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Wenn das Überflüssige statt des Notwendigen kommt

Österreichs Zustand in einem Satz: Eine Ratingagentur droht dem Land (wie vielen anderen) mit einer Herabsetzung seiner Kreditwürdigkeit; und Österreichs Antwort besteht in einer Verhässlichung seine Bundeshymne. Eine etwas zynische Gegenüberstellung? Vielleicht. Aber sie bringt den Zorn der Bürger über die politische Klasse auf den Punkt. Dort, wo es notwendig ist, handelt sie nicht. Überall dort, wo es überflüssig ist, wird hingegen heftig agiert.Wie diese Woche wieder lebhaft zeigt.

Das Nichthandeln besteht natürlich vor allem in der Weigerung der Opposition, einer Schuldenbremse zuzustimmen (falls da nicht doch noch in letzter Stunde ein Umdenken etwa der Freiheitlichen stattfindet). Blau, Grün, Orange schaden mit einem Njet mit absoluter Sicherheit der Kreditwürdigkeit des Landes und nehmen sich selbst eine wichtige argumentative Waffe gegen die Verschwendungspolitik der Regierung. Dennoch muss man der Regierung die Unfähigkeit vorwerfen, einen fruchtbaren Dialog mit zumindest einer Oppositionspartei zu führen, der in mehr als einem politischen Diktat besteht. Keine Partei will sich gerne ein „Friss oder stirb!“ gefallen lassen.

Die Schuldenbremse steht in Wahrheit aber nur deshalb so im Vordergrund, weil sich seit Wochen internationaler Druck – der Gläubiger, der EU, der Ratingagenturen – mit der Forderung nach einer solchen aufgebaut hat. Der diesbezügliche Gesetzesentwurf  der Regierung ist aber dennoch nur ein zahnarmer Papiertiger. Die Pflicht zur Schuldeneinschränkung ist durch so viele Ausnahmen für „Notsituationen“ und „Überziehungsrahmen“ gelockert, dass es eigentlich wundert, dass irgendjemand einen solchen Beschluss ernst nimmt. Wenn diese Pflicht jedoch nur als einfaches Gesetz kommt, wird es sicher von niemandem ernst genommen. Und Österreich muss Hunderte Millionen mehr an Zinsen zahlen.

Diese Verwunderung ist umso größer, als es noch immer keine substanzielle Einigung über auch nur eine einzige spürbare Einsparung gibt. Statt dessen finden sich nur die stereotypen SPÖ-Forderungen nach mehr Steuern und die mehr als überflüssige Aussage des ÖVP-Wirtschaftsministers, dass man die Defizitreduktion zu 30 Prozent mit Steuererhöhungen erzielen werde. Genauso hat einst das Einknicken Josef Prölls beim letzten Sparpaket begonnen, an dessen Ende dann die SPÖ überhaupt keine strukturelle Sparmaßnahme akzeptiert hat. Weshalb aus Prölls Spar- am Ende ein Steuererhöhungspaket geworden ist.

In die Liste des am falschen Ort Handelns gehört auch das Lächerlichmachen der Bundeshymne durch eine feministische Deformierung. Dabei wird so getan, als ob diese Hymne bisher nur für Männer gegolten hätte. Dabei wird überdies sogar das Versmaß einer liebgewordenen Dichtung ruiniert.Völlig unbegreiflich.

Nächster Punkt in der Liste der überflüssigen Dummheiten ist eine weitere Vergünstigung für den ORF. Jetzt wird die Gebührenpflicht auch auf jene Menschen ausgedehnt, die gar keine ORF-Satelliten-Karte haben, die also den linken Sender gar nicht empfangen können. In Sachen ORF bleibt genauso wie bei der Hymne völlig rätselhaft, warum die ÖVP zugestimmt hat. Gegenleistungen, wo die SPÖ Konzessionen gemacht hätte, sind keine erkennbar. Und für die eigenen Interessen der Schwarzen entsteht zweifacher Schaden.

Zu den Dummheiten gehört weiters der neue „Kinderschutz“ durch noch schärfere Strafen. Fast alle Psychologen sind sich einig, dass diese Strafverschärfung dazu führen wird, dass es noch seltener Anzeigen bei Taten im Familienkreis geben wird. Denn die Angehörigen und Opfer werden noch mehr davor zurückscheuen, Behörden einzuschalten, wenn eine solche Anzeige zu einer Mindeststrafe von zwei Monaten Haft führt. Darin erkennen viele Menschen die Zerstörung ihrer Familie, für deren Erhalt sie sogar das Vertuschen von Übergriffen in Kauf nehmen.

Eher überflüssig ist schließlich auch die neue Modulare Oberstufe in AHS. Nach diesem Reformmodell kann man zwar mit zwei Nicht genügend aufsteigen, muss aber dann parallel zum normalen Unterricht ein nicht geschafftes Modul in einem oder mehreren Gegenständen nachholen. Dies klingt zwar auf dem Papier durchaus gut, wird aber mit Sicherheit viele Schüler überfordern: Wie sollen sie zeitlich und intellektuell gleichzeitig Mathematik II und Mathematik III erfolgreich und sinnvoll absolvieren können?

Dies wirft aber auch in der Schul-Organisation gewaltige Probleme und damit auch Kosten auf: Wann sollen denn die Nachhol-Module stattfinden, ohne den normalen Unterricht zu stören? Wobei aber den „Repetenten“ nach dem Willen der Politik die Teilnahme an beidem zu ermöglichen ist. Gleichzeitig soll es aber keine eigenen Kurse für diese Modul-Wiederholer geben. Bisher wurde uns jedenfalls kein kostenneutrales Modell gezeigt, in dem das ohne (weiteren) Verlust an Bildungsqualität funktioniert. Wenn die Ministerin sogar behauptet, dass das zu einer Kosteneinsparung führen wird, dann kann man ihr nur empfehlen, wenigstens Mathematik I nachzulernen.

Noch unverständlicher ist die Zustimmung der ÖVP aus der Warte der Parteitaktik: Warum gesteht die Partei der Unterrichtsministerin diesen lange ersehnten Erfolg zu, wenn gleichzeitig dieselbe Ministerin weiterhin jede Zugangsregelung für Universitäten blockiert? Diese ist ja sogar von etlichen SPÖ-Landeshauptleuten verlangt worden.

Begreift die ÖVP eigentlich nicht, dass die SPÖ nur unter Druck zur Beweglichkeit bereit ist? Dass man mit ihr nur vorankommt, wenn man ein beinhartes Do ut des (Für Claudia Schmied: Das ist Latein III) praktiziert. Will man etwa gar den neuen Minister Töchterle taktisch aushungern, indem man ihm die einzige brauchbare Waffe gegen die rote Blockade entzieht? Vielleicht gar weil er zu populär ist und auch andere gerne Wissenschaftsminister geworden wären?

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