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Der Prozess gegen Hosni Mubarak ist eine ziemlich makabre Angelegenheit. Makaber ist jedenfalls schon ein Verfahren gegen einen im Bett herangekarrten Angeklagten. Es ist offensichtlich durchaus etwas Sinnvolles, dass in anderen Ländern die Verhandlungsfähigkeit eines Anklagten notwendig ist, damit ein Prozess geführt werden kann. Aber das ist nur das kleinste Problem an dem Verfahren.
Viel problematischer ist der Umstand, dass Mubarak einst nur zurückgetreten ist, weil ihm eine Art freies Geleit versprochen worden ist, also Straffreiheit und Rückzug in eine seiner Villen. Dass er nun doch vor Gericht steht, ist daher ein Bruch eines klaren Versprechens.
Gewiss steht dem ein ebenfalls starkes Argument entgegen: Mit einem Diktator könne man so wie mit einem Geiselnehmer gar keine bindende Vereinbarung eingehen; wenn einer alle Macht hat, dann sind die von ihm gestellten Bedingungen eher ein Diktat oder eine Erpressung; diese Bedingungen musste die Gegenseite wenn auch nur zum Schein akzeptieren, da die Alternative weiteres Blutvergießen gewesen wäre.
Die ägyptischen Demonstranten hätten es überdies auch nicht akzeptiert, wenn Mubarak straflos davongekommen wäre. Das hätte neue schwere Unruhen ausgelöst. Damit ist freilich der Prozess im Grunde primär Folge einer neuerlichen Erpressung. Diesmal halt einer durch die Straße. Und die Militärmachthaber treten so wie unter Mubarak bloß als anpasslerische Befehlsempfänger auf.
Nur: Mit diesem Prozess haben die ägyptischen Machthaber zwar neue Straßenkämpfe – vorerst – verhindert. Sie sind aber zumindest moralisch mitverantwortlich geworden für ein noch viel ärgeres Blutvergießen, etwa jenes in Syrien, wo Diktator Assad seit Monaten seine Mordbrigaden aussendet, oder jenes in Libyen, wo ein unendlich langwieriger Wüstenkrieg tobt. Assad und Gaddafi (wie auch viele andere Potentaten) haben die ägyptische Lektion jedenfalls ganz genau gelernt. Sie haben auch zweifellos die Fernsehübertragungen aus Ägypten genau beobachtet und die klare Lehre gezogen: Wenn sie freiwillig die Macht aufgeben, haben sie – unabhängig von allen anderslautenden Versprechungen – keine Überlebenschance.
Das aber ist eine verheerende Botschaft, die noch Schuld an vielen Bürgerkriegstoten haben wird. Assad wie Gaddafi werden bis zum Letzten kämpfen, um nicht wie Mubarak zu enden. Und zumindest im Fall Syriens ist es durchaus wahrscheinlich, dass Assads Kampf sogar ein siegreicher sein wird.
Hätten die Ägypter Mubaraks Taten denn straflos vergessen sollen? Nun, es gibt zumindest Beispiele, wo nicht Vergessen, sondern Verzeihen sich als die klügere Strategie erwiesen hat: Etwa Südafrika hat nach Ende der Apartheid auf alle Prozesse verzichtet, es hat statt dessen mit einer Wahrheitskommission die blutige und schmerzhafte Geschichte des schwarz-weißen Krieges aufzuarbeiten versucht. Das hat in dem Land zumindest einige Jahrzehnte der halbwegs friedlichen Entwicklung ermöglicht. Und solange Nelson Mandela lebt, dürfte diese Entwicklung jedenfalls weitergehen.
Auf Grund des ägyptischen Beispiels hat die arabische Welt nun wieder längere Zeit keine Chance mehr auf eine wirkliche Entwicklung hin in die moderne Welt. Statt dessen wüten die Diktatoren wilder denn je, sind die neuen Machthaber in Ägypten und Tunesien ahnungslos im Umgang mit der neuen Freiheit, und zündet der islamische Mob eine christliche Kirche nach der anderen an.
Hier in Europa sind inzwischen auch alle jene Politiker und Medien sehr leise geworden, die ein paar Wochen lang eine zentrale Lehre aus den arabischen Unruhen ausposaunt haben: Weil es heute Internet, Facebook, Twitter und Handys gibt, könne nichts mehr Demokratie und Rechtsstaat aufhalten. Wenn man solche schlichte Gedanken liest, fragt man sich schon, wie haben die Menschen eigentlich früher Revolutionen zusammengebracht. Ganz ohne Facebook.
PS: Wie steht es übrigens mit der Verantwortung der europäischen Sozialdemokraten für Ägypten und Mubaraks Taten? Immerhin war seine Staatspartei Mitglied der Sozialistischen Internationale. Und seit dem norwegischen Fall B. ist ja Kollektivschuld gerade bei der Linken wieder üblich geworden. Viele Sozialdemokraten in deutschsprachigen Ländern wollen jetzt Christen, Islamkritikern, Zuwanderungsskeptikern den Mund verbieten, weil diese doch mitschuld an der norwegischen Bluttat seien. Obwohl alle mir bekannten Gruppen dieser Richtung strikt gewaltfrei sind. Aber wenn sie schon Kollektivschuld zum politischen Prinzip gemacht haben, dann kann man die Sozialdemokraten nur einladen, doch einmal selber mit dem beschämten Schweigen angesichts der vielen Massenmörder zu beginnen, die den Sozialismus auf ihre Fahnen geheftet hatten.