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Heute nur wirklich Positives

Das ganze Jahr über haben negative und besorgte Themen im Tagebuch dominiert. Zum Jahresende habe ich mich daher gezielt auf die Suche nach Positivem gemacht. Und erstaunlich viel gefunden: bei mutigen zilvilgesellschaftlichen Initiativen, bei Salzburger und steirischen Politikern, bei mehreren schwarzen Bildungspolitikern, bei vier direktdemokratischen Parteien, bei Mario Monti und in mehrfacher Hinsicht auch bei der Wiener Koalition. Wirklich, kein Schmäh.

Fangen wir gleich bei der Koalition an: Diese arbeitet nämlich derzeit zum ersten Mal hart und ernsthaft. Rot und Schwarz verhandeln intensiv übers Sparen. Und sie tun das diskret und schweigsam. Sie sondern nicht täglich kontraproduktive Festlegungen in den Medien ab. Was diese an nachrichtenarmen Tagen zwar ärgert, aber trotzdem positiv ist. Dabei geht es diesmal wirklich zur Sache und nicht mehr bloß um Überschriften nach Art des populistisch-simplen Christoph Leitl: (Alle geben halt fünf Prozent weniger aus). Das sollte heute einmal ausdrücklich gelobt und festgehalten werden – trotz aller Besorgnis, dass der vorerst überraschend große koalitionäre Konsens hinter Polstertüren am Schluss wieder an den Betonköpfen der Gewerkschaft zerschellen könnte, welche ja die Hacklerregelung, ein frühes Frauenpensionsalter und den leichten Weg in die Invaliditätspension wirklich für die Heiligtümer der Nation halten. Endlich einmal darf man der Regierung die Daumen drücken. Und verflucht jeden, der derzeit nach den Sozialpartnern ruft, denn dadurch werden die Reformen nur sabotiert.

Wachstum geht auch ohne Geld

Lob und Daumendrücken gebühren auch Mario Monti. Der Italiener hat nicht nur ein eindrucksvolles Sparpaket über die Bühne gebracht. Noch mehr imponiert das zweite Monti-Paket, das in Kürze zugestellt wird: Das Paket soll zeigen, wie man eine Wirtschaft ankurbeln kann, ohne nach dem gefährlichen Rezept der Keynesianer viel Geld in die Hand zu nehmen (wie unsere schlichten Keynesianer immer behaupten). Der Inhalt reicht von scharfen Maßnahmen gegen das Steuerhinterziehen (wie das Verbot der Barzahlung von Beträgen ab 1000 Euro) über die Förderung des derzeit fast zu Tode regulierten Wettbewerbs bis zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Der letztgenannte Punkt bedeutet etwa deutlich erleichterte Kündigungsmöglichkeiten, was automatisch zu vielen Neuanstellungen führen wird. Derzeit kann man in Italien nämlich nicht einmal dann kündigen, wenn die Firma schon in Existenznöten ist. Dieses Paket wäre – sollte es angenommen werden – nicht nur eine Widerlegung des linken Dogmas, dass Wachstumspolitik ständig weitere Verschuldung bedeutet. Es wäre vor allem ein scharfer Kulturbruch mit vielen schlechten italienischen Traditionen.

Eine fast rundum erfreuliche Erscheinung ist die Salzburgerin Gabi Burgstaller. Bei ihr fragt man sich ja oft, wie sie es eigentlich in der Faymann-Rudas-SPÖ aushält. Sie unterstützt nicht nur die Sparmaßnahmen der Bundesregierung. Sie hat auch als erste Sozialdemokratin nach Zugangsregelungen für Universitäten gerufen. Sie ist im Gegensatz zu einigen provinziellen Richter- und Anwalts-Lobbyisten bereit, die teure Menge an Klein- und Kleinstgerichten zu durchforsten. Und sie wagte es, gegen die Niko-Pelinka-Groteske im ORF zu protestieren.

Klug und mutig ist in Salzburg aber auch die ÖVP. Sie kämpft für einen Superwahlsonntag, an dem alle Landtage gleichzeitig gewählt werden; das würde die Lähmung der Republik durch häufige Wahlkämpfe reduzieren. Und sie will den Bundesrat durch ein Gremium aus Mitgliedern der jeweiligen Landesregierungen ersetzen, obwohl das natürlich auch eigene Parteifreunde arbeitslos macht. Beides brächte der Nation jedenfalls Etliches an problemlosen Einsparungen.

Auch die beiden Steirer Voves und Schützenhöfer haben sich positiv ins Jahr 2011 eingetragen. Sie haben mutig und ohne Hickhack etliche Sparreformen sowie Gehaltseinschnitte bei Beamten beschlossen. Das meiste davon ist notwendig wie sinnvoll, auch wenn man nicht begreifen kann, wo die Einsparung bei der Abschaffung der eigenen Autonummern für Bad Aussee liegt. Bei jener Kleinststadt wäre eine Schließung des Spitals viel notwendiger gewesen. Aber gerade weil die beiden Politiker in der Vergangenheit im Tagebuch etlichen Tadel eingeheimst haben, seien sie zum Jahresende vor den Vorhang geholt. Vielleicht dienen sie derzeit auch den beiden jeweiligen Bundespartei-Chefs als Vorbild.

Endlich ist auch der Numerus clausus ein Thema

Natürlich gehört Karlheinz Töchterle ein besonderer Platz in der Reihe dieses Jahres. Er hat sich trotz eines eigentlich cholerischen Temperaments nie von reformverweigernden SPÖ-Frauen provozieren lassen, sondern beharrlich an der notwendigen Rettung der Unis durch Gebühren und – vor allem! – Zugangsbeschränkungen festgehalten. Gewiss hat er sich in Sachen AKH von der Rathaus-Mafia austricksen lassen. Das hat er aber dadurch mehr als gut gemacht, dass er es am letzten Tag des Jahres nun sogar wagt, als erster das Thema „Numerus clausus“ für Österreich anzudiskutieren. Die Einführung dieses deutschen Modells eines Zugangs zu den Universitäten gemäß dem Schnitt aller Schulnoten wäre in der Tat die wichtigste Schulreform seit Jahrzehnten. Es würde die Anstrengung in den Schulen deutlich erhöhen, wenn auch jedes Detail eines Maturazeugnisses Bedeutung bekäme. Und wenn nicht mehr wie bisher die Schulnoten für den Weg auf eine Universität völlig wurscht wären.

Lobenswert entwickelt sich  auch die Oberstufenreform: Denn da hat die ÖVP durchgesetzt, dass man künftig weder mit drei noch mit zwei noch mit einem Nichtgenügend durchkommt, wie die Unterrichtsministerin ursprünglich gewünscht hatte. Man muss künftig für jedes nicht geschaffte „Modul“, also jedes Fach und jedes Semester, eine Wiederholungsprüfung machen. Das heißt: Man muss in der Regel nicht mehr die ganze Klasse wiederholen (was bei asymmetrischen Defiziten ja nie wirklich sinnvoll war); aber man kann kein Fach mehr spritzen. Das könnte trotz allem sonstigen Unsinn in der jüngsten Schulpolitik (wie insbesondere die Zerstörung der Hauptschule mit ihrer überaus sinnvollen Leistungsdifferenzierung) erstmals unser Bildungssystem verbessern. Auch wenn das Modulsystem und die vorgesehenen überbürokratischen Begleitregeln die Schulen organisatorisch vor gewaltige Herausforderungen stellen. Auch wenn es manchen Schülern oft besser täte, einfach in Ruhe ein Jahr zu wiederholen.

Großes Lob verdient die oberösterreichische Bildungslandesrätin Hummer. Sie gibt den Pflichtschul-Direktoren ihres Landes das Recht, Lehrer künftig zumindest nach dem ersten Jahr wieder verabschieden zu können. Kinder und Eltern dürfen dankbar sein; faule, dumme, überforderte Lehrer werden es weniger sein. Das Beispiel sollte rasch Schule machen. Etwa auch im Osten Österreichs. Hier hat mir eine AHS-Direktorin von einer netten Junglehrerin erzählt, die leider nicht Französisch kann. Diese Frau will und soll aber ausgerechnet Französisch unterrichten, hat  doch ausgerechnet für Französisch ihr Lehramtsdiplom erhalten. Was nebenbei zeigt, wie wenig Diplome der Wiener Uni inhaltlich wert sind.

Erfreulicher Schulmut findet sich auch im neuerdings rot-grün geführten Baden-Württemberg. Dort wird die Verkürzung der Gymnasien von neun auf acht Jahre zumindest an 44 Gymnasien wieder zurückgenommen. Das ist umso erstaunlicher, als bei uns Rot-Grün (und Androsch) die Gymnasien ja auf drei Jahre verkürzen wollten.

Erfreuliches aus einem ganz anderem Gebiet: Trotz einer Zunahme an Passagieren nimmt der Spritverbrauch der Flugzeuge signifikant ab. Wie das? Primär nicht durch irgendwelche neue bürokratisch-politische Ausbrütungen, sondern durch das Natürlichste der Welt: Treibstoff ist deutlich teurer geworden, weshalb plötzlich zu Tausenden neue Flugzeuge mit einem 20 bis 30 Prozent niedrigerem Verbrauch angeschafft werden. Der Markt hat bewirkt, was auch die Hundertste Kyoto-Konferenz nicht schafft. Solche planwirtschaftlichen Projekte verursachen im Gegenteil nur sinnlosen Spritverbrauch.

In der sonst nur extrem skeptisch zu sehenden, weil meist kontraproduktiven Regulierungswut der heimischen Politik ragt zumindest eine Maßnahme positiv hervor. Und zwar wieder auf einem ganz anderen Gebiet: Die nun vorgeschriebene Bildung von Rettungsgassen in der Mitte der Autobahn könnte bei Unfällen und Staus Leben retten. Das klingt angesichts des egoistischen Verhaltens mancher Autofahrer nach einer notwendigen wie sinnvollen Regel.

Hirn braucht kein Geld

Lobenswertes tut sich auch in der Zivilgesellschaft. Dabei geht es natürlich nicht um die Buseks oder Androschs, die sich nun plötzlich als Volk ausgeben, weil sie nirgendwo sonst mehr was zu sagen haben. Aber es gibt einige echte Basis-Initiativen. Wie etwa die Initiative für eine Verwaltungsreform jetzt. Oder die Initiatoren der systemkritischen Gratiszeitschrift „ECHO“. Oder die sechs Ökonomen, welche die Initiative „pro Marktwirtschaft“ gegründet haben. Diese zählen zu den besten Wirtschaftsweisen der Nation und veröffentlichen nun regelmäßig aus eigenem Antrieb brillante Studien. Sie sind vor allem so unabhängig von allen Machtstrukturen, dass sie sich nicht einmal eine eigene Homepage leisten können. Aber: Hirn braucht kein Geld. Und das Tagebuch wird jedenfalls in der Gastkommentar-Spalte ihre Erkenntnisse einem breiteren Publikum zugänglich machen.

Herauszuheben aus dem ablaufenden Jahr ist auch der plötzliche Fortschritt in Sachen Direkte Demokratie. Für diese treten nun schon vier Parlamentsparteien ein. Gewiss wird die Sache vorerst am Nein der josefinistischen SPÖ scheitern (Alles durch den Staat und vom Staat, respektive durch die Partei und von ihr). Gewiss steckt hinter der neuen Dynamik auch viel vordergründige Taktik von FPÖ und ÖVP. Aber der Zug geht zweifellos in die richtige Richtung und ist hoffentlich nicht mehr aufzuhalten. Schon gar nicht durch die üblichen drei linken Verfassungsjuristen, die um ihr mediales Monopol als oberste Schiedsrichter der Nation bangen und gegen mehr Demokratie wettern. Mir hat jedenfalls noch niemand erklären können, wieso es eine Gesamtänderung der Verfassung wäre, wenn Österreich noch demokratischer würde. Und wenn Entscheidungen von den Hinterzimmern an die Wahlurne transferiert werden.

Ganz sicher positiv ist auch, dass im Burgenland 2011die jahrzehntelange sozialdemokratische Wahlkampfaktion auf Steuerkosten endlich zu Ende gegangen ist. Die „Grenzsicherung“ durch zwangsverpflichtete Soldaten war spätestens ab jenem Zeitpunkt zur teuren Farce verkommen, da Richtung Ungarn und Slowakei alle Grenzkontrollen auf den Straßen weggefallen waren.

Auch wenn mir da nicht alle zustimmen werden: Eine positive Wendung bedeutete 2011 auch der Wechsel Pröll-Spindelegger. Der neue ÖVP-Chef ist zwar kein toller Rhetoriker, aber er ahnt zum Unterschied von seinem Vorgänger wenigstens, dass die ÖVP in alle Richtungen Wähler verliert, nur längst nicht mehr zu den Grünen, denen sich Pröll davor so angenähert hat. Zumindest in Sachen Bundeshymne ist zwar auch Spindelegger peinlich eingegangen, aber die Frequenz der schwarzen Katastrophen hat sich unter ihm doch deutlich reduziert. Und er hat auch mit Töchterle und Kurz das Pröllsche Katastrophenteam ein wenig verbessern können, auch wenn er sich mit Mikl-Leitner gleich wieder einen dicken Minuspunkt eingezogen hat. Manches Mal ist man aber auch schon mit kleinen Fortschritten zufrieden.

Trotz allem Positiv denken

Zuviel des Lobs und positiven Denkens? Nun, für den Katzenjammer am ersten Jänner sammle ich schon ein ganz anderes Sammelsurium, das leider wieder deprimierend werden dürfte.

Davor aber allen Lesern ein „Prosit“ und ein „Trotz Allem Positiv Denken!“ Der ganz besondere Dank gilt in diesem Sinne allen Partnern und Abonnenten, die dieses Tagebuch so kräftig am Leben erhalten.

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