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Würde so etwas in einer Aktiengesellschaft passieren, müssten alle Vorstandsmitglieder, oder zumindest der Vorsitzende und der Finanzvorstand zurücktreten. Es müssten auch reihenweise Chefs von Filialbetrieben den Hut nehmen. Wir reden aber nicht von einer AG, sondern von der Republik Österreich, ihren Ländern und Gemeinden. Daher wird natürlich niemand die Verantwortung übernehmen.
Anlass der Rücktrittsnotwendigkeit ist der neue Rechnungshofbericht über Österreichs Fiskalpolitik. Dieser Bericht macht eindringlich klar, dass Österreich viel stärker verschuldet ist, als es die offiziellen Statistiken zugeben. Und es sündigen keineswegs nur der Bund und die Länder. So waren bei Österreichs Gemeinden schon 2009 die Finanzschulden um rund 117 Prozent höher als der zugegebene öffentliche Schuldenstand! Aber das ist noch keineswegs alles: Dazu kommt noch eine riesige, freilich niemandem genau bekannte Menge an „Haftungen und Garantien der Gebietskörperschaften“.
Dieser öffentliche Schuldenstand ist jedoch das wichtigste der Maastricht-Kriterien. Dieser Schuldenstand wird auch ganz intensiv von den internationalen Geldverleihern angeschaut. Wenn sich dort einmal die Wahrheit über Österreichs Finanzen herumspricht, dann sollten wir uns alle gut anschnallen.
Und was ebenfalls nicht in den offiziellen Schulden-Angaben enthalten ist, ist die „Nachhaltigkeitslücke“. Der Rechnungshof meint mit diesem Wort die Folgen der rapiden Überalterung der österreichischen Gesellschaft. Wenn ein immer größerer Teil der Bevölkerung die vermeintlich wohlverdienten Früchte ihres Lebens genießen will, müsste der Staat dafür etwas zurückgelegt haben. Laut Rechnungshof hätte er eigentlich schon 2009 rund 13 Milliarden auf die Seite zu legen gehabt. Zurückgelegt wurde jedoch kein Cent.
Das einzige, was Bund, Länder und Gemeinden (womit also Rot, Schwarz und Blau/Orange voll in der Verantwortung sind, nur die Grünen waren kaum noch in einem Gelegenheitsverhältnis) statt dessen jedoch geschafft haben: Sie haben zwischen 2005 und 2010 allein den öffentlichen Schuldenstand um rund 30 Prozent auf 205 Milliarden erhöht. Das ist ein um mehr als 47 Milliarden Euro höherer Schuldenstand. Das ist aber eben nur der Maastricht-Schuldenstand, die geheimen Haftungen usw. sind da noch gar nicht erfasst.
Wenn jetzt wahrscheinlich wieder einmal die dümmliche Kräuter-Faymann-Rudas-Propagandawalze aufgelegt werden sollte: „Ja, das ist deshalb, weil wir die bösen gierigen Banken retten mussten“, dann sollte man ihnen diese freche Lüge sofort zurückschmeißen: Die Banken haben nicht einmal ein Zehntel der neuen Schulden bekommen und werden zum Unterschied von anderen Empfängern wohl alles zurückzahlen – sofern sie nicht dem Staat gehören. Nur bei jenen Banken, bei denen wiederum Politiker (Schmied bis Jörg Haider) ihr Unwesen getrieben haben, wird der Steuerzahler bluten müssen. Das ist aber immer noch eine Bagatelle gegen die alleine von der Politik verschuldeten Schulden.
Jedes Mal, wenn ein Politiker (es waren meistens, aber keineswegs nur Sozialdemokraten) gesagt hat: „Das muss sich doch der dritt-/fünft-/zehntreichste Staat doch noch leisten können“, sollte man ihm nachträglich ein Jahresgehalt pfänden.
Aber es gibt ja die Stabilitätsprogramme, werden die Politiker nun japsen. Ja freilich. Nur wurden deren Ziele nie erreicht, wie der Rechnungshof trocken feststellte. Gibt es doch Sanktionen gegen Sünder nur bei Einstimmigkeit zwischen Bund und Ländern – also logischerweise nie. Und außerdem sind auch die Ziele dieser Programme viel zu wenig ambitioniert. Zumindest wenn man einmal auch Schulden abbauen wollen und die Alterung der Bevölkerung zur Kenntnis nehmen würde.
Die Länder sind da besonders üble Geheimhalter. So sind laut Rechnungshof bei Fünfen nicht einmal die Personalstände ihrer Mitarbeiter bekannt. Es gibt – natürlich – auch keinerlei gemeinsame Grundlagen oder Methoden für Finanzplanungen oder -berichte. Und wo es ein Berichtspflicht gibt, wird die nicht eingehalten: Laut Rechnungshof sind nicht weniger als 560 staatliche Einrichtungen ihren Informationspflichten nicht nachgekommen.
Das Ergebnis: Finanzministerium und Statistik müssen vielfach auf Schätzungen zurückgreifen. Die dann leider, leider nicht stimmen.
Noch kleine Information am Rande: Österreich muss selbst bei Einhaltung der Finanzplanung in den nächsten Jahren rund 100 Milliarden Euro auf den sogenannten Märkten ausborgen (bei den bösen Sparern, Kapitalisten und anderen, die man dann gerne als „Spekulanten“ denunziert, wenn sie gelegentlich auch ihr Geld zurückwollen). Für seine neuen Defizite und für die Umschuldung auslaufender Anleihen.
Hand aufs Herz: Würden Sie dieser Republik Geld borgen? Von einem Gebrauchtwagenkauf wollen wir ja gar nicht reden ...