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Die Kluft zwischen Gut gemeint und Gut geglückt ist wohl nirgends so groß wie bei Menschen- und Völkerrecht. Gerade dort glauben jedoch viele Gutmenschen, gut und richtig zu handeln. Sie ignorieren aber, dass sie allzu oft genau das Gegenteil erreichen. Die Causa Libyen bietet jedoch neue Beweise für diese ernüchternde Dialektik der Weltgeschichte.
Denn es ist gerade eine der gut gemeinten Regelungen dieses Völkerrechts, die es erschwert, dass Muamar Gaddafi freiwillig abtritt und seinem Land ein weiteres Blutvergießen erspart. Die vor einigen Jahren von Juristen, Diplomaten und Politikern als Menschheitsfortschritt gefeierte Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs lässt Gaddafi nur noch eine einzige Alternative: Entweder zu siegen oder bis zum letzten zu kämpfen.
Die einst übliche dritte Möglichkeit gibt es für ihn nicht mehr – sich so wie frühere Diktatoren entmachtet, aber unbehelligt in eine gemütlich-diskrete Villa an der Riviera zurückzuziehen. Gäbe es noch diesen Ausweg, dann hätte ihn Gaddafi wohl schon gesucht. Weil es diesen Ausweg nicht mehr gibt, müssen nun noch viel mehr Menschen sterben.
Absurderweise wird aber nun offenbar hinter den Kulissen sehr wohl über eine Garantie für Gaddafi verhandelt, nicht vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt zu werden. Offenbar beginnt die Staatenwelt langsam zu erkennen, was sie da unter den Einflüsterungen wichtigmacherischer Völker- und Menschenrechtler angerichtet hat.
Der nunmehr versuchte Rückzieher im Fall Gaddafi wird natürlich anderswo genau beobachtet. Sollte er wirklich realisiert werden, werden viele Serben (und auch Kroaten) zu Recht sagen: da misst die Welt in provozierender Weise mit zweierlei Maß, sind doch viele Akteure der Balkankriege von diesem Gerichtshof verurteilt worden. Und Belgrad wird sogar bis heute die Annäherung an die EU verwehrt, weil der Srebrenica-General Mladic noch immer flüchtig ist.
Eine nüchterne Analyse müsste längst offen zugeben: Die Drohung durch diesen Strafgerichtshof wird nur dazu führen, dass in Zukunft viele Konflikte noch länger dauern und blutiger sein werden. Denn die Diktatoren und Kriegsherren haben ja nichts mehr zu gewinnen, wenn sie nicht bis zur letzten Patrone kämpfen (lassen).
Noch eine zweite Säule der Völkerrechtsordnung nach dem Weltkrieg erweist sich im Libyen-Konflikt – wieder einmal – als problematisch: Das ist der UNO-Sicherheitsrat. Er kann seit 1945 als einzige Institution der Welt Kriegshandlungen (die über Selbstverteidigung hinausgehen) rechtlich legitimieren. Solange im Sicherheitsrat aber Unrechts-Regierungen wie vor allem China ein Vetorecht haben und solange auch Russland rein machtpolitisch und nicht menschenrechtlich denkt, können beim Sicherheitsrat nur ganz faule Kompromisse herauskommen.
Das spüren zumindest jene Staaten als lähmend, die sich an Sicherheitsrats-Beschlüsse zu halten versuchen, wie es die derzeitige Anti-Gaddafi-Koalition offensichtlich tut. Diese Koalition kann gleichsam nur mit einer auf den Rücken gebundenen Hand agieren. Es kann ja zum Beispiel gar kein Zweifel bestehen, dass eine gezielte Tötung Gaddafis viele andere Menschenleben retten würde. Aber die ist eben durch den Sicherheitsrat nicht erlaubt worden, sonst hätten Moskau und Peking nicht zugestimmt.
Irgendwie heißt der Auftrag des Sicherheitsrats ja auch: Keine der beiden Kriegsparteien darf unterliegen. Was das perfekte Rezept für einen unendlich langen und blutigen Krieg ist.
PS: Noch einmal sei es gesagt: Diese Kritik ändert nichts daran, dass die westliche Einmischung in Libyen, dass die klare Parteinahme für die Opposition sehr kurzsichtig gewesen ist. Aber seit man schon eingegriffen hat, ist es besonders blöd, wenn dann nur mit halben Mitteln um halbe und unklare Ziele gekämpft wird.