Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Der geliehene und der gekettete Beamte

Michael Spindelegger verlangte zum Jahresbeginn einen totalen Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst. Das ist total super. Wenn es ernst zu nehmen wäre. Denn längst hat man in diesem „Dienst“ (Dienst?) riesige – bekannte und geheime – Hintertüren aufgetan, sodass viele Beamte über einen (neuerlichen) Aufnahmestopp nur lachen.

Dass ein solcher an sich eine sinnvolle Maßnahme wäre, braucht man wohl nicht lange zu beweisen. Der Aufnahmestopp müsste freilich jedenfalls nicht nur den Bund, sondern auch die Länder erfassen, wo es vor allem in den östlichen Bundesländern viel zu viele Landesdiener gibt. Und wo viel zu viele völlig überflüssige Regelungen zu vollziehen sind.

Und selbst wenn einmal eine bestimmte Tätigkeit dieses öffentlichen Dienstes wirklich wichtig und daher die Besetzung eines leerstehenden Postens dringend notwendig wäre, gäbe es eine Lösung. Dabei wäre auch in diesen Fällen auf Jahre hinaus niemand neu aufzunehmen: Denn beim Bundesheer, bei der Post oder der Telekom sitzen noch ganze Heerscharen unkündbarer Staatsdiener. Was spricht eigentlich dagegen, raschest ein neues Verfassungsgesetz zu erlassen, damit diese Damen und Herren wieder etwas Sinnvolles tun können beziehungsweise müssen? Und falls sie dazu unfähig oder unwillig sein sollten, sollte es dieses Verfassungsgesetz gleich auch ermöglichen, sie unter Mitnahme einer Abfertigung ans Arbeitsmarkt-Service weiterzuleiten. Das wäre eine der allersinnvollsten Sparmaßnahmen – wenn auch alle Hintertüren geschlossen würden.

Der öffentliche Dienst hat nämlich schon längst andere Strategien gefunden, einen solchen – ja in den letzten Jahren schon mehrfach verkündeten – Aufnahmestopp zu umgehen. Bekannt ist der Trick mit den Ausgliederungen: Indem bisher beamtete Tätigkeiten von einer formal privatwirtschaftlichen Gesellschaft erledigt werden (die aber ganz zufällig dem Staat gehört), hat der öffentliche Dienst zwar in der Tat viele Mitarbeiter verloren. Diese waren dann aber allesamt wieder über die Budgets staatseigener GmbH zu bezahlen. Von den insgesamt „abgebauten“ 33.000 Beamtenstellen sind mehr als 23.000 in den letzten elf Jahren einfach in solche Gesellschaften transferiert worden.

Immerhin scheint Spindelegger diese Taktik durchschaut zu haben. Deshalb will er den Aufnahmestopp nun auch auf alle ausgegliederten Gesellschaften angewendet wissen.

Ausgliederungen und heimliche Eingliederungen

Diese Taschenspielerillusion der Ausgliederungen ist aber noch harmlos im Vergleich zu einer zweiten Gegenstrategie gegen einen Dienstpostenabbau. Diese Strategie ist aber von der Öffentlichkeit bisher noch überhaupt nicht durchschaut worden. Nicht einmal der Rechnungshof tut dies. Ihr Kern: In etlichen Ministerien werden eingesparte Dienstposten seit einiger Zeit einfach durch externe Leiharbeitskräfte ersetzt. Diese mietet man von Zeitarbeitsfirmen an und stellt sie bei Nichtbedarf dorthin wieder zurück. Das Entgelt geht dann nicht über das Konto öffentlicher Dienst, sondern über den Sachaufwand.

Ein ziemlich übler Trick. Denn solcherart wird nicht nur die Öffentlichkeit getäuscht. Es wird auch nichts eingespart. Zugleich wird auch der komplette rechtliche Rahmen des öffentlichen Dienstes gesprengt.

Dieser Rahmen ist zwar zweifellos viel zu umfangreich, aber in einigen Kernbereichen durchaus sinnvoll. So haben die Zeitarbeiter mancherorts Zugang zu allen Akten – sie sind aber in keiner Weise an das Amtsgeheimnis gebunden. Zugleich könnte sich bei ihnen etliches Frustpotenzial ansammeln. Werden sie doch vielfach diskriminiert. Das Fehlen eines Dienstausweises etwa klingt harmlos, macht aber oft Probleme. Langfristig besonders demotivierend ist der Umstand, dass diese Zeitarbeiter keine Aufstiegschance haben.

Der öffentliche Dienst verschafft sich damit aber durch die Hintertür einen Pool an Mitarbeitern, der zum Unterschied von Beamten und Vertragsbediensteten ohne Probleme gekündigt werden kann. Statt dass man den Kündigungsschutz im öffentlichen Dienst reduziert (oder zumindest den Versetzungsschutz), wechselt man gleich in die allerhärtesten Arbeitsverhältnisse der Privatwirtschaft.

Der öffentliche Arbeitgeber hat in den letzten Jahren in einem anderen Bereich sogar Praktiken entwickelt, die alle „kapitalistischen Ausbeutungen“ weit übertreffen. Jeder privatwirtschaftliche Arbeitgeber würde vor dem Arbeitsgericht untergehen, wenn er diese Praktiken anwendet. Ihr Kern: Immer öfter werden Lehrer mehrmals hintereinander mit befristeten einjährigen Verträgen engagiert. Das ist normalerweise als ein sogenannter Kettenvertrag streng verboten, dieses Verbot gilt aber offenbar nur bei normal sterblichen Arbeitgebern. Quod licet Iovi, non licet bovi.

Das schafft eine wilde Zweiklassengesellschaft: Die einen sind auch bei großer Unfähigkeit de facto lebenslang zu bezahlen, die anderen verlieren alljährlich ihren Job und müssen um eine Verlängerung bangen. Dabei sind sie alle „Kollegen“. Sie arbeiten Seite an Seite, unterrichten die gleichen Klassen und sitzen in den Lehrerzimmern Seite an Seite.

Die alte Regel hat sich wieder bestätigt: Wenn sich deine Gruppe zu viele – angeblich soziale – Rechte erkämpft, wirkt sich das für eine andere Gruppe sehr unsozial aus.

 

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung