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Wie man den Euro noch retten könnte

Dass nun schon der zweite führende Mann in der Europäischen Zentralbank seinen Posten hingeschmissen hat, ist wohl mehr als geeignet, Panik und Furcht um unser Geld und um Europa zu entfachen. Die diversen politischen Beschwichtigungsversuche verlieren endgültig ihre Glaubwürdigkeit, ebenso wie die hinterhältige Strategie, jeden Kritiker der EZB-Politik entweder als hoffnungslosen Hinterwäldler oder gar als Rechtsradikalen zu denunzieren.

Seit eineinhalb Jahren druckt die EZB de facto ungedeckt Geld, um das konkursreife Griechenland zu retten. Sie lässt sich auch jetzt nicht von einer Fortsetzung dieser Praxis abbringen, obwohl alle nach Athen entsandten internationalen Inspektoren einig sind, dass die Griechen ihre Sanierungspolitik nur halbherzig betreiben und null Aussicht auf Sanierung besteht. Es wird weder ausreichend gespart noch zügig privatisiert.

Der Euro entpuppt sich immer mehr als Konstruktion, mit deren Hilfe vor allem die Mittelmeerstaaten ihre Schuldenwirtschaft über ein Jahrzehnt lang völlig ungestraft fortsetzen konnten. Und auch jetzt bleibt die Strafe aus, obwohl die Gläubiger jedes Vertrauen in die Zahlungskraft jener Staaten zu verlieren beginnen. Selbst wenn derzeit Portugal und Griechenland im Zentrum stehen, ist der Hauptschuldige Frankreich. Denn nur Paris war immer wieder imstande, die (sich vor der Nazikeule fürchtenden) Deutschen auf diesen halsbrecherischen Kurs zu zwingen. Und niemand anderer als die Franzosen stellen sowohl den EZB- wie auch den IWF-Präsidenten, haben aber selbst eine mehr als ungesunde Finanzpolitik.

Die beiden deutschen Rücktritte aus der EZB sind nun ein wichtiges Signal, dass in Deutschland ein Umdenken auf breiter Front eingesetzt hat. Gewiss erfolgt das eineinhalb Jahre zu spät und ist etliche Hunderte sinnlos eingesetzte Milliarden teurer, als hätte man gleich den Griechen ein konsequentes Nein gesagt. Aber immer gilt: Besser spät als gar nicht.

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble waren bei Ausbruch der Schuldenkrise ganz offenbar überrascht und überfordert, aber Schritt für Schritt haben sie sich den Realitäten und einem besseren Verständnis für ökonomische Zusammenhänge angenähert. Freilich müssen sie unbedingt noch etliche Schritte auf diesem Weg gehen. Der deutsche Bundespräsident Wulff etwa hat die beiden mit seiner überdeutlichen Absage an weitere Schulden jedenfalls schon weit überholt.

Auch in einigen anderen Staaten, die noch(!) die AAA-Kreditwürdigkeit haben, hat der Blick in das europäische Fass ohne Boden scharfe Abwehrreaktionen ausgelöst. Das gilt für die Niederlande und Finnland (auch unter dem Druck erfolgreicher Rechtsparteien). Das gilt nicht für Luxemburg (das ob seiner eigenen Kleinheit und seines Reichtums immer auf der sicheren Seite ist).

Und das gilt auch nicht für Österreich. Hier ist das Fehlen jeder kritischen Debatte der europäischen Schuldendiskussion geradezu erschütternd. Jetzt rächt es sich, dass Österreich ein ökonomisches Leichtgewicht wie Ewald Nowotny in die Nationalbank gehievt hat, dass Bundes- wie Vizekanzler ökonomisch ahnungslos sind. Und dass auch die Finanzministerin keineswegs eine Finanz- oder Makro-Ökonomin ist; sie ist zwar ein politisches Schwergewicht, aber bis vor wenigen Monaten mit ganz anderen Themen befasst gewesen. Sie muss sich erst komplett einarbeiten und versuchen, wenigstens ihre Partei schrittweise umzupolen.

Die EZB hat schon das Wichtigste verspielt, was eine Währung braucht, nämlich Vertrauen. Die Hauptschuld liegt aber bei der Politik zum Zeitpunkt der Euro-Einführung. Erstens hat man in sträflicher EU-Euphorie auch Staaten aufgenommen, die schon bei der Geburtsstunde die festgesetzten Kriterien meilenweit verfehlt haben. Zweitens hat man keinen Durchgriffs-Mechanismus einer europäischen Wirtschaftsregierung gegen Schuldensünder entwickelt. Statt dessen hat man – drittens – die Sünderländer mit zu Richtern über sich selbst gemacht. Und viertens hat man überhaupt auf das Allerwichtigste vergessen, nämlich die Vorgangsweise zu regeln, wenn ein Staat insolvent ist (auch wenn man objektiverweise hinzufügen muss, ein solches Konkursrecht fehlt auch in Österreich gegenüber überschuldeten Bundesländern).

Der Katzenjammer ist groß und die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Höhepunkts der großen Weltwirtschaftskrise wächst. Der sich in allen Konjunkturkurven als Tiefpunkt darstellen wird. Niemand weiß,  ob das drohende „W“ dieser Kurve jemals auch seinen letzten Aufwärtsstrich erreichen wird, oder ob die Kurve am zweiten Tiefpunkt hängen bleibt.

Was aber jetzt tun? Es hat wenig Sinn – so verlockend der Gedanke auch für viele sein mag –, jetzt den Euro-Raum zu zertrümmern. Das wäre fast genauso schädlich wie das unbekümmerte weitere Durchfüttern der diversen europäischen Schuldenmacher.

Weiteres Durchfüttern im Gegenzug für vage Versprechungen würde – im Gegensatz zu manchen oberflächlichen Berechnungen, die in den letzten Tagen abgedruckt wurden, – zwar kurzfristig tatsächlich den Schmerz lindern, aber langfristig am teuersten kommen. Denn dann schlägt das Phänomen des Moral hazard am heftigsten zu: Viele Regierungen (die ja auch Wahlen gewinnen wollen!) würden weiter Schulden machen, um ja nicht allzuviel Bürgerzorn auf sich zu ziehen; sie wissen ja, dass sie letztlich immer gerettet werden. Wer Griechenland rettet, hat dann kein Argument mehr, andere Verschwender nicht zu retten.

Die logischste Lösung wäre zweifellos, Griechenland pleite gehen zu lassen, also zumindest ab jetzt, alle weiteren Hilfszahlungen einzustellen. Das würde natürlich etliche Gläubiger der Hellenen mitreißen. Das wäre gewiss auch ein Schock, weil ja niemand weiß, wann der dadurch ausgelöste Dominoeffekt wieder aufhört. Es wäre aber immer noch billiger, manche Gläubiger als ganz Griechenland zu retten. Aber auch eine Gläubigerrettung macht nur dann einen Sinn, wenn die Rettungskandidaten an sich gesund sind. Dabei wären aber jedenfalls auch sie einem kräftigen Haarschnitt zu unterziehen, also keinesfalls zur Gänze zu retten. Das ist schon aus pädagogischen Gründen notwendig, damit künftig niemand mehr leichtfertig schuldenfrohen Staaten Geld borgt.

Als Alternative zum Absturz in einen solchen Bankrott kann man den Griechen aber auch die Einsetzung einer europäischen Schuldenkommission vorschlagen. Diese müsste befristet sowohl Regierungs- wie auch volle Gesetzgebungskompetenz über Griechenland bekommen. Eine solche Kommission darf dann ohne Zustimmung des griechischen Parlaments Gehälter kürzen, die Bürokratie abbauen, das Sozialsystem beschneiden, deregulieren und privatisieren. Dafür würden sich im Gegenzug die Europäer bereit erklären, weiter zu zahlen.

Das klingt hart, ist aber in der Staatengeschichte immer wieder vorgekommen. Das ist genau dasselbe, was ein Masseverwalter in einem Konkurs auch großer Unternehmen tun kann und muss. Natürlich geht das rechtlich nur, wenn vorher das griechische Parlament seiner eigenen befristeten Totalentmachtung zustimmt. Das setzt wiederum eine glaubwürdige Ankündigung der Resteuropäer in voller Ge- und Entschlossenheit voraus: Ohne Zustimmung zu einer bevollmächtigten Schuldenkommission wird kein einziger Euro mehr aus dem restlichen Europa nach Griechenland fließen. Nur dann ist eine solche – befristete – Zustimmung des Parlaments denkbar.

Natürlich wäre alles viel einfacher, wäre eine solche Konstruktion schon bei Schaffung des Euro vereinbart worden. Aber allzu lange über vergossene Milch zu jammern, bringt sie doch nicht zurück in die Flasche. Und vielleicht entsteht solcherart zumindest ex post die einst aus bequemer Realitätsverdrängung heraus „vergessene“ europäische Konkursordnung.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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