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Der „Economist“ und unsere Staatsschulden

Eiskalte Panik befiel mich vor ein paar Tagen beim Lesen des „Economist“. Noch beklemmender war, dass seither niemand auf das reagiert hat, was dort über Österreich zu lesen war: Die renommierteste Wochenzeitung der Welt bezifferte unter Berufung auf die EU-Kommission die österreichische Staatsschuldenquote für heuer mit gewaltigen 102 Prozent des BIP. Das ist ein total anderer Wert als die 72 Prozent, von denen hierzulande die offizielle Statistik redet. (Mit einer nachträglichen Ergänzung auf Grund einer inzwischen erfolgten Korrektur - dennoch lasse ich den Beitrag aus Fairness-Gründen ansonsten unverändert)

Ist das ein feindlicher Akt oder ein ungeplanter Durchbruch der Wahrheit? Und warum wird das hierzulande mit Schweigen übergangen? Entweder will man die Zahl möglichst unter den Tisch kehren – oder niemand liest zwischen Nationalbank, Statistik Austria und Finanzministerium den „Economist“.

Ich analysierte die Zahl mit einem internationalen Finanzexperten. Des Rätsel wahrscheinliche Lösung: In Brüssel lässt man sich – durch griechische Erfahrungen ein wenig schlauer geworden – nicht mehr von offiziellen Statistiken abspeisen und rechnet lieber selbst. Und die Rechnung für Österreich sieht offenbar etwa so aus: Offizielle Schulden plus Hypo-Alpen-Adria-Haftung plus ÖBB-Schulden plus Asfinag-Schulden plus Haftungen für Kommunalkredit plus Abschreibungen für die sonstigen Bank-Risken.

Diese „Economist“-Horrorzahl ist aber immer noch nicht die ganze Wahrheit. Diese beträgt nämlich ein Vielfaches der 102 Prozent. Denn noch immer gibt es keinen kompletten Überblick über alle Haftungen und Garantien von Bund, Ländern und Gemeinden, oder über Schulden, die in Krankenhäusern und sonstigen Unternehmen der öffentlichen Hand versteckt sind.

Vor allem aber gibt es noch immer keine gesamthaften und seriösen Berechnungen der ungedeckten Billionen-Schecks der Pensionsversicherungen. Diese rechnen ja immer noch nach dem simplen Einnahmen-Ausgaben-Schema wie ein schlichter Einpersonen-Unternehmer. Was das Pensionssystem zu einem ungeheuren Pyramidenspiel mit absolut sicherem Kollaps macht.

Dafür sorgt nicht nur die alle zehn Jahre um rund zwei Jahre steigende Lebenserwartung, das gleichzeitig tief gesunkene Pensionsantrittsalter – in Österreich um vier Jahre niedriger als in der EU! – sowie der immer spätere Berufsbeginn. Dafür sorgt vor allem die demographische Katastrophe: Seit 1970 kommt jedes Jahr ein Drittel zu wenig Kinder auf die Welt. Damit fehlen die künftigen Zahler des Pensionssystems. Und auch die Zuwanderung hat sich als völlig untaugliche Antwort erwiesen. Sind doch die nach Österreich gekommenen Menschen noch in einem viel höheren Ausmaß als die Eingeborenen Wohlfahrtsempfänger, statt dass sie wie behauptet Träger und Zahler des Systems würden.

Das ist nun wirklich jeder Grund zur Panik, ganz egal wie die „Economist“-Daten im Detail zustandegekommen sind. Das macht aber auch klar, weshalb das Triple-A uns wohl nur noch wenige Monate erfreuen wird.

Inzwischen hat der der Economist doch seine Angabe auf 74 Prozent reduziert. Was aber leider nichts an der in dem Beitrag aufgezeigten Problematik ändert.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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