Beweise liegen offen auf dem Tisch. Was französische Staatsanwälte geschafft hatten, könnten daher auch österreichische schaffen.
Niemand darf mit ehrlichem Gewissen über Korruptionsbekämpfung reden, der nicht auch über diese Fälle spricht. Wer das nicht tut, ist entweder ziemlich dumm oder grenzenlos feige oder selbst „Part of the game“. Wenn es in Österreich bei dieser Einäugigkeit der Korruptionsbekämpfung bleiben sollte, dann geht der Republik nicht nur an den Anleihemärkten, sondern auch an den moralischen Märkten jede Kreditwürdigkeit verloren.