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Jean Ziegler und die Wahrheit

Und wieder hat die grün-linke Kulturschickeria samt ihren journalistischen Hofnarren eine Märtyrerstory erfunden. Und wie fast immer stimmt fast nichts daran. Was jenen Kreis nicht hindert, die Geschichte mit großer Begeisterung weiterzuerzählen. Hautdarsteller ist der linksradikale Schweizer Soziologe Jean Ziegler, der behauptet, von den Salzburger Festspielen auf Druck einer düsteren Verschwörung als schon eingeladener Referent wieder ausgeladen worden zu sein.

Der wortmächtige Ziegler hat die Chance erkannt, sich wieder einmal in den Vordergrund zu reden. Er porträtiert sich seit einigen Tagen als doppeltes Opfer: einerseits einer kapitalistischen, andererseits einer jüdischen Verschwörung. (Hatten wir das nicht schon einmal?)

Ziegler bezeichnet sich einerseits als unschuldiges Opfer von „UN-Watch“, einer Organisation des American Jewish Committee, die ihn in der Tat schon mehrfach für seine antidemokratischen Positionen kritisiert hat. Von einer jüdischen Gruppe kritisiert zu werden, macht ihn in vielen linken Kreisen automatisch zum Heiligen.

Der Schweizer verbreitet zugleich – wie bei ihm üblich, ohne irgendeinen Beweis vorzulegen, – die Behauptung, dass Sponsoren der Salzburger Festspiele wie der Lebensmittelkonzern Nestle seine Ausladung betrieben hätten. Ziegler hatte nämlich in den vergangenen Jahren in seinem blinden – längst auch für die Schweizer Sozialdemokraten nicht mehr tragbar gewesenen – Hass auf die Marktwirtschaft auch Nestle mehrfach heftig attackiert. Und Nestle ist seit Jahren ein Sponsor der Festspiele.

Es gibt aber absolut keine Beweise, dass die Sponsoren der Festspiele überhaupt davon gewusst haben, dass Ziegler für diese Rede auserkoren war. Die ersten Meldungen über Ziegler und Salzburg sind erst in Zusammenhang mit Zieglers Ausladung aufgetaucht. Auch die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die für die Auswahl der Eröffnungsfestredner zuständig ist, und die Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler betonen, dass sie nie mit einem Sponsor über das  Redeprojekt Ziegler gesprochen haben. Und dass die Ausladung einzig eine Entscheidung Burgstallers gewesen ist, die darin von Rabl-Stadler unterstützt wird. Der Grund der Ausladung: Zieglers Nähe zu Muammar Gaddafi, die in Zeiten wie diesen irgendwie blöd ausschauen würde.

Ziegler dementiert jedoch heftig eine solche Nähe. Er sondert zur Unterstreichung dieses Dementis sogar heftige Kritik an Gaddafi ab, nennt diesen „völlig verrückt“ und unterstützt verbal die Aufständischen. Das genügt den üblichen Verdächtigen – also den politisch in aller Regel völlig ahnungslosen Kulturjournalisten und einigen Linksaußen-Autoren wie Elfriede Jelinek oder Peter Turrini – um flammende Solidarität für Ziegler zu äußern. Das Recherchieren von Fakten ist bei dieser Gruppe ja noch nie Mode gewesen. Ihnen ist die tatsachenfreie Erregung viel wichtiger, ist sie doch einfacher und zeitgeistiger.

Denn sonst hätten die Journalisten nur in ihr Archiv gehen müssen und dort etwa schon am 25. April 1989 die erste Meldung gefunden: „Der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi hat einen mit 250.000 Dollar (rund 3,2 Millionen Schilling) dotierten "Menschenrechtspreis" gestiftet. Das teilte der sozialdemokratische Schweizer Parlamentsabgeordnete und Genfer Soziologieprofessor Jean Ziegler am Sonntag mit.“ Und weiter: „Die Preisträger werden von einem Komitee bestimmt, dem außer Ziegler der Chef der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO, Sam Nujoma, der französische Jurist Robert Charvin, der sudanesische Rechtsprofessor Nasser Cid und der Gründer des Weltbundes der Partnerstädte, Jean-Marie Bressand, angehören.“

Mit anderen Worten: Ziegler wurde damals einer der wichtigsten Propaganda-Träger des libyschen Diktators. Er hat sich dabei an der besonders zynischen Operation eines Gaddafi-„Menschenrechtspreises“ beteiligt. Ein solcher Preis eines terroristischen Staatschefs, der ganze Flugzeuge in die Luft jagt, muss einem in seiner Verlogenheit erst einfallen. Ziegler war dabei aber nicht nur als Mitglied des Komitees, das die Preisträger auswählt, aktiv, sondern sogar als dessen Sprecher. Da kann man mit extrem großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er das nicht nur für Gotteslohn, pardon Allahs Lohn gemacht hat. Die für diesen Preis reservierten zehn Millionen Dollar wurden – ausgerechnet – von einer Stiftung nach Schweizer Recht verwaltet.

Und noch 2009 ist Ziegler erklärtermaßen nur deshalb nicht als eingeladener Ehrengast zu den libyschen Revolutionsfeiern angereist, weil Gaddafi gerade zwei Schweizer Geschäftsleute als Geiseln genommen hatte – deren Freilassung Ziegler übrigens immer wieder, wenn auch zu Unrecht ankündigte. Ohne diesen Zwischenfall wäre er auch 2009 noch gerne nach Libyen geflogen.

Distanzierungen Zieglers von Gaddafi sind hingegen erst zu finden, seit dessen Sturz unmittelbar bevorzustehen scheint. Dennoch beten die diversen Feuilletons jetzt die neuentdeckte Aversion Zieglers gegen Gaddafi brav und kritiklos herunter.

Gabi Burgstaller ist daher ein ehrliches Kompliment für die Ausladung Zieglers zu zollen. Die Salzburger Landeschefin hat sich ja schon mehrfach als mutige Selbstdenkerin profilieren können. Was in der Politik eine eher seltene Erscheinung ist.

Freilich hätte sie auch schon vor der ersten Einladung an Ziegler mehr denken lassen können. Denn die Positionen des linksradikalen Hasspredigers sind seit langem bekannt – und werden etwa in Ö1 fast wöchentlich voller Andacht verbreitet. Es ist auch mehr als diskutabel, ob der Stargast der Wiener Audimax-Randalierer als Festspiel-Redner von irgendjemandem ernstgenommen worden wäre.

Wir lernen daraus wieder einmal so manches: Erstens, gewinnbringende Stiftungen nach Schweizer Recht sind nur einem Ziegler und einem Gaddafi, aber niemandem anderen erlaubt. Denn sonst wird die Stiftung von Ziegler verdammt.

Und zweitens: Immer dann, wenn der verlogene Zynismus am größten ist, sind die Grünen am nächsten. Denn sie machen mit diesem Herrn Ziegler eine Gegenveranstaltung zu den Festspielen in Salzburg.

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