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Was ist nur los mit der ÖVP? Man hatte ja nach dem Amtswechsel Pröll-Spindelegger auf Grund einiger Indizien hoffen können, dass die Partei wieder besser begreift, wo ihre Wähler sind, wo ihre einzige Chance im Parteispektrum liegt. Allein: Seit dem Sommer passiert ein katastrophaler Fehler nach dem anderen. Die Partei vertreibt wieder wie in ihren schlechtesten Busek/Riegler/Pröll-Zeiten im Expresstempo Stammwähler, sowohl die Wirtschaftsliberalen wie auch die Rechtsstaat-Liberalen wie auch die Konservativen. Und sie gewinnt absolut nichts dazu, nicht einmal jene Streicheleinheiten der Mainstream-Medien, nach denen sie sich so sehnt.
Eine Hauptursache der ÖVP-Krise liegt im Personellen: Spindelegger hat nur zwei Minister in seinem Team, die ihrer Aufgabe wirklich gewachsen scheinen (Fekter und Töchterle); Generalsekretär und Klubobmann sind wenigstens noch engagiert. Der Rest schwimmt hilflos.
Noch viel schwächer ist die zweite Reihe: Weder beim Abgeordneten-Fußvolk noch in den Parteibüros und noch weniger in den Ministerkabinetten hat die Partei heute Menschen, die mit guter geistiger Verankerung auf einem Wertefundament das politische Handwerk beherrschen oder alle wichtigen Sachmaterien abdecken würden. Kleines, aber signifikantes Indiz: Im ÖVP-Parlamentsklub scheint es offenbar nur noch den Werner Amon zu geben, der für jede erdenkliche Aufgabe antanzen muss.
In die Kabinette und Parteisekretariate ist in letzter Zeit anscheinend wahllos jeder (nach solchen Nichtstudien zu Recht) arbeitslose Politologe oder Publizist aufgenommen worden, der einen Bewerbungsbrief zu schreiben imstande war. Die Katholische Jugend ist längst kein Nachwuchsreservoir mehr; dort wird primär eine rot-grüne Schuldenwelt als Wert vermittelt. Die ÖH hat die ÖVP schon lange verloren. Junge CVer haben kaum noch Lust auf eine politische Karriere. Eine solche ist freilich auch für alle sonstigen gescheiten und anständigen jungen Menschen extrem unattraktiv geworden, wird doch jeder Politiker von den Medien sofort mit Jauche übergossen.
Bei fast jeder einzelnen Entscheidung merkt man, dass der Partei und ihrem Apparat die Griffsicherheit für die Stimmung der Öffentlichkeit und eigenen Wähler wie auch für das Notwendige und Richtige weitgehend abhanden gekommen ist. Zugleich ist man durch die – einst von Pröll verursachte – Grundentscheidung hilflos, nämlich durch die Koalition mit der SPÖ.
Pröll ist unter dem Druck der kurzsichtigen Kammer-, Bundesländer- und Raiffeisen-Interessen in die Koalition gegangen, ohne von den Sozialdemokraten zumindest die Rücknahme der populistischen Milliarden-Verschleuderung des Vorwahl-Septembers 2008 sowie eine echte Sanierung des Pensionssystems verlangt zu haben. Statt dessen hat die Pröll-ÖVP der teuren und schädlichen Umwandlung der Hauptschulen in Gesamtschulen zugestimmt.
Gleichzeitig lässt sie sich von den Boulevard-Kommentatoren immer wieder in einen koalitionären Kuschelkurs treiben. Dieser aber ist mit einem Koalitionspartner völlig absurd, der in keiner Weise Sachpolitik im Auge hat, sondern seit dem ersten Tag schon wieder Wahlkampf macht: von der kriminellen Medienbestechung über die Bedienung des leistungsfeindlichen Feminismus und der radikalen Hochschülerschaft, um nur ja dort keine Stimme an die Grünen zu verlieren, bis zur Hasskampagne gegen die Reichen, mit der die SPÖ die Rückeroberung der XYZ-Schicht von den Freiheitlichen versucht.
Das alles führt dann zu den katastrophalen Fehlern der letzten Monate, von denen jeder einzelne das Potenzial hat, tödlich zu sein:
Man kann auf viele Arten Selbstmord begehen: indem man sich vergiftet, indem man sich erschießt, indem man in eine Hochspannungsleitung greift, indem man sich erhängt. Aber gleich sechs verschiedene Arten des sicheren Selbstmordes gleichzeitig zu begehen, das ist schon eine stolze Leistung.
Nur was folgt daraus für Österreich? Unregierbarkeit? Ein Selbstdarsteller wie Berlusconi? Eine Machtübernahme durch eine zwar in vielem konservativ und damit erfolgreich gewordene, aber wirtschaftspolitisch nach wie vor sozialistische FPÖ?