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Die erste Peinlichkeit der neuen Justizministerin

Beatrix Karl weiß sich des Beifalls der meisten Medien sicher, wenn sie sagt: „Herr Grasser wird behandelt wie jeder andere Bürger.“ Sie hat nur doppeltes Pech mit dieser schnoddrigen Aussage, die übrigens fast wörtlich so klingt wie die Sager ihrer Vorgängerin: Erstens wäre es ein noch viel größerer Skandal, wenn wirklich jeder Österreicher so behandelt würde; und zweitens stimmt die Behauptung auch aus einem zweiten Grund nicht.

Wir wollen zumindest hoffen, dass nicht bei allen Staatsbürgern aus Rache, weil die Staatsanwaltschaft mit einem öffentlich breitgetretenen Verdacht erfolg- und beweislos geblieben ist, einfach ein alter, schon rechtskräftig abgeschlossener Steuerakt ausgekramt und gleich mit zehnfacher Hausdurchsuchung kriminalisiert wird. Nur um die eigene Blamage nicht zugeben zu müssen, wird nun sogar eine Finanzbeamtin kriminalisiert, nur weil sie eine Finanzcausa anders beurteilt als die Staatsanwälte mit ihrem bekannt großen Wirtschaftsverständnis. Zugleich zeigen die Ministerin und ihre Staatsanwälte totales Desinteresse an den seltsamen Honoraren des Herrn Vranitzky, an der Bawag-Mitwisserschaft des Herrn Verzetnitsch oder an den Unterlagen über die Parteifinanzierung der SPÖ.

Falsch ist die Karl-Behauptung auch, weil eine Hausdurchsuchung bei „jedem anderen Bürger“ ganz sicher nicht via Pressemitteilung an alle Medien kommuniziert wird. Mit solchen Untergriffen wird nur der Angstfeind von Rot-Grün „bedient“. Diese Pressemitteilung hat unter anderem dafür gesorgt, dass Grassers Kinder von zahllosen Fernsehteams stundenlang belagert  und eingeschlossen worden sind.

Eine noch relativ harmlose Begründung für diese skandalöse 'Informationspolitik' wäre der Hinweis, dass bestimmte Medien von derartig 'geilen' Aktionen sowieso oft genug erfahren haben - und zwar via Bestechung von Justiz- oder Exekutivbeamten. Aber was ist das für ein Ministerium, das statt solchem Amtsmissbrauch energisch nachzugehen, selbst gleich allen Medien diese rechtswidrige Information zukommen lässt!? Tut es das aus Hilflosigkeit, aus Blödheit oder aus gezielter Bösartigkeit?

Gewiss hat die Ministerin recht damit, sich im Gegensatz zu ihrer kontaktfreudigen Vorgängerin nicht direkt mit Grassers Anwalt zu treffen. Sie hat aber absolut unrecht, nicht von sich aus eine Untersuchungskommission gegen diese mit großer Wahrscheinlichkeit parteipolitisch motivierten Praktiken der Wiener Staats- und Oberstaatsanwaltschaft zu beauftragen. Oder auch diese neue Exzesse den Innsbrucker Gerichten anzuvertrauen, die schon nach jahrelangem Vertuschen mit den schweren Fehlern der gleichen Wiener Staatsanwälte in Sachen Kampusch befasst worden sind und diese nun erstmals ordentlich untersuchen.

Mit großer Sicherheit werden zwar die Staatsanwälte dafür in rund fünf Jahren vom Menschenrechtsgerichtshof gerügt werden. Das ändert aber nichts daran, dass auch die neue Ministerin ihre außer Rand und Band geratenen und gleichzeitig schwer überforderten Staatsanwälte nicht in den Griff bekommt, sondern - von ihrem Ministerium schlecht beraten - sogar voll verteidigt.

Beugt sich das Recht dem Boulevard?

Besonders kühn ist die offizielle Begründung der Staatsanwaltschafts-Sprecher für diese Pressemitteilung: Das sei halt jetzt die neue Linie der Justiz, mehr in der Öffentlichkeit zu agieren, nachdem man für die alte von den Medien getadelt worden sei. Da bleibt einem wirklich der Atem weg: Weil der Boulevard, diesmal vor allem der wöchentlich erscheinende, danach verlangt hat, auch noch ungehindert buchstäblich in die Unterhosen von Promi-Familien schauen zu wollen, gibt das Justizministerium knieschlotternd nach. Und seine Beamten verletzen solcherart die Grundrechte von Staatsbürgern – etwa den Schutz des Familienlebens oder die Rechte von drei jedenfalls schuldlosen Kindern oder die Unschuldsvermutung oder die Gleichbehandlungspflicht. Und das alles natürlich, ohne dafür die Gesetze zu ändern. Glauben doch die Justiz-Akteure offensichtlich, selbst über den Gesetzen zu stehen. Die Medien glauben das ohnedies schon lange.

PS.: Den Zynismus des Ministeriums noch überboten hat wohl der linke ORF-Politruk Armin Wolf. Der twittert zur Grasser-Aktion voller Hohn: „Hausdurchsuchungen in Wien, Kitzbühel, Kärnten. Die Frisur sitzt.“

PPS.: Und wer sich über die Anständigkeit eines der obersten Grasser-Jagd-Organe ein weiteres Bild machen will, der sollte sich auch die jüngste Mitteilung aus dem Hause „Falter“ auf der Zunge zergehen lassen: Darin wird zugegeben, dass der Falter jahrelang eine „Landessubvention“ der Steiermark bekommen hat. Solche Subventionen unterscheiden sich jedoch durch ihren willkürlichen Charakter gravierend und grundsätzlich von der gesetzlich streng normierten und objektiven Presseförderung. Aber politische Subventionen sind ja offenbar die beste Voraussetzung für unabhängige Korruptionsjäger. Ebenso wie es die Fülle von Inseraten der Gemeinde Wien ist.

 

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