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Verlustmeldungen eines turbulenten Tages

An manchen Tagen gleicht die Republik einem Lost&Found-Schalter, bei dem ständig alle möglichen Verluste gemeldet werden. Wobei es aber keine Chance auf ein Wiederfinden  des Verlorenen gibt.

Da geht der ÖVP nun schon der zweite Europa-Abgeordnete binnen weniger Tage verloren. Und wieder steigt bedenklicher Geruch auf, weil ein Abgeordneter nicht scharf zwischen privaten Interessen und politischer Aufgabe getrennt hat. Das intensiviert noch mehr die schon seit einiger Zeit rumorende Frage, mit welcher Unprofessionalität diese Partei eigentlich derzeit geführt wird. Weiß man nicht, dass es zur obersten Pflicht eines Parteisekretariats gehört, sich die eigenen Kandidaten genau anzuschauen, sowohl bei der Bestellung wie auch nachher? Warum erfolgen die Rücktritte immer erst nach Tagen des Trommelfeuers von außen? Hängt das vielleicht damit zusammen, dass Josef Pröll nicht nur an der Parteispitze, im Klub und in der Akademie, sondern auch im Sekretariat zum Teil bis auf die dritte Ebene das Personal ausgewechselt und sich damit blutiges Anfängertum eingehandelt hat – mit der hochmütigen Begründung, dass das System Schüssel-Molterer halt abgewählt worden sei (obwohl Pröll deren Stimmanteile nicht einmal mehr annähernd erreichen kann)?

Da geht der AUA der neue Chef verloren – nicht einmal drei Tage, bevor dieser sein Amt antritt. Die Begründung ist so fadenscheinig, dass man daraus nur auf tiefe, wenn auch geheimgehaltene Konflikte schließen kann. Das zeigt freilich, dass auch die Privatwirtschaft nicht ganz vor jenen Peinlichkeiten gefeit ist, die man sonst dem öffentlich-rechtlichen Bereich und der Politik zuordnet.

Da geht der Politik der Sündenbock für den Absturz der Hypo Alpen-Adria verloren. Denn deren früherer Chef wurde vom Gericht freigesprochen. Dabei war das Verfahren gegen den Herrn Kulterer ohnedies skurril: Es wurden leichtfertige Kredite in der Höhe von zwei Millionen angeklagt – hingegen die Tatsache, dass das Land Kärnten noch viel leichtfertigere Haftungen in der Höhe von fast 20 Milliarden eingegangen ist, scheint niemanden zu stören. Dabei ist das zehntausendmal so viel. Aber wie im Fall Bawag geht es offenbar immer nur darum, einen Sündenbock für Verbrechen der Politik festzunageln. Und die Staatsanwälte sind froh, sich nicht mit der Politik anzulegen.

Und da geht den Medien und den Grünen (was ja meist dasselbe ist) plötzlich der angebliche Beweis für Bestechung rund um die Eurofighter-Beschaffung verloren, der von ihnen monatelang als Megaskandal betrommelt worden ist. Denn die Staatsanwaltschaft hat mangels Kausalität alle Verfahren eingestellt. Was freilich schon einen üblen Beigeschmack hinterlässt. Gewiss: Dass die Eurofighter-Firma mit großer Freigiebigkeit vor allem Richtung heeresnahen und FPÖ-nahen Partnern durchs Land gezogen ist, ist alles andere als ein Beweis, dass die Eurofighter-Anschaffung geschoben war. Aber dennoch ist man ziemlich erstaunt, wenn etwa ein Spitzenoffizier vom größten Auftragnehmer des Heeres für ein privates Projekt und aus angeblicher alter persönlicher Freundschaft Geld annehmen kann und das nicht strafbar ist. Ich weiß jedenfalls eines: Es gab zumindest früher sehr viele Spitzenbeamte, die nicht im Schlaf bereit gewesen wären, auf noch so vielen Umwegen Geld eines Lieferanten der Republik oder auch sonst einer Firma entgegenzunehmen. Freilich gab es immer auch andere. Und nach dieser Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wien – die ja allem Anschein nach lieber Meinungsdelikte von Islamkritikern verfolgt – wird es halt noch viel mehr von diesen „anderen“ geben. Aber öffentlich wird debattiert, ob die Einladung zu einem Essen oder einem Konzertbesuch an sich schon ein Verbrechen darstellt . . .

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