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Wir haben nur dann eine Chance, langfristig Finanz- und Schuldenkrisen zu entkommen, wenn wir uns endlich ein paar Denkfehler abgewöhnen. Einer davon ist das Gerede von „Gier“ und „Spekulation“ als Ursache von Krisen. In der guten alten Zeit waren demzufolge die Menschen offenbar nicht gierig und haben nicht spekuliert. Was für ein Unsinn.
Der ewige Wunsch, mehr haben zu wollen, hat der Menschheit in Wahrheit viel Gutes gebracht, weil er ein starker Antrieb für Innovation und Fleiß ist. Ohne die „Gier“, besser und reicher werden zu wollen, würden wir noch immer zu 80 Prozent als Bauern vegetieren, die jährlich um den Ernteerfolg zittern, weil sonst Hunger und Tod drohen.
Auch spekuliert ist immer worden. Jeder Unternehmer, jeder kluge Familienvater versucht etwa, Erspartes möglichst gewinnbringend anzulegen – und muss dabei immer „spekulieren“, welches Risiko er eingeht.
Absurd ist es jedenfalls, wenn führende Politiker der größten Regierungspartei gegen „Spekulation“ auftreten, gegen „Spekulanten“ hetzen – obwohl sie selbst heftig spekulieren. Hat doch beispielsweise die Gemeinde Wien die Hälfte(!) all ihrer Schulden als Frankenkredit aufgenommen hat, eine klassische Spekulation mit Zinsen und Währungskursen. Solche „Spekulationen“ waren und sind legitim – ob sie auch erfolgreich sind, weiß man freilich immer erst im Nachhinein. Wer ganz ohne Risiko leben will, lebt aber ganz sicher besonders teuer. Das sollte im übrigen auch die Opposition begreifen und nicht so tun, als wäre jedes Risiko, das schlagend wird, ein vorsätzliches Verbrechen.
Ein noch schwerer Denkfehler ist der in Europa neuestens einzementierte Glaube, dass Staaten nicht bankrott gehen können oder sollen. Natürlich sollen sie das. Das ist angesichts des Hangs der Politik zum Geldausgeben bisweilen sogar unvermeidlich. Nur bräuchte es dafür einen geordneten Ablauf. Im 1806 aufgelösten Heiligen Römischen Reich hat es diesen gegeben: Hat sich ein Fürst übernommen, übernahm eine von Kaiser oder Reichstag eingesetzte Schuldenkommission wie ein Masseverwalter die ganze Administration des Fürstentums, hat diese restrukturiert und den Fürsten in dieser Zeit entmachtet.
Niemand kann erklären, warum man nicht auch bei Griechenland und Co ähnlich agiert. Wenn ein Parlament den Karren gegen die Wand fährt, hat es den Anspruch auf alleinige Führerschaft verwirkt. In der EU hat man daraus aber keine Konsequenzen gezogen. Europa hat weiterhin keine Machtmittel in der Hand, wenn Griechen und Portugiesen ihre Spar-Versprechungen trotz riesiger Milliardenhilfen nicht einhalten. Daher sollten Europas Regierungschefs dringend eine moderne Insolvenzordnung für Staaten schaffen. Das wäre auch durchaus zum Vorteil dieser Staaten, die ja nach der Zeit der Insolvenz saniert ihre alten Rechte zurück bekommen – mit hoffentlich neuer Sparsamkeit.
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.