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Was der Tieraktivisten-Prozess wirklich bedeutet

Absurder geht’s nimmer:  Nach einem langen Prozess werden alle Angeklagten freigesprochen – die Medien, insbesondere der Hochintelligenz-ORF, sprechen jedoch von einem Justizskandal. Obwohl sie durchwegs der Meinung des Gerichts sind, dass die Angeklagten unschuldig sind. Das wäre doch eigentlich ein Anlass gewesen, die Richterin zu loben. Und auch dazu, über manche Merkwürdigkeiten rund um diesen Prozess gegen radikale Tierschützer nachzudenken.

Derer gibt es etliche. Die Auffälligste ist der unglaubliche öffentliche Terror, den die Angeklagten sowie deren Anwälte monatelang über die Medien auf das Gericht auszuüben versucht haben. Der größte Skandal ist, dass sich niemand diesem Druck entgegengestellt hat. Was will man aber von schwachen Justizministerinnen in Serie? Genauso unglaublich ist, dass sich ein Sektionschef des Justizministeriums am Tag des Urteils sofort und demonstrativ mit den Freigesprochenen an einen Tisch setzt. Warum tut er das gerade bei diesen Angeklagten? Weiß er nicht, dass täglich – zum Glück – viele andere Österreicher auch freigesprochen werden? Oder wollen jetzt die Beamten zu Oberrichtern werden?

Zweitens bleibt es Tatsache, dass aus der Tier“schützer“-Szene heraus eine ganze Reihe strafbarer Handlungen begangen worden ist. Unbeweisbar blieb nur, welche Personen genau für welche Taten die Verantwortung tragen. Nach diesem Prozessausgang sollten sich freilich alle Nicht-Vegetarier und Pelzmantelbesitzerinnen gut vorsehen. Denn die einschlägige Szene wird sich jetzt unglaublich ermutigt und gleichsam unantastbar fühlen.

Drittens ist ein Freispruch noch absolut kein Anlass, gleich hektisch das Strafgesetz zu ändern. Das wird ja bei einem Freispruch eines des Mordes Angeklagten auch nicht  getan. Und gerade im konkreten Fall klingt diese Diskussion nach einer Belohnung der nun Freigesprochenen, die sich während des Prozesses ununterbrochen auf eine Weise verhalten haben, die nur noch als rotzig zu bezeichnen ist (trotzdem hat die offenbar ihre Unabhängigkeit ernst nehmende Richterin sich nicht aus nachvollziehbarem Zorn zu einer Verurteilung ohne ausreichende Beweise hinreißen lassen, was ihr jedenfalls hoch anzurechnen ist). Dass die Grünen als Verbündete solcher Gruppen nach einer Änderung des Strafgesetzes rufen, ist deren Privatsache. Ein offizielles Einschreiten des Ministeriums ist eine ganz andere Sache.

Viertens ist das einzige, was man wirklich diskutieren kann, die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft. Wenn offensichtlich ohne ausreichende Beweise Monsterverfahren angestrengt werden, dann werden die angeblich so furchtbar knappen Ressourcen der Staatsanwaltschaft sinnlos vergeudet. Auch Beamte sollten ihre ohnedies beschränkten Kräfte sinnvoll einteilen.

Das alles spielt sich erneut im Bereich der Oberstaatsanwaltschaft Wien ab, deren Sündenkonto immer länger wird: Sie hat bis heute kein Verfahren gegen Fritz Verzetnitsch angestrengt, den – mutmaßlichen – obersten Eigentümer und Mitwisser in Sachen Bawag; sie hat bis heute keine Zeit gehabt, sich um die mehr als dubiosen Geldflüsse zwischen den Herrn Flöttl und Vranitzky zu kümmern, ohne dass jemand wüsste, was Vranitzkys Leistung wäre (was ganz im Gegensatz zum Verhalten der Staatsanwaltschaft im Fall Meischberger steht); sie hat bis heute keine Zeit gehabt, den massiven Hinweisen auf Parteifinanzierung von Bawag-Geldern über Flöttl Richtung SPÖ nachzugehen; sie hat bis heute die seltsamen Begründungen des Herrn Flöttl hingenommen, der wegen eines angeblichen Computerabsturzes keine Ahnung hatte, was mit den angeblich verspekulierten Bawag-Geldern passiert ist; sie hat bis heute keine Zeit gehabt, gegen den mutmaßlichen Mittäter im Falle Kampusch auch nur Vorerhebungen und kritische Befragungen zu führen, obwohl er durch zahlreiche Indizien belastet ist; sie lässt sich im Fall Grasser seit Jahr und Tag ohne irgendwelche konkreten Beweise von politischen Vorverurteilungen treiben; sie braucht in den großen Wirtschaftsverfahren ein Jahrzehnt, um endlich auch nur vor die erste Instanz zu treten.

Hier überall herrscht dringender Handlungsbedarf. Aber der Herr Sektionschef setzt sich lieber mit den freigesprochenen Angeklagten zusammen. Statt dass sein Ministerium auf die ostösterreichischen Staatsanwaltschaft den notwendigen Druck ausübte, sich um die wichtigen Dinge zu kümmern und nicht ihre Energien in solchen Verfahren zu verplempern.

Im Bereich der Staatsanwaltschaft stehen wir heute vor einem ähnlichen Saustall, wie es ihn vor einem Jahrzehnt im Bereich der Wiener Kriminalpolizei gegeben hat. Handeln täte dringend not. Aber nicht so, Herr Sektionschef und Frau Minister! Wie auch immer Sie gerade heißen mögen.

 

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