Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Dann doch lieber deutsch als schwul

Warum sich viele Medien mit der FPÖ so schwer tun. Und warum ich mir so schwer mit ihr tue. Der Unterschied zwischen den wirklichen und den vermeintlichen Schattenseiten der vermutlich stärksten Partei Österreichs ist ein gewaltiger.

Die FPÖ liefert an diesem Wochenende wieder 'politisch korrekten' Kommentatoren jede Menge Stoff. Und fast alle gehen der FPÖ dabei in die immer gleiche Falle. Sie versuchen sie ständig braun anzustreichen, der ORF wirft mit Vokabeln wie „rechtsextrem“ nur so um sich. Der eine Anlass für Erregung war die Kärntner Volksbefragung, der andere das erneuerte Bekenntnis zur deutschen Kulturgemeinschaft. Beides sind künstliche und unberechtigte Erregungen. Die wahren Probleme mit der FPÖ sind ganz andere.

Die Kärntner Volksbefragung zu den Ortstafeln hatte zwar keine verfassungsrechtliche Basis – aber das macht sie ja noch zu keinem Verbrechen. Vor allem die Kritik der Grünen daran ist absurd, treten sie doch selbst immer wieder für direkte Demokratie ein (was auch eine der relativ wenigen lobenswerten Seiten der Grünen ist).

Zu Recht kann man grundsätzlich kritisieren, dass eine völkerrechtliche Verpflichtung nicht von der Zustimmung einer Bevölkerungsmehrheit abhängig sein darf. Nur: Jahrzehntelang haben Rot wie Schwarz diese Verpflichtung nicht umgesetzt (auch Blau und Orange in ihren Mitregierungszeiten nicht). Man hatte einfach jahrzehntelang Angst, dass das Kärntner Volk wieder ein paar Ortstafeln umschmeißt. Das war auch eine Art Volksbefragung – wenn auch eine der übelsten Art.

Die SPÖ hat überdies vor fünf Jahren eine schon fertig ausgehandelte Ortstafellösung fast völlig identischen Zuschnitts wie die nunmehr fixierte aus rein parteitaktischen Interessen torpediert (sie verweigerte einem von Wolfgang Schüssel, Jörg Haider und der Mehrheit der Slowenen ausgehandelten Kompromiss die notwendige Verfassungsmehrheit, weil sie ja sonst Schwarz-Orange nicht mehr in ein rechtes Eck stecken hätte können). Also fehlt auch der SPÖ jede Legitimation zur Kritik.

In Wahrheit ist es sicher gut, dass die Ortstafellösung nun auch eine demokratische Legitimation erhalten hat. Niemand kann künftig noch herumrennen und sagen, der böse Bund hätte den Kärntnern etwas aufs Auge gedrückt. Das haben auch die Klügeren unter den Kärntner Slowenen selbst voll eingesehen.

Zweiter Kritikpunkt an der FPÖ ist das wiederentdeckte Bekenntnis zur „deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft“. Nun, solche Parolen sind auch nicht so ganz das Meine. Nicht einmal die Sprachgemeinschaft mit den deutschen Nachbarn ist ja wirklich eine hundertprozentige. So habe ich vor zwei Tagen einen Vortrag in Berlin gehalten und gespürt, dass ich bei jedem Wort eine kurze Nachdenkschleife mit der Frage einschiebe: „Verstehen die auch jedes Wort meines österreichischen Deutsch?“ In Sachen Architektur, Geschichte und Speisezettel fühlen sich die meisten Österreicher unbestreitbar im k. und k. Mitteleuropa stärker daheim als im Norden Deutschlands. Im Kino gefallen zumindest mir im Schnitt trotz mancher Enttäuschungen amerikanische Filme deutlich besser als deutsche (und nach den Besucherzahlen zu schließen auch den meisten anderen). Und „Volksgemeinschaft“ gehört schon gar nicht zu meinem Sprachgebrauch.

Dennoch habe ich wenig  Zweifel, dass in der Summe der vielen Anknüpfungs- und Berührungspunkte, die die kulturelle Identität der Österreicher ausmachen, jene Richtung Deutschland doch die häufigsten sind. Aber selbst wenn das nicht so wäre, regt mich das FPÖ-Bekenntnis nicht so wirklich auf – solange es nicht auch mit Anschlussgedanken verbunden ist. Wofür es seit Jahrzehnten keine Indizien gibt. Aber selbst bei diesem Gedanken sollte die SPÖ mit Vorwürfen sehr ruhig sein. Waren doch selbst nach 1945 viele SPÖ-Politiker noch Verfechter eines wirklichen Anschlusses und haben sich über den betonten Österreich-Patriotismus der ÖVP eher lustig gemacht.

Jedenfalls bot dieses Wochenende noch die Möglichkeit des Vergleichs mit einer zweiten Kulturgemeinschaft. Was ein ziemlich deutliches Ergebnis bringt: Ich fange mit einer deutschen Kulturgemeinschaft deutlich mehr an als mit der schwulen Kulturgemeinschaft, die Rot und Grün (und natürlich der ORF) wieder so schrill propagiert haben. Und für die sie vor allem in Wien viel Steuergeld verbraten.

Hinter diesen Scheinaufregungen bleiben die wahren Defizite der FPÖ verborgen. Diese Defizite sollten uns aber große Sorge bereiten. Denn in Sachen Wirtschafts- und Sozialpolitik stößt man bei der aufstrebenden Strache-Partei immer nur auf Zweierlei: entweder auf gähnende Leere, personell wie inhaltlich, oder auf klassischen Verschwendungssozialismus. Und das ist ja nun wirklich keine Alternative zur gegenwärtigen Politik. Denn beides gibt es bei der SPÖ in Reinkultur und bei der ÖVP in starken Ansätzen. Dabei geht es aber – im Gegensatz zu irgendwelchen imaginären Kulturgemeinschaften – um das weitaus wichtigste Betätigungsfeld der Politik. Vor allem in Zeiten wie diesen. Österreich wird da in den nächsten Jahren sehr schwierige und mühsame Entscheidungen brauchen.

Es ist natürlich klar, warum der rot-grüne Machtapparat diese FPÖ-Defizite nicht anspricht. Und dementsprechend tun dies auch nicht jene ORF-Menschen, welche die Innenpolitik kommentieren. (Deren Geistesgröße erkennt man übrigens auch daran, dass sie ihre Antworten von einem Zettel ablesen müssen, wenn sie sich von einem Kollegen ausgemachte Fragen stellen lassen). Denn dann nüsste man ja auch den ebenso gefährlichen SPÖ-Sozialismus kritisieren.

Weniger klar ist, warum auch andere, unabhängigere Medien die FPÖ immer nur volkstumspolitisch und nicht wirtschaftspolitisch untersuchen.

 

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung