Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Mich stören Reiche, die ihre Einkommen an Steuern und Abgaben vorbeischwindeln können, zutiefst und emotional. Ich habe auch kein unmittelbares Eigeninteresse, ein strikter Gegner einer klassischen Vermögenssteuer zu sein – nirgendwo scheint mich das zu treffen, was da in Österreich und Europa angesichts der explodierenden Staatsschulden an neuen Steuerideen derzeit ausgekocht wird. Warum bin ich dann aber trotzdem (mit einer ebenso winzigen wie unrealistischen Ausnahme) strikt gegen höhere Steuern welcher Art immer, also auch der Vermögenssteuer?
Mit einem Satz: weil Vernunft, Gerechtigkeit und Staatsräson dagegen sprechen. Das sei an Hand von zwölf Argumenten konkretisiert.
Erstens sind Abgabenquoten in den meisten Euro-Staaten von weit über 40 Prozent viel mehr als das, was ein Staat jemals in der Geschichte den Menschen von all ihren erarbeiteten Leistungen wieder abgenommen hat. Bei den eigentlichen Leistungsträgern kommt man sogar auf fast zwei Drittel: Zur 50- (oder bei Lohnbeziehern 43–)prozentigen Einkommensteuer greifen da nämlich ja auch noch bei jeder Verwendung des verbliebenen Geldes neuerlich die gierigen Finger des Staatsmolochs zu. Gleichgültig ob er seine Zugriffe nun als Mehrwertsteuer, Tabaksteuer oder etwa Mineralölsteuer getarnt hat.
Bei diesen gewaltigen Summen kann kein noch so frommer Christ sagen, dass die Besserverdiener nicht so neidig sein sollen. Galt doch historisch sogar der Zehent – also die Ablieferung eines Zehntels der Erträge – den Christen als Obergrenze eines gerade noch tolerierbaren Zugriffs. Es ist daher moralisch mehr als legitim zu sagen: Nichts geht mehr, es reicht.
Zweitens ist allein dieses Tagebuch voll mit Hunderten Beispielen, wie Politiker mit diesem Geld sinnlos, ja schädlich um sich werfen. Nur einige österreichische Beispiele: Diese reichen vom fast weltweit niedrigsten Pensionsalter über die provozierend hohen Bezüge der Wiener Gemeindebeamten, über Europas einzige fast komplett unentgeltliche und zutrittsoffene Universitätenszene, über die dem Steuerzahler unvergleichlich teuer kommenden Bundesbahnen bis zur Rolle Österreichs als Rekordsubventionsgeber. Über diese Subventionen finanzieren sich Wirtschaft, Bauern und Kulturbetrieb, aber auch eine neue Parasitenschicht von Tausenden Vereinen mit angeblich sozialen, ökologischen, feministischen, kulturellen und sonstigen oft sehr nebulosen Zielen, bei denen aber das Geld vor allem in den Taschen der eigenen Mitarbeiter verschwindet. Diese reden dann jedoch sofort von „neoliberaler Kälte“, wenn ihnen auch nur einmal beim Selbstbedienungsladen Staat Nein gesagt wird.
Wer hier mit Moral oder Gerechtigkeit argumentiert, deretwegen da noch mehr Geld hinausgeschmissen werden soll, ist entweder ein ahnungsloser Landpfarrer oder ein zynischer Lügner, der ein ungerechtes System durch den Ruf „Mehr Gerechtigkeit“ zu seinem eigenen Nutzen noch ungerechter machen will.
Drittens und noch gravierender ist die Tatsache, dass Steuererhöhungen am Ende meist weniger Geld in die Kassen bringen. Bei einigem Nachdenken wird der Grund auch völlig klar: Je weniger dem Einzelnen und seiner Familie von legal verdientem Geld bleibt, umso mehr rentiert sich legale Steuervermeidung (etwa indem man Finanztransaktionen wieder wie einst bar abwickelt oder im Ausland stattfinden lässt, etwa wenn Börse-, Banken- und Transaktionssteuern den Weg zur heimischen Bank verteuern); umso mehr wird man auch illegale Steuerflucht-Methoden anwenden (Pfusch, Rechnungsmanipulationen usw.); umso seltener hat man angesichts der zuvor skizzierten Verschwendung Gewissensbisse; und umso öfter wird man die Hände demotiviert in den Schoß legen und Aufträge mit dem Argument ablehnen: „Das interessiert mich nicht, ich habe keine Lust, für die Steuer zu arbeiten“.
Liberale Ökonomen haben schon in der Ära Ronald Reagans intensiv nachgewiesen, dass höhere Steuern weniger Erträge bringen (Laffer-Kurve). Das zeigt auch eine neue Studie der deutschen Zollfahndung, also einer gewiss nicht prinzipiell staatsfeindlichen Einrichtung, die unlängst im „Spiegel“ zu lesen war: Sie verglich den legalen deutschen Zigarettenabsatz zwischen 2003 und 2010: Dieser sank von 133 auf 87 Milliarden Stück. Denn gleichzeitig haben ständige Zigarettenverteuerungen den Schmuggel und die illegale (damit übrigens auch besonders gesundheitsschädliche) Produktion zunehmend interessanter für Raucher wie Gauner gemacht. Der Staat verlor trotz der ständigen Abgabenerhöhungen rund 300 Millionen Euro an Einnahmen.
Viertens zeigt die Geschichte der Vermögenssteuer in Österreich, dass sie einst in ganz überwiegendem Ausmaß von Unternehmen bezahlt worden ist. Das „Vermögen“ eines Unternehmens ist aber meist lebenswichtig für die Krisenfestigkeit von Betrieben und für die Finanzierung künftiger Investitionen und Arbeitsplätze. Sobald es jedoch einem persönlichen Konsum zugeführt wird, muss es ohnedies versteuert werden. Nimmt man jedoch alle Betriebsvermögen von der Steuerpflicht aus, dann ist es für vermögende Menschen sehr leicht, Privatvermögen in Betrieben zu verstecken, dann werden halt Villen an die eigene Firma verkauft und nur zurückgemietet (liegt doch ohnedies oft eine betriebsbedingte Hypothek auf der Villa).
Fünftens treffen Vermögenssteuern prinzipiell nur Vermögen, die schon versteuert worden sind. Das heißt dann oft, dass Einnahmen zum drittenmal versteuert werden müssen: Zuerst Einkommensteuer (bzw. Körperschafts- plus Kapitalertragssteuer), dann Vermögenssteuer, und drittens – wenn dann Gelder aus dem Vermögen ausgegeben werden – Mehrwertsteuer&Co.
Sechstens: Jede Vermögenssteuer ist eine Vermögensvertreibungsaktion, die daher jede Ertragsschätzung zur Makulatur macht. Gelder sind binnen einer Zehntelsekunde ins Ausland transferiert, ehe noch die erste Steuer vorgeschrieben werden kann; viele andere Vermögenswerte werden zumindest nicht mehr neu im Land der Steuerpflicht angeschafft. Vermögen, das im Inland angelegt ist, brächte aber auch ohne Steuer hier einen Nutzen: weil andere Steuerpflichten ausgelöst werden, weil Kapital ja investiert werden muss. Deswegen hat es sich ja für Österreich auch sehr positiv ausgewirkt, als nach Abschaffung der Vermögenssteuer und durch das Stiftungsrecht viel Geld ins Land geflossen ist.
Siebentens: Natürlich weiß auch ich, dass es viele Vermögen dubioser Herkunft gibt. Und natürlich habe ich Null Sympathien für solche Vermögen, die entweder aus direkt kriminellen Aktivitäten stammen oder durch ein Geflecht komplizierter und undurchsichtiger grenzüberschreitender Aktivitäten entstanden sind. Nur hat mir bisher noch niemand erklären können, wie eine neue Steuer diese Vermögen plötzlich in sichtbare und besteuerbare Gelder verwandeln kann, nachdem man ihrer bisher nicht habhaft geworden ist, weil es international zum Zweck der totalen Verwirrung vielfach verschoben worden ist.
Achtens gilt all das Gesagte auch für die in manchen linken Kreisen zuletzt besonders vehement geforderte Erbschaftssteuer. Für die Erben ist das zwar ein arbeits- und steuerloser Einkommenserwerb (wenn man von den Anstrengungen mancher Erbschleicher absieht). Für die meisten Erblasser ist die Verfügung über das in ihrer Aktivzeit angesparte Geld aber ein ganz entscheidender Aspekt. Denn die Zuwendung der erarbeiteten Geldes an die eigene Familie ist für viele ja der Hauptgrund, weshalb sie sich überhaupt anstrengen.
Auch familienlose Erblasser werden sich zu Lebzeiten genauso mit Tricks und Umgehungskonstruktionen gegen den Zugriff des Staates wehren. Auch für sie ist es eine zentrale Lebensentscheidung, ob sie ihr Geld der Kirche, dem Tierschutzverein oder der Erforschung des Kapitalismus widmen. Aus Sparbüchern werden daher heimlich weitergegebene Goldmünzen; je nach Steuerdetails wird schon zu Lebzeiten viel geschenkt; große Besitztümer werden in kleine, steuerfreie Brocken zerteilt; es gibt einen Grund mehr, in einem für sicher gehaltenen Ausland etwas anzulegen; und manche werden ihr Geld auch verjubeln, wenn sie ohnedies nicht mehr darüber verfügen können.
Neuntens – und das ist irgendwie noch beruhigend – gibt es auch ein gravierendes verfassungsrechtliches Hindernis gegen jede Art von Vermögens-, Schenkungs- und Erbschaftssteuer: Der Verfassungsgerichtshof sagt zu Recht, dass bei all diesen Steuern Grundstücke genauso wie Geld und Schmuck und andere Sachwerte zu behandeln sind. Das heißt: Auch die nach einigen Vorschlägen steuerfreien Schmuckstücke müssen besteuert werden. Das heißt ebenso: Eine Bevorzugung von Bauern und Häuslbauern durch die künstlich niedrig gehaltenen Einheitswerte, wie sie früher üblich war, ist ungerecht. Da aber bisher jede Partei geglaubt hat, die nächsten Wahlen zu verlieren, wenn sie die Grundsteuern erhöht, sind all diese Steuererhöhungsprojekte vorerst nur blödes Herumgerede oder wahltaktische Hetze gegen die „Reichen“. Solche Hetze kann eines Tages aber auch zu großen Verbrechen führen, wie es einst etwa der millionenfache Mord der Sowjets an den angeblich reichen „Kulaken“ (also grundbesitzenden Bauern) gewesen ist.
Zehntens wird in Bälde der vorerst von den Vermögenssteuerplänen scheinbar ausgenommene Mittelstand ebenfalls getroffen werden. Das geschieht ganz einfach auf dem Weg der ohnedies derzeit rasch zunehmenden Inflation. Genauso haben wir es ja auch bei der Einkommensteuer erlebt: Dort trifft der einst nur für wenige Reiche geltende Höchstsatz inzwischen längst in breiter Front den Mittelstand. Daher werden sehr bald die Eigentumswohnung plus Wochenendhäuschen plus Auto plus ein paar Schmuckstücke und einem Vorsorge-Konto auf der Bank eine alljährliche saftige Vermögenssteuer auslösen.
Elftens: Die irgend etwas Besitzenden, also die angeblich Reichen sind in aller Regel der dynamischste Teil der Gesellschaft, deren Aktivitäten meist dem ganzen Land nützen. Mit Sozialhilfe-, Grundeinkommen- und Ausgleichszulagen-Beziehern ist hingegen meist kein Staat zu machen. Mit ihnen ist nur eines möglich: nämlich Wahlen zu gewinnen.
Zwölftens: Von all den diskutierten Steuerideen brächte nur eine einzige wirklich Geld ein, nämlich eine höhere Steuer auf Grund und Boden, also etwas, was niemand davontragen kann. Eine solche Steuererhöhung wäre zwar auch kein positiver Beitrag zum Wirtschaftsstandort, hätte aber wenigstens ökologisch und raumplanerisch halbwegs einen Sinn, wenn man etwa nur verbaute („versiegelte“) Quadratmeter besteuert. Denn eines Tages wird Europa nur noch aus Beton – und aus vielen Steuern und Schulden bestehen. Nur genau diese Häuslbauer-Steuer will die Politik nicht, weil sie am Wahltag selbstmörderisch wäre.
Aber selbst wenn sich die Politik letztlich dem populistischen Diktat der Grundeinkommensbezieher unterwirft, wird die Vermögenssteuer außer Ärger nichts bringen. Daher bleibt den Staaten (also auch den Bundesländern, Provinzen und Gemeinden, dem Pensions- und Gesundheitssystem) am Ende doch nur eine Alternative: wirklich Sparen oder ein Crash auf dem Weg der Inflation.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.