Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
„Ich bin ja schon für die Marktwirtschaft, aber diese von der Realwirtschaft total abgehobenen Wetten und Hedgefonds sind doch wirklich etwas Arges.“ Wer hat in letzter Zeit noch nie solche Äußerungen auch durchaus vernünftiger Menschen gehört? Die Sorgen sind verständlich. Bemüht sich doch niemand, den Mitbürgern die Funktionsweise eines Marktes zu erklären, der zugegebenermaßen etwas komplizierter als der Gemüsemarkt am Samstag ist.
Umso mehr sollte man sich bemühen, allgemeinverständlich zu kommunizieren und sich nicht hinter einem Insider-Jargon verbergen. Zumindest wenn man will, dass es auch weiterhin eine Marktwirtschaft gibt, die nicht vom politischen Populismus hinweggefegt wird.
Etwa das mit dem „Hedgen“ zu erklären ist gar nicht so schwer. Das geht etwa so: Hedgen ist durchaus wichtig für die ganz normale Realwirtschaft. Im Grund geht es immer um das Tragen eines Risikos, das dadurch entsteht, dass sich wirtschaftliche Vorgänge über einen längeren Zeitraum mit vielen unbekannten Risken hinziehen.
Drei konkrete Beispiele: Erstens ist da der Bauer, der sein Getreide an den Müller verkauft. Der Konsum der daraus gebackenen Semmel ist aber meist noch viele Monate entfernt. Dazwischen kann vieles passieren, was den Wert des Getreides bzw. Mehls beeinflusst: etwa ein Inflationsschub, etwa eine besonders gute oder besonders schlechte Welternte, Unruhen, Kriege, Brände, Lebensmittelvergiftungen, Rattenplagen oder aber auch eine Welle der Gesundheitspropaganda gegen den Konsum von Semmeln.
Wer trägt das Risiko dieser Asynchronität? Der Bauer? Der will fast immer gleich sein Geld. Der Müller? Der muss schon einen sehr dicken Geldpolster versteckt haben, um das gefahrlos auszuhalten. Oder eben ein Finanzdienstleister, ein Hedgefonds, der gleich bei der Ernte beide auszahlt. Der verlangt für dieses Hedgen, das Hergeben von Liquidität und Tragen von Risiken aber natürlich einen Preis.
Zweitens die Luftlinie, die jetzt schon Tickets für die weihnachtlichen Flüge verkauft, die aber nicht weiß, wie da der Treibstoffpreis ist. Sie sichert sich daher bei einem Hedgefonds oder einer Investmentbank gegen ein zu starkes Steigen ab. Sie zahlt also lieber eine Prämie, als einen Megaverlust zu riskieren.
Drittens der Versicherungskonzern, der Milliarden als Zahlungsreserve für Schadensfälle in Anleihen und Aktien angelegt hat. Auch der hedgt nun gegen die derzeit völlig unvorhersehbaren Risken der Börsen, um jedenfalls auf der sicheren Seite zu sein.
Jetzt frage ich mich nur: Wo liegt da das abgrundtief Böse im Handeln von Hedgefonds oder Investmentbanken, das uns Politik und Medien ständig vorgaukeln? Wie stünde die – immer das Gute verkörpernde – Realwirtschaft da, gäbe es nicht die Bösen, die mit ihr solche „Wetten“ abschließen? Diese Wetten sind in Wahrheit wichtige Versicherungsgeschäfte für die Realwirtschaft. Aber welcher Politiker will das schon wissen, wenn sich so herrlich dagegen wettern lässt?
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.