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Ganz Österreich kritisiert den Regierungsentwurf zur „Transparenz-Pflicht“. Denn die Pflicht, lange nachher die Summen für die aus Steuer- oder Gebührengelder finanzierten Inserate zu veröffentlichen, ist viel zu wenig weitgehend. Doch nein, nicht ganz Österreich kritisiert das – eine große Stadt im Osten sieht das völlig anders. Sie will nicht einmal so viel Transparenz.
Die Gemeinde Wien meint in ihrer offiziellen Stellungnahme zu dem ohnedies nur zwergenartigen Vorhaben zur Beschränkung des größten Korruptionsskandals der Nachkriegsgeschichte, dieses sei schon viel zu weitgehend. Die Rathausgewaltigen wollen nicht, dass Unternehmen im Einflussbereich der öffentlichen Hand zur Transparenz verpflichtet sind.
Sie wollen mit anderen Worten , dass die Wiener Linien, Wien-Strom, die Wiener Holding, die Entsorgungsbetriebe und Dutzende andere Gemeindebetriebe auch weiterhin in geheimer Dunkelheit Abermillionen Steuer- und Gebührengeld hinauswerfen können. Da geht es um ein gewaltiges Imperium. Denn in der Stadt Wien herrscht in Sachen Verstaatlichung noch der real existierende Kommunismus, mehr als in jeder anderen Region westlich von Russland und Belarus seit 1989.
Das Rathaus will also, dass wir auch weiterhin nicht erfahren, wie viel es von unserem Geld für zwei korruptionäre Zwecke ausgibt: erstens dafür, dass vor Wahlkämpfen Stimmung für die roten Machthaber gemacht wird; und zweitens dafür, dass die kassierenden Medien, vor allem im Boulevard- und Gratis-Bereich, auch im redaktionellen Teil weiterhin freundlich und unkritisch über die Misswirtschaft im Wiener Rathaus hinwegsehen.
Süß ist die Begründung der Wiener Landesregierung. Sie glaubt, dass „die Preisgabe sensibler Informationen den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gefährden kann“. Offenbar wird die U-Bahn stecken bleiben, wenn man erfährt, wie viel Geld deren Benutzer an die Familien Dichand und Fellner zu zahlen haben. Oder um welche Betriebsgeheimnisse soll es da sonst gehen?
Apropos Landesregierung: Dunkel habe ich in Erinnerung, dass dort neuerdings auch die Grünen vertreten sein sollen. Und noch dunkler erinnere ich mich, dass die Grünen einst besonders heftig diese Korruptionsinserate bekrittelt haben. Aber überhaupt keine Erinnerung habe ich, dass die Grünen jetzt gegen diese Stellungnahme der Wiener Stadtregierung protestiert oder diese gar verhindert hätten. Das beweist, dass entweder meine Gedächtniszellen oder die Grünen in einem ziemlich üblen Zustand sind.
Es wird jedenfalls spannend, ob sich die ÖVP-Neu nun noch eine weitere Abschwächung des erwähnten Gesetzesentwurfs aufzwingen lässt.
PS.: Köstlich ein Photo aus einem dieser Wiener Inserate. Da sieht man den Wiener Bürgermeister mit gleich zwei Exemplaren von Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ in der Hand. Oder war es doch nur ein Buch und ich sehe von allzu viel Alkohol doppelt? Wie auch immer: Laut dem Bildtext der rathauseigenen PR-Truppe, bekanntlich die größte und höchstbezahlte Truppe dieser Art in Österreich, werden in dem Buch „Varianten menschlichen Verhaltens aufgezeigt – etwa von Revoluzzer, Reformer und Vertreter der Wiener Ballhaus-Diplomatie“. Ganz offensichtlich haben aber weder Häupl noch seine Geisterschreiber Musil gelesen. Denn von solchen komischen -Innen-Geschöpfen kommt bei ihm kein einziges vor. Musil konnte nämlich noch deutsch. Und er hätte sich auch gegen eine Vereinnahmung durch eine Korruptionisten-Partie heftig gewehrt.