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Die Bahn hat Konkurrenz: Wir dürfen uns freuen

Wettbewerb kann sogar die fettesten und müdesten Privilegienritter wachrütteln. Zumindest ein wenig. Das merkt man seit Beginn dieser Woche am Beispiel der Bahn. Diese Erkenntnis lässt jubeln – und bangen, ob die neue Westbahn so lange durchhält, bis europäische Wettbewerbshüter die schmutzigen Tricks von ÖBB und Verkehrsministerin endgültig stoppen und bestrafen.

Der Hintergrund des ÖBB-Tricks: Der Gesetzgeber hat bei Telephon und Strom (mit großem Erfolg) sowie bei Post und Gas (mit geringerem Erfolg) den Übergang vom bürokratisch-teuren Staatsmonopol zum kundenorientierten Wettbewerb durch absolut unabhängige Regulatoren begleitet. Nur so haben die neuentstehenden Privaten eine Überlebens-Chance gegen die jeden neuen Mitbewerber von der ersten Sekunde an lustvoll niederbeißenden Revierverteidiger.

Was aber hat die österreichische Regierung hingegen bei der Bahn gemacht? Da wird der Wettbewerbsvorteil des Monopols gleich dreifach verteidigt!

Erstens fließen zum Unterschied von Post und Telekom weiter Steuergelder in die Bahn, sowohl versteckt wie auch offen. Zweitens hat man bei der Bahn keine echte Trennung zwischen dem natürlichen Monopol, nämlich dem Eigentum am gesamten Schienennetz, und den sich für einen gesunden Wettbewerb ganz natürlich anbietenden Zügen gemacht: Beide gehören weiterhin zum gleichen Konzern und sind ganz offensichtlich nur formal getrennt. Beide werden ja auch vom gleichen Gewerkschaftsboss kontrolliert beziehungsweise regiert.

Und drittens ist die Funktion des „unabhängigen“ Regulators total lächerlich geworden, seit eine Frau ausgerechnet aus dem Kabinett der Verkehrsministerin mit dieser Aufgabe betraut worden ist. Diese Ministerin aber ist ganz zufällig oberste und einzige Eigentümervertreterin bei den ÖBB (und hat als fast einzigen Hauptauftrag ganz offensichtlich dafür zu sorgen, dass SPÖ-nahe Blätter weiterhin nach Faymann-Art mit ÖBB-Inseraten versorgt werden).

Da muss die neue „Westbahn“ schon ein erkleckliches Maß an Tollkühnheit haben, wenn sie gegen diese ÖBB den Wettbewerb aufnimmt. Es ist alles andere als ein ebenes Spielfeld für einen chancengleichen Wettbewerb, wenn man monatelang alleine darum kämpfen muss, dass die privaten Züge nicht „verkehrsbedingt“ neun tödlich lange Minuten in einer Station warten müssen, bis der ÖBB-Fahrplan die Signale auf Grün stellt. Oder wenn sogar die Aufnahme ins Kursbuch – in dem auch alle sonstigen Verkehrsanbieter wie Busunternehmen zu finden sind – erst mit Gerichtshilfe durchgesetzt werden kann (die erwähnte Regulatorin selbst blieb natürlich untätig).

Die privaten Anbieter haben jedenfalls klug daran getan, einen gewichtigen ausländischen Partner, nämlich die französische Bahn, als Minderheitsbeteiligten zusteigen zu lassen. Denn durch die Teilnahme eines Partners aus einem anderen EU-Land kann nun jede Diskriminierung vor EU-Behörden und -Gerichten bekämpft werden. Das dauert oft Jahre, aber es wirkt. Ein rein österreichischer Anbieter könnte hingegen nicht zur EU und zum EU-Gerichtshof gehen. Es ist schade, dass es immer erst den Umweg über die EU braucht, bis in Österreich wieder ein wenig Marktwirtschaft eingeführt werden kann.

Eine wichtige Kampflinie sind nun die plötzlich von der ÖBB auf den Markt geworfenen Billigtickets. Aber ist es nicht positiv, wenn die ÖBB endlich billiger werden? So werden da zumindest manche einwenden. Und ist es nicht unerfreulich, wenn die Privaten gegen billigere Preise kämpfen?

Nein, ganz und gar nicht. Denn die ÖBB hat in alter Monopolistenmanier die Preise nur zu dem einzigen Zweck gesenkt, um die Privaten kaputt zu machen. Sie wird sofort wieder teurer werden, wenn die Konkurrenz entnervt aufgibt. Weil ständig eine solche Strategie eines marktbeherrschenden Anbieters droht, wurden beispielsweise auch der Telekom zu Recht vom Regulator Mindesttarife vorgeschrieben. 

Zweitens sind die ÖBB-Billigtickets auch solange unakzeptabel, solange die Staatsbahn alljährlich Milliarden vom Steuerzahler erhält. Wer Steuergeld erhält, muss sich auch vom Staat Vorschriften gefallen lassen. So will die Obrigkeit jetzt sogar bei jenen Banken, die nie eine Staatshilfe erhalten haben, die Gehälter nach unten regulieren. Nichts anderes bedeutet ja die massive Einschränkung von Provisionen für Bankmitarbeiter.

Grotesk ist auch die Behauptung der ÖBB, die erhaltenen Subventionen seien für alle anderen Bahnstrecken notwendig, aber ausgerechnet nicht für jene zwischen Wien und Salzburg. Daher sei auf dieser Strecke das Verhalten der ÖBB durchaus als fair und keinesfalls wettbewerbswidrig zu sehen.

Blöder geht’s nimmer. Denn die privaten Züge fahren ja nur zwischen Wien und Salzburg. Und nur dort fließt kein wettbewerbsverzerrendes Steuergeld hinein. Laut ÖBB . . .

Angesichts solcher Argumentationen des Hauses Bures/ÖBB werden die EU-Richter noch viel Arbeit haben. Sie werden aber auch – freilich: irgendwann – eine echte gesellschaftsrechtliche Trennung zwischen Infrastruktur und rollendem Bahnbetrieb durchsetzen.

Davon unabhängig ist es doch erstaunlich, was plötzlich bei der Gewerkschaftsbahn alles so möglich ist. Nämlich genau das, was bisher trotz vieler Kundenwünsche absolut unmöglich schien: So gibt’s im Rail-Jet ausgerechnet auf der Strecke Wien-Salzburg plötzlich Speisewägen und W-LAN für Internet-Nutzer.

All diese Aspekte machen eine zumindest teilweise Privatisierung der Bahn dringend und sinnvoll. Denn mehr privat bedeutet nicht nur mehr Komfort, sondern auch einen massiven Wechsel von Passagieren vom Auto auf die Bahn. Was einerseits einen klaren Kundenwunsch bedient; und was andererseits ökologisch vorteilhaft ist. In England hat durch die Privatisierung und den daraus folgenden Wettbewerb die Zahl der Bahnfahrer um 60 Prozent zugenommen.

Wird aber nicht gerade die englische Bahn immer als Argument gegen eine Privatisierung angeführt? Ja, das wird sie – aber völlig zu Unrecht, wie die Zunahme der britischen Bahn-Passagiere und die gleichzeitige Abnahme von Verspätungen und Unfällen zeigt.

Richtig ist nur ein einziger Kritikpunkt, nämlich dass auf der Insel das Bahnfahren teurer geworden ist. Wenn aber dennoch so viel mehr Briten Bahn fahren, sind die höheren, also kostendeckenden Tarife durchaus legitim. Denn durch die Privatisierung sind vor allem gleichzeitig die staatlichen Budgets total entlastet worden.

Für den Bürger bringt das in der Summe also einerseits eine deutliche Einsparung und andererseits einen ökologischen Gewinn.

Allerdings muss auch klar sein: Bei der Infrastruktur, also beim Bau beziehungsweise bei der Erhaltung der Geleise, kann es nicht zu einem funktionierenden Wettbewerb kommen. Das ist ein natürliches Monopol. Hier musste ja auch die britische Zentralregierung entgegen dem ursprünglichen Konzept wieder einsteigen. Aber auch bei der Infrastruktur bringt die Privatisierung Vorteile: Die privaten Bahnbetreiber üben als Kunden heftigen Druck aus, dass die staatlichen Geleise gut in Schuss gehalten werden. Während bei staatlichen Einheitsbetrieben kein Mensch diesen Druck ausübt oder wahrnimmt. Dort regieren nur Lokalpolitiker hinein, die für jeden menschenleeren Geisterzug kämpfen.

In Frankreich, dass im Gegensatz zu den Briten noch keine Bahnprivatisierung erlaubt hat, ist die Passagierzahl im gleichen Zeitraum, in dem sie bei den Briten so steil gestiegen ist, um 28 Prozent zurückgegangen. Das sagt mehr als tausend Professoren.

Von der Propaganda der ÖBB in diesen Monaten ist in Wahrheit nur ein einziger Punkt ernst zu nehmen. Der freilich sehr: Die österreichische Politik – Bund UND Länder – hat den Bau dreier sehr teurer Bahntunnels beschlossen: Semmering, Brenner, Koralm. Jedoch: Wird die nun so dringende Schuldenbremse zumindest irgendwie ernst genommen, so werden diese Tunnels sicher nicht gebaut werden können, oder zumindest nicht alle. Und jedenfalls nicht in den nächsten Jahren.

Die Verkehrsministerin will dennoch – parallel zu den Schuldenbrems-Versuchen! – die gesetzliche Garantie festschreiben, in den nächsten sechs Jahrzehnten alleine für Baumaßnahmen weitere 65 Milliarden Euro Schulden machen zu dürfen. Das ist eine Chuzpe sondergleichen. Zu diesem Betrag kommen nämlich außerdem noch Finanzierungs-, Betriebs- und Erhaltungskosten für die neuen Strecken und Tunnels. Das wird die 65 Miolliarden noch vervielfachen.

Das Absurde ist jedoch: Das am weitesten vorangeschrittene Projekt ist ausgerechnet der weitaus sinnloseste Tunnel, nämlich der Koralm-Tunnel, der lediglich Graz und Klagenfurt verbinden wird. Durch den also niemals viel Verkehr gehen wird. Denn an dieser Strecke liegen weitgehend menschenleere Wälder und Berge.

Für den Bau dieser Tunnels sind aber nicht nur die sozialdemokratischen, sondern auch die blau-orangen und schwarzen Landespolitiker heftig unterwegs. Wird die Koralm nicht gebaut, schreien die Kärntner laut auf; wird der Brenner nicht gebaut, schicken die Tiroler die Schützen zum Marsch auf Wien; und wird der Semmering nicht gebaut, der in Wahrheit der einzig wirklich sinnvolle dieser drei Tunnels ist, dann stirbt für die Steirer ein Herzensanliegen. Am heftigsten agiert aber die SPÖ für diese Bauten: Denn dadurch würde den ÖBB eine so gewaltige Schuldenlast aufgelastet, dass in diesem Jahrhundert eine Privatisierung fast unmöglich wird.

Die Last für diese und andere Bauprojekte (wie etwa den Umbau der derzeit zu Dutzenden total neu konzipierten Nachkriegs-Bahnhöfe) bleibt auf Dauer in den Büchern der Bahn (und der künftigen gesamtstaatlichen Schuldenquote). Daran würde es auch nichts ändern, wenn es die ÖBB schaffen sollte, die Subventionen für den Fahrbetrieb auf Null zu bringen. Diese betragen aber immerhin weitere 600 Millionen jährlich. Dazu kommen noch die Pensionslasten und eben die Baukosten für die genannten Großprojekte. Wie auch viel kleine Lasten.

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