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Das Parlament beschließt das Ende der Meinungsfreiheit

Auch wenn man mit historischen Vergleichen vorsichtig sein sollte: Das, was da in Kürze im Wiener Parlament beschlossen werden wird, hat teuflisch viele Ähnlichkeiten mit dem Ermächtigungsgesetz des Jahres 1933, mit dem damals in Deutschland von einem noch demokratisch gewählten Parlament der Weg in die Diktatur und zur zwölfjährigen Einschränkung der zentralsten Grund- und Menschenrechte geöffnet worden ist. Mit dem nun bevorstehenden österreichischen Gesetz verspielt die ÖVP jeden Anspruch, noch als bürgerlich-liberale Partei auf dem Boden der Grundrechte zu gelten. Die SPÖ war das ja sowieso nie.

Die Nazis haben ihr Ermächtigungsgesetz scheinheilig „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ getauft. Die Koalition nennt es „Terrorismuspräventionsgesetz“. Wie harmlos beides klingt! Wer kann schon etwas gegen die Bekämpfung der Not oder gegen die Bekämpfung von Terrorismus haben? In beiden Fällen wurden beziehungsweise werden aber in Wahrheit in katastrophaler Weise die Menschenrechte eingeschränkt. Und nicht die Not des Volkes oder der Terrorismus.

Noch ein anderer historischer Bezug macht klar, warum es da geht. Österreichs einzige echte Revolution, nämlich jene des Jahres 1848 hatte eine zentrale Forderung: „Pressfreiheit“, also Medienfreiheit und damit Meinungsfreiheit, nicht nur in Gedanken, sondern auch Worten und Werken. Diese Meinungsfreiheit steht auch im Zentrum aller seither erlassenen Grundrechtskataloge, ob es nun das noch immer gültige Staatsgrundgesetz von 1867 oder die Europäische Menschenrechtskonvention ist.

Die privilegierten Klassen

Und diese Meinungsfreiheit wird nun durch eine in der Koalition schon abgesprochene Neuformulierung des Paragraphen 283 („Verhetzung“) des Strafgesetzbuches substantiell eingeengt. Und zwar auf eine Art und Weise, die Österreich in eine Semidiktatur grün-linker Ideologie zu verwandeln imstande ist.

Der Inhalt dieses neuen §283, der eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als zwei Jahren vorsieht, im Detail: Im ersten Absatz wird der Aufruf zur Gewalt oder „einer sonstigen feindseligen Handlung“ gegen bestimmte Gruppen unter Strafe gestellt. Halten wir uns gar nicht lange auf zu kritisieren, dass der Ausdruck „sonstige feindselige Handlung“ eigentlich für eine strafrechtliche Konsequenz viel zu unbestimmt ist. Aber immerhin geht es an dieser Stelle jedenfalls noch um den Aufruf zu Handlungen, also Taten.

Viel skandalöser ist, dass sowohl vom ersten wie auch vom zweiten Absatz nur bestimmte Gruppen geschützt werden, andere hingegen nicht: Das ist eine klassische Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Denn aus dem Umkehrschluss folgt: Gegen bestimmte Gruppen darf man offenbar sehr wohl zu Gewalt und anderen feindseligen Handlungen aufrufen: Gegen Unternehmer etwa, gegen Adelige, gegen „Politiker“, gegen „Reiche“, gegen „Studierte“, gegen „Kapitalisten“, gegen sexuell normal Veranlagte. Dass ein solcher Gesetzesentwurf ausgerechnet von zwei ÖVP-Ministerinnen eingebracht worden ist, ist angesichts der Liste dieser ungeschützt bleibenden Gruppen doppelt erstaunlich.  

Soll man es als Entschuldigung werten, dass beide Ministerinnen neu im Amt und auch sonst recht ahnungslose Erscheinungen sind? Interessant ist jedenfalls, dass schon vor einem Jahr unter anderen Ministern ein fast gleichlautender Gesetzesentwurf eingebracht worden ist. Der ist aber damals noch im ÖVP-Klub gescheitert. Federführend beim vorjährigen Nein zur eigenen Ministerin war der damalige ÖVP-Verfassungssprecher Willi Molterer, der aber inzwischen nach Europa ausgewandert ist. Im ganzen ÖVP-Klub findet sich heute kein einziger Jurist mit Format mehr (Molterer ist zwar auch kein Jurist, aber er hatte wenigstens noch eine Ahnung von der Bedeutung der Meinungsfreiheit). Die ganze juristische Kompetenz der Schwarzen stellt eine Grazer Arbeitsrechtlerin und die massiv linksliberale Beamtenschaft des Justizministeriums dar.

Als Gegenargument gegen den Vorwurf der Verletzung des eigentlich verfassungsrechtlich garantierten Gleichheitsgrundsatzes habe ich schon die Behauptung gehört: Man dürfe eh auch gegen Unternehmer nicht zur Gewalt aufrufen. Ein nicht sehr glaubwürdiges Argument: Wäre das wirklich so selbstverständlich, wäre es absurd und überflüssig, einen solchen besonderen Schutz für privilegierte Gruppen ins Gesetz zu schreiben.

Wie sieht der Katalog dieser Gruppen nun konkret aus? An der Spitze stehen „Kirchen oder Religionsgesellschaften“; auch das ist mehr als seltsam. Denn bisher waren nur „im Inland bestehende“ Religionen in privilegierter Form geschützt. Jetzt sind es also alle Religionsgesellschaften. Damit genießt also auch jede obskure amerikanische Sekte, jeder britische Satans- und Hexenkult diesen privilegierten Schutz.

Weiters sind geschützt: „nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppen“. Mit Ausnahme der Religion ist das eine Liste wie aus dem grünen Parteiprogramm, wer zu den privilegierten Klassen zählt.

Nochmals: Selbstverständlich soll es strafrechtlich verboten sein, dass man gegen irgendjemanden zur Gewalt oder zu einer – konkretisierten – Liste an böswilligen Taten aufruft. Das könnte man mit einem kurzen Satz. Aber diese Zweiklassen-Gesetzgebung ist ein Skandal.

Gummiparagraphen als Kennzeichen einer Diktatur

Noch viel schlimmer ist aber der zweite Absatz dieses §283: Denn dieser lässt – ebenfalls mit zwei Jahren Freiheitsstrafe! – verfolgen, „wer öffentlich gegen eine der im Absatz 1 bezeichneten Gruppen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe hetzt oder eine solche Gruppe in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen versucht.“

Das ist nun wirklich ungeheuerlich. Man soll beispielsweise niemanden mehr wegen seiner Weltanschauung verächtlich machen dürfen. Keinen Kommunisten, keinen Nazi, keinen Islamisten.

Ich habe das mein ganzes journalistisches Leben lang gemacht und werde es auch mit Sicherheit weiter machen. Für mich ist das sogar eine der obersten Pflichten meiner ethischen Orientierung.

Wenn ein vorgebliches Antiterrorismusgesetz ein solches Verächtlichmachen zum Teil auch terroristisch agierender Organisationen verbietet, dann leistet es ganz massive Schützenhilfe für den Terrorismus, den es scheinheilig zu bekämpfen vorgibt. Es tut also das Gegenteil des Behaupteten.

Die internationalen Feme-Komitees

Bevor wir uns mit den Konsequenzen dieses Knebelungsgesetzes befassen, noch ein kurzer Abstecher zu der ebenfalls verlogenen Argumentation des hauptschuldigen Justizministeriums (das offenbar noch nicht genug Skandale am Hals hat). Es beruft sich auf eine Reihe internationaler Dokumente, in denen eine solche Gesetzgebung empfohlen wird. Diese Dokumente haben aber alle zweierlei gemeinsam: Sie sind erstens nicht rechtsverbindlich; und sie sind zweitens ohne jede demokratische Debatte oder Abstimmung von ein paar einschlägig engagierten Juristen und Diplomaten gleichsam im Hinterzimmer formuliert worden. Darunter natürlich auch von Juristen des Wiener Justizministeriums, die sich nun blauäugig auf diese von ihnen mitausgearbeiteten Schriftstücke berufen. Diese stammen von einem „Antirassismuskomitee des Europarates“, von einem „Antidiskriminierungskomitee“ der UNO oder von einem „Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ der EU (der von der SPÖ-Ministerin Maria Berger 2008 im Schatten eines Wahlkampfes ohne jeden Parlamentsbeschluss mitgetragen worden ist).

Längst wäre es Zeit, sich viel intensiver mit dem finsteren Dschungel solcher Feme-Komitees zu befassen. Es war ein schwerer Fehler, sie als nicht weiter gefährliche Spielwiesen für geistig beschränkte Gutmenschen zu ignorieren. Dennoch sei nochmals festgehalten: Diese Komitees können sich was wünschen, zwingen könnten sie Österreich zu nichts. Hätte das Land ein Parlament, das noch weiß, was es tut, wäre das auch völlig klar.

Klima der Angst und Verunsicherung

Was wird nun die Folge dieses Gesetzes sein? Erstens wird die ÖVP wieder einen Schub, diesmal liberaler Wähler verlieren. Zweitens werden vor allem Gutmenschorganisationen und Grüne, aber keineswegs nur sie die Gerichte mit einer Fülle von Anzeigen gegen jeden politisch nicht korrekten Artikel, gegen jede pointierte Äußerung, gegen jede unerwünschte Meinung überschwemmen. Drittens und vor allem wird das Land – in dem ohnedies schon die Mehrheit der Bürger nicht mehr glaubt, dass man offen seine Meinung sagen kann, – von einem verschärften Klima der Angst und Verunsicherung heimgesucht werden.

In Wahrheit weiß niemand, was „Verhetzung“ oder „Verächtlichmachen“ eigentlich genau bedeutet. Aber gerade solche Gummiparagraphen sind das typische Kennzeichen von Diktaturen. Und selbst wenn heute vielleicht noch manche Richter bei der Interpretation zurückhaltend sein werden, können schon morgen andere Richter diese Worte ganz anders auslegen. Etwa weil sie unter einem grünen Justizminister Karriere machen wollen, oder weil sie von den Mainstream-Medien (gleichgültig ob diese im Auftrag einer Partei oder aus eigener Überzeugung handeln) in eine bestimmte Richtung getreten werden.

Wie gummiartig diese Begriffe sind, zeigen auch aktuelle Beispiele (davon, dass mir alleine im letzten Jahr zweimal der Vorwurf gemacht worden ist, ich würde hetzen, will ich gar nicht reden; ebenso wenig davon, dass jedes Kabarett ständig hetzt und jemanden verächtlich macht): So hat etwa der Milizverband der „Kronenzeitung“ „Hetze“ vorgeworfen, weil sie veröffentlicht hat, wie man dem Wehrdienst entgehen kann. So hat Werner Faymann die Forderung „Raus aus der EU“ vor kurzem als „hetzerisch“ bezeichnet. So hat eine islamkritische Studie von Verhetzung geschrieben, weil im Koran an mehreren Stellen zur Tötung von Ungläubigen aufgerufen wird.

Grün&Co sollten sich also nicht allzu früh freuen, dass sie jetzt endlich eine tödliche Waffe gegen Blau und Orange in der Hand haben. Diese Waffe kann sich auch trotz der sehr einseitigen Privilegierungsliste sehr rasch gegen sie und ihre Gesinnungsfreunde richten. Und ebenso wenig sollte auch nur ein Schwarzer glauben, dass das eh nur Blau und Orange trifft. Wer – lobenswerterweise – den Mut hatte, Thilo Sarrazin und Jan Fleischhauer einzuladen, ist spätestens dann der nächste auf der Liste, wenn die neue Diktatur einmal mit den einen fertig ist.

Meinungsfreiheit, wie Ostermayer sie versteht

Dass die SPÖ mit Meinungsfreiheit nichts am Hut hat, braucht wohl nicht lange ausgeführt zu werden. Meinungen kauft man sich einfach, wenn man mächtig ist, ist ja dort die Überzeugung. Wunderschön enthüllend ist da ein vor kurzem formulierter Satz des Ober-Meinungskneblers Josef Ostermayer. „Die Pressefreiheit, so wie ich sie verstehe, ist ein Garant für Rechtsstaat und Demokratie.“ SO WIE ICH SIE VERSTEHE: Dieser völlig überflüssige Einschub ist wohl die schönste Freudsche Fehlleistung des Jahres. Und sie macht eigentlich alles klar. Es geht nicht um Meinungsfreiheit, um Pressefreiheit. Sondern nur mehr um die Pressefreiheit, SO wie Ostermayer sie versteht.

Auch Spitzenjuristen sind empört

Nun bin ich zum Glück nicht der Einzige, der das Vorhaben der Regierung ungeheuerlich findet. So hat Gerhard Benn-Ibler, der bisherige Präsident der österreichischen Rechtsanwaltskammern, öffentlich gesagt, dass durch diesen §283 ein „Klima der allgemeinen Unsicherheit“ und eine „Einschränkung der Meinungsfreiheit“ entstehen. Er hat das mit dem klugen Spruch ergänzt: „Nicht alles, was moralisch verwerflich ist, ist gleichzeitig strafwürdig.“

Noch stärker ist das, was vor wenigen Tagen der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Gerhart Holzinger, gesagt hat: Die Grundrechte seien ein „mühsam erkämpftes, hohes Gut“, das wir „niemals aufgeben“ dürfen. Vor allem aber sagte Holzinger: Der VfGH hat als wichtigster Garant der Grundrechte eine „besonders wichtige Aufgabe“ sowohl gegenüber Gesetzgebung wie Vollziehung. Er werde sich dieser Aufgabe „konsequent, energisch und verantwortungsbewusst widmen“.

Das lässt die Hoffnung noch ein wenig leben. Vorher aber erleben  wir einen der übelsten Tage in der Geschichte dieses Parlaments und in jener der einst großen und verdienstvollen bürgerlichen Partei dieses Landes.

PS.: In diesem Zusammenhang bin ich schon bisweilen gefragt worden: Was tun? Mein Rat: Machen Sie diese Ungeheuerlichkeit überall deutlich, wo Sie hinkommen. Wer schweigt, wird mitschuldig. Und schicken Sie Briefe an Abgeordnete vor allem der Regierungsparteien, indem Sie diese zur Ablehnung oder Einschränkung des Gesetzesentwurfs auffordern. Sie können dabei natürlich auch Passagen dieses Artikels verwenden. Ich empfehle aber die Weglassung der ersten drei Absätze mit den historischen Analogien. Denn diese überfordern Abgeordnete sowieso und würden auch die übliche Antwort aus der Mottenkiste der Political Correctness auslösen, die da etwa lauten würde: „Ich weise diesen Vergleich mit dem Nationalsozialismus entschieden zurück…“ Worauf man sich schwups die weitere Befassung mit dem eigentlichen Inhalt erspart. 

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