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Jetzt sind die Fronten klar: Der Gewerkschaftsbund hat sich einbetoniert. Damit stehen zwei konfliktscheue Männer vor der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens: Werner Faymann muss sein und Österreichs künftiges Los entscheiden. Und danach trifft eine ähnliche Aufgabe Michael Spindelegger; dieser wird über sein eigenes Überleben und das der ganzen Volkspartei zu entscheiden haben.
Der Gewerkschaftsbund hat während der Weihnachtstage ein klares Njet gegen effiziente Maßnahmen zur Reduktion von Frühpensionen eingelegt. Er ist nicht bereit, wesentlich über die lächerlichen Vorschläge des sogenannten Sozialpartnerpakets hinauszugehen. Laut diesem (rätselhafterweise von der Wirtschaftskammer mitgetragenen) Paket soll ja mehr Geld für Rehabilitation und ähnliches die Zahl der Frühpensionisten signifikant reduzieren können. Dabei hat Österreich schon jetzt eines der am stärksten ausgebauten Gesundheitssysteme der Welt. Die Gewerkschaft lehnt hingegen spürbare Pensionsabschläge für Frühpensionisten total ab, auch wenn dafür im Gegenzug Spätpensionisten Zuschläge bekommen.
Das Verhalten des ÖGB ist in sich logisch. Er ist ein Verein, der primär seinem Selbsterhaltungstrieb folgt. Er fühlt sich nicht fürs Staatsganze verantwortlich. Und natürlich ist es für die Mitgliederzahl der Gewerkschaft und damit deren Überlebenschance positiv, wenn sie sich weiterhin als Institution verkaufen kann, die den Mitgliedern finanzielle Vergünstigungen verschafft. Daher hat sie Null Interesse, einer auch noch so notwendigen Verschlechterung zuzustimmen.
Denn dann würde sie noch mehr Mitglieder verlieren. Sind doch viele ohnedies schon ausgetreten beziehungsweise der Gewerkschaft ferngeblieben. Dies taten vor allem die klügeren Arbeitnehmer, die längst begriffen haben, dass nicht die Gewerkschaft den Wohlstand verschafft, sondern dass dies nur die eigene Leistung und die des Unternehmens tun, in dem man arbeitet.
Das Verhalten des ÖGB gleicht logischerweise vollkommen dem der italienischen und griechischen Gewerkschaften. Auch diese glauben, dadurch ihre Existenzberechtigung verteidigen zu können, dass sie alle Sparmaßnahmen bekämpfen. Dabei ist in diesen Ländern die Lage noch um einen deutlichen Schritt verzweifelter als in Österreich: Ohne für das Ausland glaubwürdige Sparmaßnahmen könnte beispielsweise Griechenland schon im März nicht mehr Beamtengehälter und Pensionen zahlen.
Das ist aber den Gewerkschaften völlig egal. Ihnen geht es nur noch um die eigene Existenz. Ihre gesellschaftliche Rolle ist auf die eines teuren Parasiten geschrumpft, der die unmoralischen Privilegien einer Minderheit verteidigt. Sie bilden aber immer noch einen relevanten Erpressungsfaktor.
Damit steht jetzt Werner Faymann vor einem gewaltigen Dilemma. Während Alfred Gusenbauer einst relativ mutig den Gewerkschaftseinfluss zurückgedrängt hat, hat Faymann seinen parteiinternen Putsch gegen Gusenbauer ja ganz auf die Gewerkschaft aufgebaut (zusammen mit zwei weiteren Stützen, den Dichand-Medien und dem Fellner-Blatt) und sich seither komplett von ÖGB und Arbeiterkammer gängeln lassen.
Ist dieser Mann plötzlich imstande, sich von diesen Abhängigkeiten zu lösen? Wird er doch noch vom Kanzlerdarsteller zum Bundeskanzler? Zumindest einmal? Viele zweifeln, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Als Bundeskanzler müsste er in der Schuldenkrise jedenfalls mit Sicherheit genau das tun, was die Gewerkschaft partout nicht will, was aber sämtliche österreichische wie europäische Experten außerhalb der Gewerkschaft klar sagen (etwa einschließlich der SPÖ-Spitzenbeamten im Sozialministerium): Die Regierung muss jetzt einen raschen und scharfen Schnitt in die Frühpensionen setzen.
Ohne diesen Schnitt kann das Sparpaket nicht funktionieren. Alle anderen derzeit diskutierten Maßnahmen sind dagegen Peanuts. Gleichgültig, ob es bei den vermeintlichen Alternativen um Sparideen oder um neue Steuern oder überhaupt nur ums dumpfe Schimpfen auf „Spekulanten“ und Ratingagenturen geht. Mit nichts davon lässt sich die notwendige Defizitreduktion bewerkstelligen.
Man kann sich ungefähr vorstellen, wie sehr diese Situation jetzt in Faymann Panik auslöst. Er hat ja bisher seine Ämter nur mit einer Mischung aus Korruption, Populismus und mit drittklassigen Helfern der Qualitätsklasse Rudas/Kräuter gemeistert. Und das geht nun plötzlich nicht mehr.
Sollte aber Faymann, wie viele erwarten, am Ende wieder einmal der Konfrontation mit dem ÖGB aus dem Weg gehen, dann steht nicht nur Österreich vor einer (Finanz-)Katastrophe. Dann kommt auch der erste und zugleich entscheidende große Härtetest für Michael Spindelegger. Nimmt er Faymanns Einknicken hin, akzeptiert er zugleich signifikante Steuererhöhungen, dann braucht er bei der nächsten Wahl kaum mehr anzutreten. Dann verlassen ihn wohl die letzten treuen ÖVP-Wähler.
Aber auch die Alternative ist hart: Die heißt nämlich Koalitionskrise bis hin zum Bruch und zu Neuwahlen. Dabei ist völlig ungewiss, ob die Partei reüssieren kann, oder ob sie so wie unter Molterer, der aus viel nichtigerem Anlass den Bruch riskiert hat, zerstritten in eine neue Niederlage taumelt. Erwin Pröll & Co dürften ja den Ernst der Lage noch nicht wirklich erkannt haben.
Überdies ist ziemlich klar: Auch nach Neuwahlen ist guter Rat teuer. Denn die Strache-FPÖ erweckt nicht den Eindruck, so wie einst Haider und Riess-Passer als Partner für kraftvolle, zukunftsweisende, aber kurzfristig unpopuläre Reformen zur Verfügung zu stehen. Spindelegger kann dann sich und seine Partei wohl nur noch durch einen mutigen Schritt in die Opposition retten. Es wäre ja auch nur logisch, einer Mehrheit jener Parteien zu weichen, die vorgeben, die Krise durch populistische Attacken auf Spekulanten, Banken und Reiche meistern zu können und die solcherart vielen Menschen noch immer eine schmerzfreie Sanierung vorschwindeln.
Statt neuerlich faule und gefährliche Kompromisse mitverantworten zu müssen, könnte sich die Volkspartei solcherart dann wieder zu einer Partei jenseits des Populismus mausern. Freilich: Die feige Reaktion Spindeleggers auf die Zaster-her-Exzesse seiner eigenen Innenministerin macht es total unwahrscheinlich, dass er sich plötzlich für eine konsequente Haltung entscheidet. Und auch sonstige Parteigranden fürchten sich vor der Opposition mehr als vor dem Staatsbankrott.