Europas Staaten sind heute von vier Herausforderungen existenziell bedroht, die alle bei der Gründung der europäischen Gemeinschaften unbekannt oder zumindest völlig irrelevant gewesen sind. Erstens die Finanzkrise; zweitens die demographische Krise samt ihren Migrations-Konsequenzen; drittens die Überdehnung der meisten Wohlfahrts-Systeme; und viertens die Energiekrise.
Fast alle diese Krisen (mit Ausnahme des seit rund 1968 stattfindenden Gebärstreiks der Europäer) lassen sich auf populistisches Verhalten der Regierungen und auf ihre Unfähigkeit zurückführen, langfristig notwendige Entscheidungen durchzuziehen. Das gilt ganz besonders auch bei der aktuellsten Krise, jener der Energieversorgung – obwohl diese Krise den Europäern viel weniger bewusst ist als die anderen. Woran die Tatsache nichts ändert, dass die erste europäische Gemeinschaft eine für Kohle und Stahl gewesen ist.
Alle Statistiken zeigen: Das Wirtschaftswachstum ist ganz eng mit der Zunahme des Energieverbrauchs verbunden. Daran können nur völlig realitätsfremde universitäre Theoretiker vorbeigehen. Noch weltfremder sind die Aussagen, dass wir ja gar kein Wirtschaftswachstum bräuchten. Was wirklich los ist, wenn die Wirtschaft nicht wächst, hat man ja in den 18 Monaten nach dem September 2008 sehen können. Da haben besonders die Kritiker des „Wachstumsfetischismus“ am heftigsten aufgeschrien.
Keine Demokratie steht einen Wachstums-Stopp dauerhaft durch. Aber auch Diktaturen nicht: Denn jede seriöse Analyse zeigt, dass die jüngsten Serienrevolutionen in der arabischen Welt vor allem wirtschaftliche Gründe hatten, also Nachfolgen der großen Krise waren.
Europa mit leistbarer Energie zu versorgen ist daher eine der größten und unverzichtbaren Herausforderungen der nächsten Jahre. Die Vorzeichen eines Gelingens stehen jedoch rundum auf Sturm. Die derzeit zu beobachtenden und schon heftig kritisierten Preiserhöhungen von Treibstoffen und Strom sind da nur ein sanftes Vorlüfterl.
- Seit Fukushima ist die in den letzten Jahren weltweit wiederbelebte Atomenergie in der Öffentlichkeit – vor allem, aber nicht nur der deutschsprachigen Länder – massiv diskreditiert. Auch wenn in Fukushima bisher offenbar kein Todesopfer zu verzeichnen ist, auch wenn das japanische Atomkraftwerk „nur“ durch den Tsunami und nicht durch das Rekord-Erdbeben zu Schaden gekommen ist, so sind doch die deutlich erhöhte Radioaktivität rund um das AKW und vor allem die intensiven weltweiten Berichte darüber nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Diese Berichte haben in einer sehr chaotischen Informationslage immer die allerschlimmsten Möglichkeiten und Hypothesen herausgearbeitet. Lediglich sehr harte Regierungen wie die chinesische können in dieser Situation noch neue Atomkraftwerke bauen.
Schon das Herunterfahren einiger alter deutscher Atomkraftwerke hat zu schlimmen Auswirkungen geführt: Die Service-Revisionen aller anderen Kraftwerke werden seither verschoben, die französischen Exporteure von Atomstrom verdienen sich goldene Nasen, und sämtliche Reservekraftwerke mit Gas und Strom sind hochgefahren worden.
- Die Versorgung mit Öl ist zumindest kurzfristig schwer bedroht. Die Konflikte im Nahen Osten haben manche Lieferwege jetzt schon gesperrt. Der Reichtum, den Öl für die Förderländer bedeutet, hat aber auch darüber hinaus erstaunliche destabilisierende Folgen. Es ist kein Zufall, dass es in keinem Ölland bis auf Norwegen stabile demokratische Strukturen gibt. Von Russland über Nigeria bis Venezuela wird wohl in allen künftigen Geschichtsbüchern vom Unheil zu berichten sein, den der Ölsegen den dortigen Gesellschaften zugefügt hat. Jeder Goldrausch der bisherigen Geschichte hat ja in der Tat das soziale Netzwerk einer Gesellschaft und die kollektive Leistungsbereitschaft, aber auch die innere Disziplin schwer beschädigt.
- Wie sieht es mit der Kohle aus? Hier reichen die Vorräte zwar jedenfalls noch einige hundert Jahre. Kohle ist aber mit Sicherheit – ganz unabhängig von allen Global-Warming-Theorien – eine umweltbelastende Quelle der Energiegewinnung. Der österreichische Bundeskanzler hat sich bei seinem jüngsten Chinabesuch sowohl für einen Verzicht auf Nuklearstrom wie auch Kohlestrom ausgesprochen. Was dort zwar auf kein Verständnis stößt, aber bezeichnend für die in Europa dominierende Einstellung ist.
- Die noch größere Bedrohung unserer wirtschaftlichen Zukunft ist aber die seit einigen Jahren kursierende Angst vor einer globalen Erwärmung. Wohl wächst die Zahl der Zweifler an jener These, wohl sind schon heute viele der in den 80er und 90er Jahren gemachten Global-Warming-Prophezeiungen als unrichtig entlarvt. Der Kampf gegen eine vermeintlich menschengemachte globale Erwärmung ist aber ein Eckstein jeder europäischen Politik geworden. Europa nimmt als einziger Kontinent viel Geld in die Hand, um technisch völlig unzureichende Energiequellen wie Windmühlen und Solarpaneele zu fördern und um den globalen Emissionshandel zu finanieren. Es hat dabei zwar nur recht magere Ergebnisse erzielt, den Arbeitsplatz-Standort Europa jedoch durch die hohen Kosten schon deutlich beeinträchtigt.
Würde Europa übrigens in seinem teuren Kampf gegen die befürchtete Erwärmung wirklich die beabsichtigte starke Reduktion von Öl und Gas gelingen, dann hätte das vor allem ein automatisches Ergebnis: Benzin, Kerosin und Diesel würden auf den Weltmärkten wieder billiger. Das aber würde wiederum jeden Druck auf andere Kontinente, sparsamer mit diesen Produkten umzugehen, automatisch ins Gegenteil verkehren. Damit ist jedenfalls der europäische Kampf zwar keineswegs gratis, aber sicher umsonst und vergeblich.
- Sonnen- und Windenergie wiederum sind nach wie vor so teuer und unverlässlich, dass sie höchstens im Märchenbuch und in Politikerreden imstande sind, die Energielücke zu schließen. Ganz abgesehen davon, dass mit Sicherheit die durch die Windmühlen und die neuen langen Stromleitungen entstehende Landschaftsverschandelung bald am Widerspruch der Menschen enden wird.
- Wasserkraft ist kaum noch ausbaubar. Sobald ein Projekt spruchreif wird, entsteht sofort heftiger regionaler wie internationaler Protest. Motto: „Überall, doch nicht hier bei uns.“
- Und schließlich haben wir auch noch ein kleines Problem mit derv von der Agrarwirtschaft forcierten Bioenergie. Wenn riesige Agrarflächen nicht mehr mit Essbarem, sondern mit Fahrbarem (also Biosprit-Gewächsen) bepflanzt werden, dann wird die durch Überbevölkerung, steigenden Lebensstandard und Energiepreise ohnedies schon überbeanspruchte Lebensmittelproduktion noch viel mehr leiden.
Da ist für Europa guter Rat teuer. Nur wenige Empfehlungen lassen sich mit Sicherheit geben. Die eine ist, dass jeder europäische Alleingang sinnlos und absurd ist; dazu ist Europa längst schon zu unbedeutend und wirtschaftlich schwach. Der zweite ist, dass man der Wissenschaft alle Freiheiten geben muss, an Antworten auf das Energieproblem zu forschen. Der dritte ist: Mehr Ehrlichkeit in der Kommunikation mit dem Bürger; denn solange diesem nicht klar ist, dass der Strom eben nicht nur aus der Steckdose kommt, sondern auch aus einem dieser unerwünschten Kratfwerke, kann es keine vernünftige Energiepolitik geben; am Schluss wird sowieso nur jener Politiker respektiert, der sich auch mutig zeigt und nicht nur ein Fähnchen im Wind der gerade aktuellen Medienaufregung ist. Der vierte ist: Je mehr sich staatliche Eingriffe gegen die Marktmechanismen richten, umso stärker werden diese an unerwarteter Stelle wieder wirksam.
All das gilt natürlich in gleicher Weise für die EU-Institutionen wie auch die Staaten.
PS.: Und wovor fürchte ich mich persönlich? Am meisten vor der drohenden großen sozialen Explosion als Folge von Schuldenwirtschaft und Energiemangel; weniger vor der Verhässlichung Europas durch Windkraftwerke; noch weniger vor einer verantwortungsbewussten Nutzung der Atomenergie; und überhaupt nicht vor einer Globalen Erwärmung.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.
zur Übersicht