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Der Spin des Spindelegger

Etliche Positiva, etliche Negativa, etliches Riskantes. Das bedeutet das neue Team des Michael Spindelegger. Das Match gewinnt der neue ÖVP-Chef damit aber so und so nicht. Das entscheidet sich auf einem ganz anderen Spielfeld: auf dem der Inhalte und Identität. Und dort hat Spindelegger nur dann Siegeschancen, wenn er erkennt, worum es geht: ums Überleben der Volkspartei.

Welche positiven, welche negativen,welche riskanten Vorzeichen bringt nun dieses Team auf den ersten Blick?

Positiva

  1. Lobenswert ist sicher das Abrücken von einer starren Frauenquote, obwohl sich ausgerechnet die ÖVP-Frauenchefin als einzige Chefin einer Teilorganisation während der schwierigen Verhandlungstage Spindeleggers mit öffentlich vorgetragenen Forderungen nach einer solchen Quote exponiert hat. Damit hat sie aber den Parteichef fast gezwungen, die Zahl der Frauen zu verändern, sonst wäre er lächerlich dagestanden.
  2. Der Bauernbund hat eindeutig an Stellenwert verloren. Das ist eine logische Folge der soziologischen Entwicklungen der letzten Jahre, birgt freilich das Risiko, dass Raiffeisen die überschuldete Volkspartei noch knapper behandeln wird.
  3. Wolfgang Waldner als neuer Staatssekretär im Außenamt wird dort wohl nicht nur seinen Parteichef entlasten, sondern der ÖVP auch das zurückbringen, was ihr unter Pröll völlig gefehlt hat: ein Gesicht für die Welt der Kultur, in der sich der Diplomat Waldner in den letzten Jahren mit dem erfolgreichen Aufbau des Museumsquartiers intensiv bewegt hat.
  4. Positiv ist sicher auch der Wechsel im Justizressort. Auch wenn Beatrix Karl im Wissenschaftsressort nicht wirklich geglänzt hat, wird sie in der Justiz mit relativ großer Wahrscheinlichkeit eines bessere Figur machen als Claudia Bandion-Ortner (mit gewisser Eitelkeit sei gesagt: Bei deren Bestellung war ich der einzige Journalist, der vehement gewarnt hat, während der Rest der Medien damals noch über die Seitenblicke-Ministerin gejubelt hat).
  5. Das geschlossene Familienstaatssekretariat wird niemand vermissen. Hat doch keine der beiden Amtsinhaberinnen der letzten Jahre dort relevante Spuren hinterlassen können. Die Kompetenz in Sachen Familie muss eine Partei anders zeigen als durch ein Amt – etwa bei der Pensionsregelung für Mütter.
  6. Interessant ist, dass Spindelegger keine Scheu hat, einen 62-Jährigen als Newcomer in die Regierung zu holen.

Negativ

  1. Negativ fiel in den vergangenen Tagen auf, dass bei Spindelegger zum Unterschied von Pröll ständig allzu viel, wenn auch nicht immer Konsistentes vom Stand der Verhandlungen durchgesickert ist. Was auch für Spindelegger peinliche Absagen bekanntgemacht hat. Gewiss kann man das auch als Zeichen werten, dass er sich breiter beraten hat als einst Pröll. Einen sehr professionellen Eindruck einer Partei mit Disziplin machte das aber nicht.
  2. Johanna Mikl-Leitner wird mit Sicherheit ein Schwachpunkt in Spindeleggers Team werden. Sie bringt zwar als Innenministerin die gleiche Härte wie Fekter mit. Was im Gegensatz zu den diversen Zeitungskommentaren dort absolut notwendig ist. Nur ist sie im Gegensatz zu Fekter keine Juristin – was ihr in dem unter gutmenschlicher Dauerattacke liegenden und jedenfalls heiklen Ressort sicher bald peinliche Fehler einbrocken wird. Denn auch eine hoffentlich starke Exekutive ist durch viele Vorschriften und Regeln gebunden, deren Verletzung der Ministerin auf den Kopf fallen wird. Und der Stil ihres Auftretens erinnert an volkstümelnde Gewerkschaftsfunktionäre, was wohl ebenfalls schlecht in dieses Ressort passt.
  3. Der neue Parteisekretär Hannes Rauch hat bisher als Parteimanager primär Misserfolge erzielt. Der Tiroler wäre nach der Bestellung eines Tiroler Wissenschaftsministers auch nicht einmal mit der Notwendigkeit zu erklären, dass der Westen stärker vertreten sein müsse.

Riskant

  1. Einen noch nicht einmal 25-Jährigen als Staatssekretär in ein neugeschaffenes Integrations-Staatssekretariat zu holen, ist überaus riskant. Das erste Risiko besteht natürlich im Alter von Sebastian Kurz, in dem man gerne zu riskanten Sprüchen und Aktionen neigt (Immerhin trägt er die Verantwortung für einen peinlichen Wahlkampf-Slogan „Schwarz macht geil“). Das zweite Risiko liegt in dem fast sicheren Machtkampf mit der neuen Ministerin, die ihrem ganzen machtbewussten Wesen nach Kurz keinen Millimeter Spielraum gewähren wird. Das dritte in dem Eindruck, dass die ÖVP mit einem solchen Staatssekretariat wieder einmal gegenüber dem Druck von Medien und anderen Linken umgefallen scheint – obwohl Kurz keineswegs ein Typ nach dem Wunsch der Caritas ist.
  2. Maria Fekter: Ihr traut man gewiss die wichtigste Eigenschaft eines guten Finanzministers zu, nämlich die Härte, forderungswütigen Lobbies und Politikern Nein sagen zu können. Sie ist auch die erfahrenste Politikerin der ganzen Regierung, dürfte auch etwas von Steuern und Betriebswirtschaft verstehen. Sie ist aber trotzdem keine Idealbesetzung (und wäre im Innenressort viel besser eingesetzt gewesen): Denn sie bringt – so wie ihr Vorgänger – kein finanzpolitisches und volkswirtschaftliches Wissen ins Amt mit. Das aber wäre die entscheidende Voraussetzung in diesen Zeiten. Ohne einen solchen Hintergrund wird Fekter so wie die gesamte österreichische Politik der letzten Jahre insbesondere auf EU-Ebene bedenklichen Entwicklungen nicht entgegentreten können. Pröll hat sie nicht einmal durchschaut.
  3. Karlheinz Töchterle ist neben Waldner der zweite Neue in Spindeleggers Team, der schon für eine andere Partei kandidiert hat. Während es bei Waldner eine kurzlebige Behinderten-Partei war, war Töchterle sogar zweimal ein grüner Kandidat. Das kann man natürlich als Zeichen der Breite und Öffnung sehen, das bringt aber etliche Risken. So hat sich Töchterle etwa provozierend lobend über die Innsbrucker Uni-Besetzer geäußert. Für den neuen Minister spricht wiederum, dass er sich im Gegensatz zu den Grünen für Studiengebühren ausgesprochen hat. Und vor allem: Dass er als Altphilologe auch wieder die ÖVP als Bildungspartei positionieren kann. Das große Fragezeichen ist: Wird Töchterle wieder wie eine Zeitlang Karl als ungesteuertes Geschoß fungieren und sich etwa für die Gesamtschule exponieren? Oder hat Spindelegger die letzten Tage besser genutzt als einst Pröll und hat dabei auch ein eingehendes sachliches Briefing mit dem Innsbrucker Rektor durchgeführt, damit der nicht seine Linie durchkreuzt?
  4. Das allergrößte Risiko für die ÖVP besteht aber in der ungelösten Positionierung der Partei. Wohl hat Spindelegger selbst einst den größten drohenden Unsinn unter Pröll und Karl verhindert, nämlich die Gesamtschule. Zum Thema Bundesheer ist er zwar verantwortlich, hat aber bisher nie eine klare Linie gezeigt. In vielen Einzelfragen wird naturgemäß erst die Zukunft zeigen, wo die ÖVP jetzt steht, die durch ständigen Kurswechsel ohnedies schon viel Boden verloren hat. Aber im allerwichtigsten Punkt scheint der nette Michael Spindelegger genauso falsch zu liegen wie der nette Josef Pröll: im Glauben, dass die ÖVP bei einem Kuschelkurs mit dem hemmungslosen Linkspopulisten Faymann Überlebenschancen hat. Einen solchen Kuschelkurs raten ihr zwar viele. Aber er wäre der sicherste Weg Richtung Zehn-Prozent-Partei.

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