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Von welchen Erfahrungen bin ich bei einem meiner zentralen Themen, der Bildung, eigentlich geprägt? Ein wenig gewiss von der eigenen Zeit in Schule und Universität, die ich eigentlich als heiter bis sonnig in Erinnerung habe; ein wenig von den Erfahrungen aus dem Bildungsweg der Kinder und Enkel, die ich als heiter bis bewölkt einstufe; stark von der politischen und medialen Debatte, die meist grotesk, ideologiebeladen und unsachlich verläuft; ebenso stark von den Klagen der Wirtschaft wie auch der Uni-Professoren über die Schulabsolventen, die sehr ernst zu nehmen sind; und ganz stark durch die Erfahrungen mit jungen Maturanten und Akademikern, die ich jahrzehntelang als Chefredakteur, Ressortleiter und Mitglied in Assessment-Kommissionen etwa für die Aufnahme in Fachhochschulen gewonnen habe und gewinne.
Diese Erfahrungen sind überwiegend dramatisch: Selbst in diesen – gesamtgesellschaftlich zweifellos elitären – Gruppen beherrscht fast niemand eine halbwegs fehlerfreie Rechtschreibung; für viele stellt das Schreiben eines Aufsatzes mit einem nachvollziehbaren roten (oder schwarzen oder grünen oder blauen) Faden und einer halbwegs logischen Argumentation eine Überforderung dar; und selbst bei jungen Menschen, die Journalist werden wollen, ist keinerlei Wissen über die primitivsten zeithistorischen, geografischen oder politischen Fakten anzutreffen.
Was ist eine frischgebackene Politologin wert, die nie Zeitung liest und nie den Namen Ernst Strasser gehört hat? Was soll man mit einer Maturantin anfangen, die Kulturjournalistin werden will, die aber keinen einzigen Wiener Theater- oder Museumsdirektor nennen kann? Was soll man mit einem Möchtegern-Auslandsjournalisten mit Wunschschwerpunkt Lateinamerika tun, der keinen einzigen Politiker aus jener Region kennt? Was sagt es über das Geschichtsstudium aus, wenn (verschiedene) mit stolzem Magistertitel(!) ausgestattete Absolventen weder eine Ahnung haben, wann es deutsche Kaiser gegeben hat, noch ob 1927 und 1934 in Österreich irgendetwas Auffallendes passiert ist? Was ist eine Matura wert, wenn man sechs Maturanten vor sich sitzen hat, und kein einziger auch nur den Unterschied zwischen einer Anleihe und einer Aktie kennt (höchstens vielleicht, dass beides irgendwie etwas Böses sein muss)?
Und das sind keineswegs herausgegriffene Einzelfälle. Die Liste mit solchen Beispielen ließe sich lange fortsetzen.
Was sagt die Fülle solcher Erfahrungen auch bei vielen anderen Arbeitgebern über die Bildungspolitik aus, über die Universitäten und Schulen sowie über Allgemeinbildung und Leistungsorientierung, die den jungen Österreichern durch Elternhaus, Medien und Gesellschaft mit auf dem Weg gegeben worden sind?
Das einzige, was an der gegenwärtigen Bildungsdiskussion richtig ist, ist dass wir eine solche führen müssen. Alles andere läuft freilich in eine völlig falsche Richtung und droht die Fehler der vergangenen Bildungspolitik nur noch zu vertiefen.
Diese Politik hat nämlich ganz im Sog des Nach-68er Denkens ständig Druck ausgeübt, dass die Leistungsanforderungen noch niedriger werden, dass von den Kindern nur ja nicht zu viel verlangt wird, dass an Lehrinhalten kaum mehr als Umweltschutz und die Verbrechen der Nationalsozialisten notwendig sind, dass Schule nicht zur Wissensvermittlung, sondern zur Weitergabe von Kompetenzen da ist (was auch immer das sein mag).
Einer der übelsten Denk-Kurzschlüsse der Politik und aller nachgelagerten Gewerbe ist das Denken in Absolventenquoten. Je mehr Arbeitgeber über den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern jammern, umso mehr hat man die Zahl der Maturanten und Akademiker erhöht und alle Hürden für dieselben entfernt. Die Kleinigkeit, dass das nur um den Preis einer Senkung des Niveaus möglich war, hat man dabei großzügig ignoriert. Hauptsache, die Statistik stimmt. Und wenn dann die Wirtschaft weiter klagt, senkt man halt das Niveau weiter, wofür die ständige Forderung nach der zwangsweisen Gesamtschule oder Schwachsinnsslogans wie „Matura für Alle“ und „Österreich darf nicht durchfallen“ nur die auffälligsten, aber keineswegs die einzigen Beispiele sind.
Gleichzeitig ist aber klar: Die Bildung, das Wissen, die Einstellung und das Können der künftigen Elite und des künftigen Mittelbaus (wobei ich dabei besonders auch die Bedeutung gutausgebildeter Facharbeiter herausheben möchte) sind entscheidend dafür, ob Österreich in künftigen Jahrzehnten noch in der Weltspitze mithalten wird können. Oder ob es zurückfallen wird wie etwa die Griechen, die seit zweieinhalb Jahrtausenden geistig nur von ihrer glorreichen Vergangenheit zehren.
Dabei wird diese Elite eine ständig wachsende Anzahl von alten Menschen und von Couch Potatoes der nächsten Generation mitversorgen müssen. Zusätzlich sind die europäischen Länder mit einem wachsenden Anteil an Zuwanderern konfrontiert, deren kultureller Background ganz offensichtlich den Sprung von der Dritten in die Erste Welt binnen weniger Generationen verhindert oder zumindest nicht gerade erleichtert.
Umso wichtiger wäre die Konzentration auf eine Schule der Leistung und Vielfalt. Jedoch wird ein solches Bekenntnis von Schwarz und Blau oft nur halbherzig getragen und von den anderen drei Parteien gar nicht.
Der Bildung wäre schon sehr gedient, wenn man wenigstens nicht jenen Lehrern, die sich in einer Art Partisanenkampf noch um Bildungsniveau und Leistung bemühen, ständig Prügel vor die Füße werfen würde. Wenn man zumindest einzelnen Schulen ein deutlich überdurchschnittliches Anforderungsprofil erlauben würde. Wenn man den Mut hätte, das staatliche Schulsystem in einen (auch finanziell) gleichberechtigten Wettbewerb mit privaten Schulen treten zu lassen. Wenn zumindest einzelne Schulen das Recht hätten, sich ihre Schüler auszusuchen. Wenn auch die Eltern wieder ernsthaft an ihre Mitverantwortung (eigentlich Hauptverantwortung) erinnert würden.
Solcher Wünsche, nein: Notwendigkeiten gäbe es viele. Erfüllt wird wohl keiner, wenn man sich die politischen Akteure ansieht.
Dieser Beitrag erscheint in ähnlicher Form in der Zeitschrift "thema AHS" der ÖPU (Österreichische Professorenunion)