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Je heftiger parteioffiziell in Optimismus zum Gesundheitszustand Josef Prölls gemacht wird, umso größere Sorgen sollte man sich machen. Der Zustand des ÖVP-Obmanns dürfte viel schlimmer sein, als viele annehmen. Darauf weisen Ärzte hin, die Erfahrung mit Lungenembolie haben, dafür spricht auch Prölls totale Abschirmung. Daher wird hinter vorgehaltener Hand in ÖVP-Reihen längst schon recht heftig spekuliert, wer denn in seine Fußstapfen treten könnte.
Diese Überlegungen machen freilich rasch klar: So groß die – weit über zwei Korruptionsfälle hinausgehende – Krise in der ÖVP auch ist, so groß das Führungsdefizit wie auch die inhaltliche Beliebigkeit auch geworden sind, so wenig gibt es einen zwingenden Nachfolger für Pröll oder gar jemanden, der sich offensiv für dieses Amt interessieren würde.
Fast nostalgisch erinnert man sich an die Zeiten, da noch ein Busek beziehungsweise ein Pröll oder gar ein Gorbach oder Klaus am Sessel ihres Vorgängers gesägt haben. Heute scheint man nicht nur allerorten an einem solchen Sägen desinteressiert, es gibt auch niemanden mehr, dem alle relevanten Gruppen den schwierigsten politischen Job in diesem Lande - nämlich mit einem ahnungs- wie hemmungslosen Machtpopulisten wie Werner Faymann zu regieren - wirklich zutrauen würden.
Aber gehen wir die Namen der Reihe nach durch:
Christoph Leitl: Er hält sich schon am längsten für auserwählt. Ihm wird aber am wenigsten zugetraut, es auch zu können. Leitl hat inhaltlich viel zu oft SPÖ-Positionen übernommen, er hat allzu oft der Gewerkschaft und der Arbeiterkammer die Mauer gemacht, als dass er noch für ÖVP-Wähler glaubwürdig werden könnte. Dass er Konservative nicht ansprechen kann, überrascht nicht, aber er ist nicht einmal für Wirtschaftsliberale glaubwürdig. Denn er hat vom Sparen immer nur sehr allgemein – wenn auch lautstark – gesprochen. Sobald er konkreter wurde, entpuppte sich Leitl meist als Forderungs- und Förderungslizitierer. Überdies ist er trotz seiner großen rhetorischen Begabung mit seinem krampfhaften Kampflächeln auch körpersprachlich nicht wirklich verkaufbar.
Reinhold Mitterlehner: Der Wirtschaftsminister galt lange als Fleisch vom Fleisch Leitls. Was ihm naturgemäß schadete. In den letzten Monaten begann er sich jedoch ein wenig zu emanzipieren und wagte es, seinem Erfinder zu widersprechen. Er hat durch ein weniger an Populismus ganz eindeutig an Statur gewonnen. Als ÖVP-Chef wäre er aber dennoch problematisch, finden sich in seinem politischen Lebenslauf doch die Geldverschwendung durch Auto-Verschrottungsprämien und gleichzeitig die Kürzung von Familienbeihilfen. Mitterlehner hat auch geistig noch nicht den Schritt vom Oberösterreicher zum Österreicher geschafft. Das kann man an seinen geographisch sehr eintönigen und qualitativ suboptimalen Personalbesetzungen ablesen. Und er hat auch noch nie gezeigt, dass er bei Gegenwind mutig Positionen verteidigen und ein Schiff auf hoher See steuern kann.
Michael Spindelegger: Der Außenminister agiert vielen ein wenig zu aalglatt. Er wirkt vor allem wie sein Parteiobmann abschreckend großkoalitionär. Was Ursula Plassnik an konfrontativer Lust gezeigt hat, wird bei Spindelegger zu allseitiger Konsens-Schmiere. Das freut natürlich Beamte wie Koalitionspartner. Es ist zwar sicher richtig, dass die Menschen in Österreich keinen inneren Konflikt in der Außenpolitik wollen, aber deswegen hätten sie trotzdem gerne das Gefühl, dass der Außenminister auch wirklich Außenpolitik macht. Und das kann Spindelegger nicht wirklich vermitteln. Denn gegenüber dem Ausland wollen die Menschen jenseits aller Diplomatie auch bisweilen Kanten sehen. Und sie lieben schon gar nicht einen Außenminister, der ausgerechnet zusammen mit den radikal-islamischen Saudis und mit deren Geld – das ja immer an Bedingungen geknüpft ist! – ein Islam-Zentrum in Wien errichtet. Spindelegger hat es in den letzten Stunden im Gegensatz zur Innenministerin auch nicht gewagt, deutliche Kritik an Italien und der EU wegen der freizügigen Weiterschleusung von illegalen Immigranten aus Tunesien zu üben.
Auf der positiven Seite seines Kontos steht, dass Spindelegger (ähnlich wie Pröll) eine Aura gemütlicher Sympathie und Bonhomie ausstrahlt. Er hat außerhalb des Außenministeriums mehr Substanz gezeigt als in diesem. So gelang es ihm, die Gesamtschulbefürworter in die Schranken zu weisen, die fast schon Prölls Ohr gewonnen hatten. Er hat auch den ÖAAB – mit Ausnahme des linksaußen stehenden oberösterreichischen Flügels – von einem Lizitierverein zu einer relativ verantwortungsbewussten Gruppierung umgemodelt. Auch wenn man nicht sicher weiß, ob er wirklich ein Alpha-Typ ist, so hat Spindelegger alles in allem wohl die besten Chancen. Nicht zuletzt spricht das heikle ÖVP-interne Mächtespiel für ihn: Spindelegger wäre erstmals seit Alois Mock wieder ein Parteiobmann aus dem ÖAAB. Und noch dazu einer, vor dem sich die Wirtschaft nicht fürchten muss.
Maria Fekter: Sie ist der dritte Kandidat aus Oberösterreich – was ganz wertfrei gesagt sei. Sie würde der Volkspartei ein klares Law-and-Order-Profil geben, was etliche zu den Freiheitlichen abgeschwommene Wähler zurückholen würde, was aber natürlich die Mainstream-Medien nicht goutieren würden. Diese würden freilich ohnedies jeden ÖVP-Obmann hinunterschreiben, der sich auch um die ÖVP-Wähler kümmert. Sie hat unter den ÖVP-Kandidaten die längste Regierungspraxis. Sie hat sowohl Justiz-, wie auch Sicherheits-, wie auch Wirtschaftserfahrung. Sie ginge als Ritterin ohne Furcht und Tadel auch mutig in Konfrontationen. Aber sie hat dennoch schlechtere Imagewerte als ihre Konkurrenten. Forscht man nach den Ursachen, dann fällt neben dem Hinweis auf die feindliche Haltung der Medien immer wieder ein Stichwort: Ihre Stimme und Stimmlage seien allzu schrill, dialektgefärbt und unangenehm. Ob sich mit diesem Argument eine gewisse Frauenfeindlichkeit tarnt, wird sich wohl nie objektiv eruieren lassen.
Karlheinz Kopf: Der Klubobmann hat in den letzten zwei Jahren mangels klarer Führung durch den Parteiobmann sehr oft die Linien der Partei zu ziehen versucht. Er wurde dann aber mehrfach von Josef Pröll desavouiert. Er hat sich aber auch im eigenen Klub Feinde gemacht – wo man aber wahrscheinlich Kopf schlägt und den Kompromisskurs Prölls gegenüber Faymann meint. In Sachen der eine Zeitlang von ihm verantworteten Medienpolitik gilt Kopf nicht gerade als erfolgreich. Was aber natürlich ebenfalls mit der beinharten, von Pröll nicht konterkarierten Machtpolitik Faymanns zusammenhängt. Kopf hat noch ein weiteres gravierendes Defizit: Der Vorarlberger wäre der erste ÖVP-Obmann ohne akademisches Studium seit dem niederösterreichischen Baumeister Julius Raab. Kopf wird daher in den doch recht bildungsbürgerlich orientierten Funktionärs-Reihen der ÖVP auch bisweilen verächtlich „der Handelsschüler“ genannt.
Wolfgang Schüssel: Wer sich unter ÖVP-Wählern umhört, bekommt immer noch diesen Namen am häufigsten zu hören. Es wäre aber eine Zeitverschwendung, hier die Eigenschaften Schüssels zu analysieren. Denn Schüssel würde das Amt sicher nie mehr übernehmen. Er weiß auch, dass der Raiffeisenflügel zumindest unter Christian Konrad gegen ihn mit der großen Artillerie feuern würde.
Ein Bundesländer-Kandidat: Das ist auszuschließen, bietet sich doch weit und breit keine Persönlichkeit an.
Ein Quereinsteiger: Das wäre absolut programmierter Selbstmord. Dazu ist das politische Geschäft viel zu brutal geworden, als dass da jemand Überlebens-Chancen hätte, der nicht schon jahrelang durchs Feuer gegangen ist.
Es wäre daher mehr als überraschend, wenn der Pröll-Nachfolger jemand anderer wäre als einer der hier genannten. Aber noch hat die Partei Schonfrist und kann hinter den Kulissen überlegen. Bis nach Ostern mag noch jeder hoffen, dass Pröll dann wieder voll zur Verfügung stehen wird – was nach Aussage medizinischer Experten überraschend schnell wäre. Bis zu diesem von Pröll selbst gesetzten Datum kann sich jeder ÖVP-Drahtzieher daher sowohl mit seinen Ambitionen, als auch mit seinen Sympathie-Bezeugungen und Intrigen zurückhalten.
Aber auch die schwachen Minister der ÖVP - von Karl über Bandion-Ortner bis Berlakovich - und die schwachen Landesparteichefs von Wien bis Kärnten können noch ein paar Wochen durchatmen. Denn vor Prölls voller Rückkehr oder seinem Abgang und der Wahl eines Nachfolgers wird ihnen sicher niemand den Abschied nahelegen.
Wird Prölls Absenz aber dann noch einmal kräftig verlängert oder macht er bei seinem Wiedererscheinen einen signifikant geschwächten Eindruck, dann wird die Nachfolgedebatte endgültig entbrennen. Und fast in jedem Fall wird debattiert werden, ob nicht ein Wechsel in zumindest ein bis zwei der heute von Pröll ausgeübten Positionen notwendig ist. Wobei festzuhalten ist, dass laut den befragten Medizinern eine Lungenembolie nichts mit Stress und Überarbeitung zu tun hat.
Falls man sich vorerst nur für einen Abgang Prölls aus dem Finanzministerium entscheidet, wäre der dortige Staatssekretär Reinhold Lopatka der logische Nachfolger; er hat sich mit mutigen Aussagen bestens etabliert, ist freilich ein sehr schwacher Redner. Aber auch Mitterlehner könnte nach dem attraktiveren Ministerium streben. Ob er die dort besonders nötige Härte aufbringt, ist jedoch fraglich.
Manche werden nun zurecht meinen, dass es ziemlich brutal ist, jetzt schon über Prölls Nachfolge nachzudenken. Aber Politik ist nun einmal ein ziemlich brutales Geschäft. Auf Jiddisch würde das heißen: Mit lauter Rachmones macht man keine Politik.